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Dienstag. 1« 6. 188V. Erscheint . Preis WWe»ßerrh-Zeitung.M Amts- und Inzeige-Alatt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadtrüthe zu Aippotdiswalde, /rauenltein und Attenberg. Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Taqesgeschichte. Dippoldiswalde. (Dinterfeier in Berreuth). In Folge der von den Herren Lehrern Dreßler und Engelmann allhier an alle Freunde Dinters er gangenen öffentlichen Einladung, den 100jährigen Ge burtstag des berühmten Schulmanns festlich zu begehen, hatten sich am 29. Februar, Nachmittags 3 Uhr, einige zwanzig Personen in der Restauration zu Berreuth cingefundeu. Das leider sehr ungünstige Wetter war die Ursache, daß die Zahl der Festtheilnehmer nicht größer wurde, denn ein heftiges Schneewctter machte das Erscheinen der Auswärtigen, namentlich vom oberu Gebirge herab, fast unmöglich. 'Nach Vortrag^eines passenden vierstimmigen Gesanges begrüßte Herr Schul meister Göllnitz ans Reichstädt, Vorsteher der Ber- reuther Lehrerconferenz, die Anwesenden mit einer An sprache, in welcher er, selbst*) ein Schüler Dinters, während dessen Wirksamkeit in Görnitz, der ausgezeich neten Eigenschaften des Gefeierten als Gelehrter, Pre diger, Erzieher, Mensch und Christ mit dankbarer Liebe und Rührung gedachte. Dinter sei seinem Gelübde, sich selbst mit seiner ganzen Kraft der Menschheit zu weihen, niemals untreu geworden, und habe durch Schrift und Rede unzweifelhaft den Grund zur jetzigen besseren Lage unseres Schulwesens gelegt. Und wie uneigennützig habe er gewirkt, indem er seine Einkünfte nicht zur Sammlung eines bedeutenden Privatvermögens, sondern zur Unterstützung Anderer, namentlich armer Jünglinge, verwendet und dabei auch selbst ein Beispiel außerordentlicher Einfachheit und Mäßigkeit in leiblichen Bedürfnissen gegeben habe. Er sei es darum vollständig werth, daß er, der so viel Liebe säete, auch die dankbarste Liebe ernte, und daß sein Andenken unter der Nachwelt im rechten Segen bleibe. Nach Beendigung der Ansprache hielt Herr Lehrer Engelmann eine Fcstkatcchese mit Mädchen seiner Klasse über Daniel 12, 3., „die Lehrer werden leuchten wie des Himmels Glanz." Indem er die Aufforderung: „Wohlthäter der Menschheit, hebt euren Blick auf zur Sonne!" an die Spitze der Unterredung stellte, fügte er erläuternd und begründend hinzu, daß die Sonne ein Bild der Arbeit und des Lohnes sei, indem sic theils Licht und Wärme spende und unaufhörlich scheine, theils freudige Dankbarkeit der Mit- und Nachwelt und himmlischen Lohn erfahre. — Hierauf richtete Herr- Lehrer Dreßler an die Versammlung die motivirte Aufforderung, den heutigen Tag durch ein bleibendes Andenken zu bezeichnen und die Pflanzung einer Dinter- eiche in dem bei der Restanration befindlichen Garten ') Als Lehrer in Schönau bei Borna. vorzunehmen, damit nicht blos die im Sommer hier tagenden Mitglieder der Lehrerconferenz, sondern auch Alle, die hierher kämen, den Namen Dinters in treuem Gedächtnisse behielten. Nachdem dieser Act trotz allen Schneewetters voll zogen war, blieben die Meisten der Festtheilnehmer zu einem einfachen Mahle beisammen und gedachten der hohen Bedeutung des Tages noch in verschiedenen ernsten und heiteren Trinksprüchen. Erwähnen wollen wir schließlich, daß außer Herrn Göllnitz noch ein Zög ling Dinters zugegen war, nämlich Herr Bürgermstr. Advocat Schultze hier, der während eines dreijährigen Aufenthaltes in Friedrichstadt-Dresden in Dinters Hause sich befand. Oesterreich leidet noch fortwährend an finanziellen Verlegenheiten, trotz aller Operationen der eingesetzten „Ersparungscommission," die freilich in manchen Fallen bei Ersparnissen in den nieder» Bcamtenkreisen angefangen, während sic die oft übermäßigen Gehalte und Revenuen höherer Beamten und Militärs unan- getastet gelassen hat. — Die Emancipation der Juden macht hier immer weitere Fortschritte. Durch eine kaiserl. Verfügung ist eS denselben in den meisten Provinzen ge stattet, Grundbesitz zu erwerben, bäuerliche Grundstücke aber nur unter der Bedingung, daß sie sich daraus nieder lassen und sie selbst bearbeiten. Einen eigenthümlichen Eontrast mit diesem Schritt humaner Toleranz bildet es, daß es in Tprol den Protestanten noch immer ver wehrt ist, Grundbesitz zu erwerben. Und das wird auch noch nicht so bald anders werden, so lange noch die, durch das mit dem Papste abgeschlossene Eoncordat gekräftigte, und von der Mutter des Kaisers, der Erz herzogin Sophie, <— der ZwillingSschwcster der ver- wittwetcn Königin Marie von Sachsen —), begünstigte klerikale Partei einen so mächtigen Einfluß auf die Regierung der Monarchie ausübt. Eine andere, mächtige Partei, welche der Entwickelung eines freieren kon stitutionellen Volkslebens in Oesterreich hindernd im Wege steht, ist die einer starren Soldateska. Durch diese Parteien wird der, als Herrscher einer großen Monarchie noch sehr jugendliche (noch nicht 30 Jahr alte) Kaiser Franz Joseph wohl manchmal von dem jenigen Pfade abgelenkt, der allein zur wahre» Volks wohlfahrt führen kann. Glücklicher Weise aber hat er einen guten Engel au seiner Seite, in der Gestalt seines edel» WcibeS,*) der erst 22 Jahr alten Kaiserin *) Sic ist glückliche Mutter zweier lieblichen Kinder, der im vierte» Jahre stehenden Erzbcrzogin Gisela, und des zwei jährigen Kronprinzen Rudolph, clucs inuntcrcu, lebhafte» Knaben. Für beide Kinder bat die Kaiserin mit liebendem Herzen die Sorgen einer Mutter getragen, »ud an ihren Kraiitcubcttcheu gewacht und geweint, gleich einer Frau aus dem Volke.