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Dienstag. 22 1«. MSri 1858. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post anstalten. Weißerih-Ieitnng Preis pro Quartal 10 Ngr. Inserate die ^Spalten-Zeile 8 Pfg. Amts- und Anzeige-Ilatt der Königlichen Gerichtsämter und Itadträthe zu Dippoldiswalde, /raucnstein und Altenberg. Verantwortlicher Ncdacteur: Carl Ich ne in Dippoldiswalde. TaKesgeschichte. Dippoldiswalde, 15. März. Die zum 17. d. MrS. anstehende 25jährige Jubelfeier der Einführung der Städteordnung wird dem Vernehmen nach durch eine Morgen-Reveille und Armenspeisung gefeiert werden. Für Mittags ist von mehreren Freunden der Städtcordnung ein Festmahl im Rathhause hier ver anstaltet, an welchem, wie wir im Auftrage der Unter nehmer erklären, die Theilnahme jedem Bewohner unserer Stadl und Umgegend gestattet ist. Anmel dungen sind beim Rathskellerpachter Hm. Thiele bis zum 16. Abends zu bewirken. .— Ueber den Sturm gehen noch immer betrübende Nachrichten ein. So ist in der Golzermühle bei Grimma ein Zeugarbeiter von dem herabstürzenden Dachstück eines Fabrikgebäudes lebensgefährlich verletzt worden, ferner ist auf dem rothen Vorwerk bei Grimma der Schafstall eingestürzl und hat 10 Schafe erschlagen. Außerdem sind in der Gegend von Grimma, Wurzen und Wermsdorf zahlreiche Scheunen zertrümmert wor den. In Röblitz bei Lichtenstein wurde der gegen 50 Fuß hohe Bohrthurm des Rödlitzer Steinkohlenactien« Vereins, nachdem von den vier Ketten, womit er an der Erde befestigt war, zwei zersprengt wurden, um gedreht und auf das daneben stehende,Schmiedegebäudc geworfen und letzteres dadurch gänzlich zertrümmert. /V Aus Frauenstein. Der erst 49 Jahr alte Gemeindevorstanb Mäder in Ammelsborf kränkelte seit mehrern Monaten, zog auch den Arzt zu Rathe und traf seine letziwilligen Verfügungen. Obwohl er sich in den letzten Wochen wohler fühlte, ließ er doch eine ungewöhnliche Unruhe und Schwermuth erblicken, so daß seine Frau und Kinder besorg: nm ihn wurden, ihn auch nie ohne Aufsicht ließen. In der Nacht vom 7. zum 8. d. MtS. schlief er sehr ruhig, so daß sich die bei ihm Wachenden gegen Morgen entfernen zu können glaubten. In dieser Zeit aber steigt Mäder aus dem Bett, geht in die nebenan be findliche Kammer und erhängt sich dort an einem Shawl. Sehr bald, und noch ehe er erkaltet war, wurde er gefunden, doch blieben Versuche, ihn in'S Leben zurückzurufen, vergeblich. Herr Mäder war in letzter Zeit Vicerichter, verwaltete auch sämmtliche Ortseinnahmen zu allgemeinerZufriedenheit. Erwürbe in Hennersdorf, wohin AmmelSdorf eingepfarrt ist, in der Stille unter zahlreicher Begleitung beerdigt, was für die Achtung spricht, in der der Verstorbene stand. Von der obern Elbe schreibt man der Sächs. Const. Ztg: Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen heute ein Ammenmärchen bringe, welches zwar eben nur ein Ammenmärchen ist, aber dennoch unsere, ganze Gegend in große Aufregung und Spannung versetzt. Vor einigen Tagen befand sich nämlich der I4jährige Knabe Peter auS dem Armenhause zu ReinharbtS- dorf im nahen Walde, da, wo der Sage zufolge einst ein Jagdschloß gestanden hat (dessen Abbildung in Linbenholz gearbeitet sich noch in der Sacriftei genannten Dorfes befindet), um auf eben nicht pflichtmäßige Weise sich Holz zu holen. Da hörte er Plötzlich Thürenschlagen, Getöse, hört eS gehen und kommen und gewahrt ein großen Hund zu seinen Füßen mit golbnem Halsband; im Wahne, >S sei des Jägers Hund, will er fliehen, allein der Hund verwandelt sich in eine zarte Jungfrau und bittet ihn, zu bleiben. Der kühne Knabe bleibt und die Jungfrau fordert ihn zu folgendem Wagestücke auf: er solle, da er Confir- manb sei, am Palmsonntage während der Einsegnung am Altar sein Taschentuch unter seine Kniee breiten und bann damit am selbigen Tage an derselben Stelle um die 6. Abendstunde erscheinen, aber mit Niemandem, selbst seiner Mutter nicht, an diesem Tage sprechen; eö werbe ihm dann dort ein Rabe, dann eine Schlange erscheinen, die er durch daS Tuch drei Mal küssen solle, worauf nicht nur ein unglückseliger Zauber von ihr schwinden, dem sie Jahrhunderte lang verfallen, sondern ihm auch eine reichliche Belohnung zu Theil werden solle. Von den unsichtbaren Mächten sei ge rade er dazu bestimmt, weil an dieser Stelle eine Eiche gestanden habe, aus deren Bretern seine Wiege ge zimmert worden sei. DaS letztere ist zufälligerweise allerdings als wahr erwiesen worden. Die Spannung des Publikums auf jenen Tag ist ungemein groß in Stadt und Land, und Tausende haben sich vorgenommen, an jenem Tage nach ReinhardtSdorf zu pilgern, leider wohl auf Kosten der an diesem Tage passenden Andacht und Weihe. Der Knabe hat sich trotz des Widerwil lens und Unglaubens seiner Mutter entschlossen, zur bestimmten Stunde zum geheimnißvollen RondezvouS sich einzufinben, da seine Großmutter im Familienrathe ihn dazu ermuthigt. Der Ortögeistliche hat vernünftiger weise auch alles Mögliche aufgeboten, dem Knaben diesen Unsinn auszureden, der aber bei seiner Aussage beharrt. Die Pointe des Stücks aber ist die', daß man nicht im Stande ist, unfern Leuten, die weit und breit sich mit dieser Historie beschäftigen, diese als unmöglich darzustcllen, und eben diese Erfahrung gestattet, nicht nur tiefere Blicke in unser sonst so ge mächliches Volk zu thun, sondern auch Reflexionen darüber anzustellen, ob solche Geschichten und solcher Glaube die Folge einer unfruchtbaren Romanlectüre