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Freitag. 4« 20. Juni 1862. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post anstalten. Amts- und Anzeige-Klatt der Königlichen Gerichts-Aemter und Stadträthe Za Dippoldiswalde. Frauenstein und Altenberg. Preis M p^o Quartal Werßerrh-Zertung. LL Verantwortlicher Nedacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Tagesgefchichte. * Dippoldiswalde, den 18. Juni. Die Erin nerung an unsere theuern Entschlafenen bisweilen in uns lebhafter zu erneuern, ist gewiß löblich und segens reich. Wenn auch die Kirche durch Bestimmung eines eigenen Sonntages Dem cntgegenkommt, so ist diese Einrichtnng gewiß anzuerkennen, wenn schon die Wahl des betreffenden Sonntages (in rauher Winterszeit) nur geeignet ist, uns an das Dunkle, Schauerliche, Erschreckende der letzten Ruhestätte zu mahnen. Wie ganz anders und wohlthuender würde diese Feier das Gemüth ergreifen zu einer Zeit, wo durch daö neue Erwachen der Natur im Frühling oder Sommer der tröstende Glaube an ein ewiges Sein rings in der ganzen, sich verjüngenden Schöpfung eine kräftige Stütze findet. Als ganz besonders geeignet dazu er scheint der Tag Johannis des Täufers. Schon ist dieser Tag, an welchem unser Blumenflor gewöhnlich im schönsten Schmucke prangt, in mehreren Orten, wenn auch nicht kirchlich, doch dadurch gefeiert worden, daß man Gaben der Liebe aus Blumengewinden auf den Hügeln der Entschlafenen niedcrgelegt hat. Vorzüglich hat sich Leipzig, wie in so Vielem, so auch hier hervorgethan. Wer Leipzig's Johannis kirchhof, namentlich den neuen, am Johannistage sicht, wo Tausende und aber Tausende durch die festlich ge schmückten Pforten ein- und ausziehen, wo auch kein Grab ohne Blumenschmuck ist, und wäre eö ein ein facher Strauß, wo aber tausende als wirkliche Blumen hügel prangen: dessen Schmerz, und wäre er noch so herb, muß sich in sanfte Wehmuth lösen; dann verliert das Grab das Schauerliche, und der Wunsch liegt nahe: „So möchtest Du einst auch schlummern!" — Dresden will in diesem Jahre den Anfang zu einer allgemeinen festlichen Bekränzung der Friedhöfe machen; den» allgemein muß der Schmuck sein, wen» ein Eindruck auf's Gemüth gemacht werden soll. Schon hat ein freiwillig zusammengetretener Verein von Män nern einen Aufruf erlassen (auch zu kleinen Gaden, nm die Portale zu bekränzen), und hoffentlich wird diese Feier den erhebenden Eindruck nicht verfehlen, wie sie ihn in Leipzig seit Jahren gemacht hat. Sollte cs nicht möglich sein, auch bei uns einen Anfang zu machen? Noch ist es Zeit! — 19. Juni. Der hiesige Gesangverein hat das erwählte Comitv für das, Ende Juli in unserer Stadl zu begehende Gesangfest durch die Herren: Advocat Mauckisch, Buchdruckereibesitzer Jchne, Handelsmann Lotze und Stadtgutsbesitzer Müller verstärkt. Ob diese Herren alle in der Lage waren, die Wahl anzunchme», ist uns nicht bekannt. — Der jugendliche Brandstifter Friedr. August Herrin. Schneider, gebürtig ans Tharandt, der erst am 14. August sein 16. Lebensjahr erreicht, der in der Nacht vom 22. zum 23. Apeil ds. Js. in der Scheune seines Dienstherr«, des Gutsbes. Hartmann in Höckendorf, Feuer anlegte, durch das 17 Gebäude mit allem Mobiliar und Vieh verbräunten und wodurch ein Schade» von über 9000 Thalern entstand, ist in öffentlicher Gerichtsverhandlung zu Dresden am 18. Juni zu 6 Jahr Arbeitshausstrafe verurtheilt worden. -s- Glashütte. Wenn bei dem Hernanahen des Johannisfestes die schöne Sitte der Bekränzung der Gräber unserer Liebe» angeregt worden ist, so dürfte wohl für unfern Ort wenigstens die Bitte gerechtfertigt erscheinen, unfern Kirchhof nun endlich von dem hohen Graswuchs befreit zu sehen; denn in diesen Tagen noch waren Gänge und Gräber mit hohem Gras be wachse». Ucberhaupt halten wir es nicht für geeignet, den Kirchhof als nutzbringende Wiese zu betrachten. Wenn nun in Folge unserer früheren Bitte bei Gele genheit der Kirchenvisitation uns die Zusage ertheilt worden, das Gras durch öfteres Schneiden kurz zu halten, so ist doch bis jetzt unsere Bitte nicht in Er füllung gegangen und wollen wir dieselbe hierdurch auf's Neue angeregt haben. * Dresden, 16. Juni. Wohl in keiner großen Stadt Sachsens und auch Deutschlands ist die Manie so vorherrschend, während des Frühjahrs und Sommers, vorzüglich aber des Sonntags, bei schöner Witterung kleine und große Ausflüge in die Umgegend zu machen, als dies hier der Fall ist, wozu freilich die reizende Lage Dresdens mit Veranlassung giebt. Man nennt dies hier allgemein „eine Partie machen", und mindestens an Sonntagen ist die Zahl Derer Legion, die diesem Brauche gemäß die Zeit verbracht haben. Wer da keine Partie gemacht hat, wird von Andern nur bedauert, da es ja dort und dort gar so wunder schön gewesen, die Kirschen, Aprikosen rc. zu herrlich geblüht, ja das Korn schon mannshoch geworden sei, und was sonst noch alles Herrliche verpaßt worden sein soll. An diese kleinen „Partien" reihen sich auch alljährlich ein oder mehrere größere, wo Dampfmagen, Dampfschiff oder Omnibus die Theilnehmenden trans- portiren müssen, damit dieselben dann recht weite Gebirgstouren machen, den und jenen Berg besteigen und bei der Rückkehr dann den Heimgebliebenen alle jene Punkte vvrzählen können, die durchgcmacht worden sind. So fahren Sonntags oft ganze Gesell schaften zu 100—400 Personen, ja oftmals deren etliche, hier ab, um ihre „Partie", zu der sie vielleicht den ganzen Winter bei Scat- oder Schafskopsspiel