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Freitag. 4 2 1. 1860. Erscheint Dienstag- und Freitags. Zu beziehen durch alle Post, anstalten. Weißerih-Zeitung. Preis pro Quartal 10 Ngr. Inserate die Spalten. Zeile 8 Psg. Amts- und Anzeige-Matt der Königlichen Gerichts-Jemter und Stadtrüthe zn Dippoldiswalde, /ravenlteiv und Attenberg. Verantwortlicher Redacteur: Carl Ich ne in Dippoldiswalde. — SiSWM»«---—-«SS-Wi»-» Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, den 30. Mai. „Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben," sagt ein altes, aber oft vergessenes Sprüchwort. Weil Servatius und Pankratius uns ein heiteres Gesicht zeigten, glaubten wir uns für die liebliche Pfingstzeit sicher unter den Kanonen. Es konnte, eS durfte nur Heller blauer Himmel sein, so war es in den Herzen der tausend und aber tausend Psingstwanderer beschlossen: es ist einmal das Reisefest, also bat der Himmel sich darnach einzurichten! Aber der Mensch denkt und — Gott lenkt. Denn siche, des Himmels Schleußen öffneten sich bereits am Vorabende des Festes und sind bis heute offen geblieben und haben wohl die Fluren reich getränkt, aber auch die Reiselustigen mit schwerem Mißbehagen erfüllt. Freilich konnte es nicht anders kommen und wer aufmerksam in die blühende Natur hinausschaute, mochte wohl merken, was bevorstand. Die Redaction d. Bl. besitzt einen sichern Hanswetter- propheten, der hat gesagt: Blüht der Schwarrdorn in der Wärme, thut's der Weißdorn in der Kälte. Und so ist's gekommen! In Altenberg hat es zum Psingstschießen derb geschneit; auch in Frauenstein soll der Schnee Handhoch liegen. Fuhrleute, welche heute Morgen aus dem Obergcbirge kamen, brachten Schnee aus ihren Wagen mit. Das Schlimmste dabei ist, daß die kaltcn Regenschauer noch die ganze Festwoche an dauern sollen. Vor acht Tagen noch beteten wir sehn süchtig um baldigen, um viel Regen! Heute rufen wir: Mach' End', o Herr! Bei solch' traurigen Wetterverhältniffen gab es, wie überall, auch in unserer Nähe wenig Gelegenheit zu geselliger Festfreude. In Berreuth hörten wir am ersten Feiertage Nachmittag eine von Signalisten des 10. Infanterie-Bataillons recht wacker ausgeführte Eoncertmustk; am 3. Feiertage Abend producirte sich auf der Durchreise nach Dresden auf hiesigem Raths keller die Familie Probstmeier aus Tyrol und er freute die Zuhörer theils durch ihr anständiges Auftreten, theils durch den gelungenen Vortrag ansprechender Nationallieder. — Das wohlrenommirte Berliner Männer, quartett, aus den Herren Strack, Stahlhauer, Music und Ring bestehend, das manchem der geehrten Leser d. Bl., welche während der Messe in Leipzig waren, höchst angenehme Stunden durch ausgezeichnete Gesangsvorträge (gewöhnlich im Hüte! st« 8axe) be reitet haben wird, ist gegenwärtig in Dresden und hat während der Feiertage in der Restauration zum Bergkeller besonders durch die „humoristischen Svli's" große Sensation erregt. Wir hören, daß Hr. Melde in Oberhäselich dieselben für einen der nächsten Sonntage engagirt bat und machen hier im Voraus ans diesen Genuß alle GesangSfreunbe aufmerksam. * Altenberg, 30. Mai. Trotz des übsen Pfingst- wctters ist viel Besuch hier angekommen und durch- passirt; auch in Teplitz war viel Leben, obgleich die Zahl der Badegäste hinter der anderer Jahre noch zurück ist. Unser Volksfest aber, auf das man sich nicht ohne erhebliche Kosten vorbereitet, ist durch die üble Witterung rein zu Wasser geworden. Zwar sand der Aufzug der Schützen statt, doch sah man sich, da dcrHimmel den Festivitäten gesternnoch ungünstiger war, genöthigt, das Königschicßen auf einen der nächsten Sonntage zu verschieben. Wir hatten heute Morgen bei 1 Grad Kälte ziemlichen Schnee; unsere hoffnungsvollen Fluren sind in ein Leichentuch gehüllt. In Böhmen, wie bei uns, stehen die Früchte jeglicher Art prachtvoll, die Bäume erinnern an die Obstjahre 1847 und 1853. Auf einer Tour in die Badestadt Teplitz ging ich mit einem Böhmen, gegen den ich meine Freude über sein gesegnetes Vaterland aussprach: — „Ihr habt Kohlen, Thon, Kalk re. in der Erde, und auf ihr steht üppigster Gras- und Getreidewuchs, die Bäume versprechen Euch reichen Segen!" — „Ja, Sie können Recht haben," antwortete er mir, „und die dort unten (auf die Klöster Mariaschein und Offeg weisend) werden Ihnen auch Recht geben; — aber sonst werden Sie nur Klagen vernehmen! Sie sind wohl ein Sachse?" — Ich bejahte die Frage. — „Nun, da haben Sie sich und Ihr Land, nicht Böhmen glücklich zu preisen, denn in Sachsen ist keine Intoleranz, dort wird die Wissenschaft wie nirgend gepflegt, bei geringen Abgaben nehmen Handel, Gewerbe, Ackerbau den erwünschtesten Fortgang, — aber bei uns —." Wir waren in Teplitz, er bog in eine Nebengasse, reichte mir die Hand zum Abschied und wünschte mir viel Vergnügen und billige Zehrung. Dresden. Die Eisenbahnen haben viele Tausende von Gästen zu den Feiertagen hierher gebracht; auf dem Leipzig-Dresdner Bahnhofe kamen von Sonn abend Mittag bis Sonntag Mittag außerden gewöhnlichen Zügen noch 7 Extrazüge an. Man lobt allgemein die Umsicht, mit welcher die Direktion obengenannter Bahn bei diesem außerordentlichen Verkehr ans Alles Rück sicht genommen; — dagegen hörten wir laute Klagen über den Mangel an Personenwagen auf der Chemnitz- Riesaer Staatsbahn, wo am Sonntag mehrere Hundert Reisende, welche mit dem Extrazug angekommen waren, nachdem sie 2 Stunden aus einen nach Chemnitz ab gehenden Zug hatten warten müssen, genöthigt waren, in Riesa zu bleiben, oder aus Gepäck- und schmutzigen