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Freitag. M 40 2S. Mai 1863. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehm vurch alle Post anstalten. Weißeritj-Ieitung. Preis pro Ouartal 10 Ngr. Iitserate die Spalten-Zeile 8 Pfg. Ms- und Anzeige-Matt der Königlichen Gerichts-Jemter und Stadträthe Zu -ippotdiswatde, /ranenstein und Altenberg. Verantwortlicher I'edacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Wochen-Rundschau. Das politische possirliche Lustspiel, welches zum Ergötzen Europa'- in Berlin ausgefübrt wird, war durch die Pfingstfeiertage unterbrochen worden, und man wußte am dritten noch nicht, da in Berlin Alles unberechenbar ist, ob es naßkalt und windig, wie der erste Pfingstfeiertag, oder erträglich, wie der zweite, sich abwickeln werde. ,,Das Land soll sie erst recht kennen lernen," hat der Ministerpräsident vor einigen Monaten dem Abgeordnetenhause zugerufen, als ein Redner die Regierung fragte: warum sie denn von ihrem verfassungsmäßigen Rechte, durch Auflösung der Kammer an das Land zu appelliren, keinen Gebrauch mache? Herr v. Bismarck hat jetzt sein Ziel erreicht, — bas Land hat seine Vertreter kennen gelernt, als die Hüter ihres verfassungsmäßigen Rechts; sie hat aber auch zugleich seine Minister kennen gelernt. Nur glauben wir nicht, daß Beides im Sinne und nach Wunsch des Hrn. v. Bismarck ausgefallen ist. Das Bestreben des Ministeriums, sich mit dem Schilde der Krone zu decken, führte zum Beschluß: eine Adresse an den König abzusenden und ihm offen "die Lage des Landes darzulegen. Dieselbe wurde dem Staatsmini« sterium znr Uebergabe an den König gesandt, da Se. Maj. auf desfallflge Anfrage entschieden hatte: „er könne sich nicht bewogen finden, eine Deputation des Hauses der Abgeordneten zu empfangenHöchst entschieden war das Antwortschreiben des Königs ans diese Adresse (s. unter Tagesgeschichte), in welcher dem Abgeordnetenhaus alle und jede Schuld an den Zer würfnissen gegeben wird. Der Landtag ist am Mitt woch geschlossen worden, also noch nicht aufgelöst. Ob dies später geschehen und dann ein Wahlgesetz dem Lande octroyirt werden wird, dem die Zustimmung der Stände fehlt (eine neue Verfassungswidrigkeit), oder ob das Abgeordnetenhaus in seiner jetzigen Zusammen setzung wieder einberufe» werden wird, — das Alles sind schwer zu beantwortende Frage». Besser war es gewiß, der König schickte die Minister fort, als die verfassungstreuen Abgeordneten nach Hause. Preußen bat gegen den österreichischen Plan, Holstein als Pfand zu besetzen, den cntschiedendsten Widerspruch erhoben, und Oesterreich überhaupt diesen Antrag zurückgenommen. Wir beklagen im Interesse Schleswig-Holsteins die Vereitelung dieses Projektes nicht. Eine Pfändung Holsteins ohne die Befreiung Schleswigs wäre geradezu unverständlich. Hat Däne mark den Holsteinern die ihnen zukommenden VerfassungS- und andern Rechte verkümmert, so dürfte unter den gegenwärtigen Verhältnissen Preußen nicht sonderlich geeignet sein, dieselben zurückzufordern, da es vor seiner eigenen Thür zu kehren hat. Holstein, das unglück liche Faustpfand, würde nur zu sehr die pfändende Faust seiner Helfer fühlen. Ein schwerer Krieg, ver- hängnißvoll in der jetzigen gespannten Zeit, wäre die nächste Folge einer solchen Execution in Holstein. Die brennende Frage lautet nicht Holstein, sondern Schles wig -- H o l st e i n. Nur ga az Deutschland kann hier in entschiedener Begeisterung für sein heiliges Recht in großem nachdrücklichen Kampfe den Dänen Raison beibringen. So lebhaft es in Baiern zur Zeit der Landtags wahlen war, so politisch todt und still ist Alles wieder. Zum großen Glück für die Münchener war am Tage nach der Abgeordnetenwahl die „Bocksaison im Hof- brauhauS" eröffnet, wobei die Münchener alle Qualen der Wahlen vergaßen. — Ein Schreiben des aposto lischen Nuntius an den Erzbischof in München erregt vielfache Heiterkeit. Es ist dem heiligen Vater zu Ohren gekommen, daß sich in Baiern katholische Geist liche finden, welche vom Geiste der Neuerung verleitet, den schon lange veralteten Gebrauch des BarttragenS wiederum einführen. Der heilige Vater muß jede solche Neuerung mißbilligen, um so mehr, weil in diesen traurigen Zeiten der Geist der Neuerung nicht Wenige täuscht und von einer Neuerung zur andern führt. Deshalb verordnet Se. Heiligkeit, diesen Ge brauch energisch zu beseitigen und die Einheit der Kirche in Allem zu wahren. In der inner» Politik Oesterreichs spielt jetzt die Wahlagitation für den siebenbürgischen Landtag die Hauptrolle. Die Magyaren wenden alle nur er denkliche Mittel an, um auf die Siebenbürgischen Land tagswahlen Einfluß zu gewinnen und sie im Sinne der magyarischen Partei zu beherrschen. Erlangen die Magyaren auf diese Weise die Majorität im Sieben bürgischen Landtage, so werden sich die Scenen, d. h. die Proteste des ungarischen Landtags wiederholen; die Siebenbürgen werden verlangen, Ungarn einverleibt zu werden. Aus Bosnien und der Herzegowina, wo fran zösische und russische Agenten die christliche Bevölkerung aufhctzen, lauten die Nachrichten nicht sehr beruhigend. In Bosnien werben die Kriegsrüstungen von Seiten der Türken eifrigst fortgesetzt; im letzteren Lande wächst der Haß und die Spannung zwischen der christlichen nud muhamedanischen Bevölkerung mit jedem Tage. So glimmt das Feuer überall unter der Asche. Ein einziger Sturm könnte in Europa einen furchtbaren Krieg entzünden, der nicht so leicht zu „lvcalistren" sein möchte.