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Freitag. 58. 1. August 1862 Erscheint Preis MWeißeritz-Ieitung. -L Amts- und Anzeige Klatt der Königlichen Gerichts-Aemter und Stadträthe zu Dippoldiswalde. Frauenstein und Altenberg. Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Das Gesangfest in Dippoldiswalde, am 28. und 27. Juli 1862. Wenn man anch die schönen Tage mit ihrer Vor- und Nachfeier selbst nut erlebt haben muß, um sie in ihrer gan zen Gemüthlichkeit recht würdigen zu können, so wird doch eine Schilderung der verlebten festlichen Stunden für unsere Leser schon um deswillen nicht ohne Interesse sein, als dadurch auch für spätere Zeiten die Erinnerung des gelungenen Festes bewahrt wird und, wenn wir in Jahren einmal an eine Wiederholung denken werden, künftige Festordner Ties und Jenes nachahmen oder vermeiden dürften. Darum möge denn seht das im Ganzen wohlgelungene, mit Jubel begonnene und beschlossene Fest noch einmal au nuferem Geiste vorüber ziehen. Schon seit Wochen hatte das Festeomite, das sich in verschiedene Abthcilungen geschieden, eine rührige Thätigkeit entwickelt; denn, war auch die Zahl der erwarteten Gäste im Vergleich zu den großartigen Festen, von denen mau jetzt im deutschen Vaterlande so viel hört, nur eine geringe, so war sie doch für die gegebenen Verhältnisse immerhin groß genug, um manche Mühe und Arbeit in Anspruch zu nehmen. End lich waren die Vorarbeiten so weit gediehen, daß man zur Ausführung schreiten konnte, und jetzt, als man das Zu standekommen des Festes als vollständig gesichert ansehen durfte, zeigte nun auch das Publikum ein immer regeres Interesse, das sich bald bethätigcn sollte. Bereits am Frei tage vor dem Feste fingen einzelne Häuser an, ein festliches Gewand anzulegen, der Festbau am Rathhause erhob sich und wo man noch nicht so weit war, regten sich wenigstens fleißige Hände, um zur Verschönerung des Festes das Ihrige beizutragen. Am Sonnabend ging nun das Ausschmückungswerk immer rascher von statten, und Alles rüstete sich, beim Einzuge der Sänger damit zu Stande zu sein. Am Ober- und Nieder- thor streckten sich hohe Blästen, mit Fahnen in den sächsischen und den Stadtfarben empor, mit Guirlanden verbunden, an denen kranzumwundene Tafeln mit Sängersprüchen sich wiegten. Am Oberthor der Sängergruß: „Grüß Gott mit Hellem Klang! Hoch deutschem Wort und Sang!" Am Niederthor: „Eintracht im Bunde, Freiheit im Lied, Treu' dem Vater lande, Deutsch im Gemüth." Auch au andern Orten waren Ehrenpforten errichtet oder Guirlanden geschmackvoll über die Straßen gezogen. Ganz besonders zeichnete sich auch hier wieder, wie stets bei ähnlichen Gelegenheiten, die niedere Vorstadt, jetzige Freiberger Straße, aus. An der großen Linde beim Reichstädter Wege erhoben sich zwei kolossale Lyra'S, aus Laubwerk hergestellt, mit Fahnen geschmückt, auf künst lichem Felsengrunde. Vor dem Rathhausc hatte man einen Feftbau errichtet, der in Idee und Ausführung allerdings weniger gelungen zu nennen war. Der Sängerspruch von Nürnberg: „Deutsches Banner, Lied und Wort eint in Liebe Süd und Nord" begrüßte von ihm herab die Sänger. Vom Thurme des Rathhauses wehte die deutsche Tricolore, weithin sichtbar. Die Häuser des Marktes, sowie aller Straßen, waren mehr oder weniger niit Laubgewindon, Kränzen, Inschriften rc., geschmückt. Besondere Erwähnung dürfte das Schaufenster von H. Näser verdienen, das mit Sammet, Atlas, Taffet und andern feinen Stoffen in den deutschen, sächsischen und den Stadtfarben drapirt war; ferner eine kolossale Lyra auf schwarzrothgoldenem Grunde bei Moritz Näser; eine von Jm- mergrünblättern hergestellte, schön ausgeführte stenographische Inschrift bei t)r. Theile: „Mit dem Herzen mußt du singen, soll das Lied zum Herzen dringen"; an der Schule ein kolos sales, 10 Ellen langes und 3 Ellen hohes, mit Epheu um wundenes Notensystem mit den aus Blumen hergestellten An fangsnoten des Liedes: „Was ist des Deutschen Vaterland?"; nicht minder die Ausschmückung einer Wasserplumpe, auf welcher eine kranzumwundene Tafel die Inschrift trug: „Rein wie dies Wasser sei deutscher Sang!" Gut nahm sich auch das Reichel'sehe Haus am Markt mit seinem geschmückten Dache aus; die kolossale Tricolore bei Wendler rc. — Während in Gcgri'chet sci dir Sängerbund In seinem Festesglnnz, Der Siingerbund v. Plau'nschen Grund, Gin reicher iiedcrkiunz! Wir folgten freudig seinem Rus, Mit dem er uns geehrt, Des Liedes Wcihestunden schus, Erblüht an seinem Herd: Ihm tönt das Lied aus voller Brust In freier, srischer Sängcrlust Von Freiberg, von Freiberg, vom Biirgersingvcreln. der Stadt alle Hände vollauf mit der Herstellung der Deko rationen beschäftigt waren, feierte man auf der Aue, dem Festplatze, auch nicht. Wie zum Vogelschießen, waren sämmt- liche Schankzelte aufgeschlagen und sorgsame Wirthe waren bedacht, sich bereits mit gutem Stoff für durstige Sängerkehlen zu versehen. — Die Stunde des Einzugs nahte immer mehr heran. Bereits nach 2 Uhr hatte die Empfangsdeputation ihre Glie der zur Einholung der Gäste ihnen entgegengeschickt, und das Einquartierungsbüreau wurde eröffnet. Endlich gegen 5 Uhr kamen, vom Musikchor eingeholt, die ersten Sänger, die Glashütter; bald darauf der Freiberger „Bürgersingverein" und der Freiberger „Liederkranz". Auf dem Markte ange kommen, stellten sich die Vereine mit ihren Fahnen vor dem Rathhause auf, während die mitgekommenen, festlich geschmück ten Postwagen hinten hielten, und trug nun der „Bürger singverein" folgenden Sangesgruß vor: Gegrüßet sei die Nachbarstadt Im theuren Sachsenland, Die gastlich uns gereichet hat Hum Gruß die Schwesterhand! So opferwillig, lieb und traut, Hat sie im Merkleid Der Müde Hütten aufgebaut Und Blumen uns gestreut: Ihr tönt das Lied aus voller Brust In freier , frischer Sängerlust Von Freiberg, von Freiberg, vom Bürgersingverein. Gegrüßet seid Ihr Sänger all' Von Nahe und von Fern'; Hell strahl' zu Eurer Lieder Schall Der Freude goldner Stern! Nehmt freundlich zu dem Jubelsang Im großen Singverein, Ob schwach, den froben Saitenklang Auch unsrer Harfe ein! Euch tönt das Lied aus voller Brust In freier, frischer Sängerlust Von Freiberg, von Freiberg, vom Bürgersingverein.