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Weißeritz-Ieitung Verantwortlichcr Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dienstag. Erscheint Dienstag» undl Freitag«. Zu beziehen durch alle Post' anstalten. Amts- und Anzeige-Klatt der Königlichen Gerichtsämter und Stadträthe zu Dippoldiswalde, /rauenstein und Altenberg. 26. Januar 1858. Prei, i pro Quartal lv Ngr. Inserate die ^Lpalten« Zeile 8 Pfg. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde, den 24. Jan. Am gestrigen Tage wurde in unsrer Stadt ein Fund gethan, wie er hier seit Menschengedenken nicht vorgekommen ist. Um die dritte Nachmittagsstunde erschien in hiesiger Garküche eine ärmlich gekleidete Frau mit einem Tragkorbe auf dem Rücken und beabsichtigte, hier deS Inhaltes dieses Korbes, eines kleinen, ungefähr 8—10 Wochen alten Mädchens, sich zu entledigen. *) Gestört jedoch durch vaö Erscheinen der Hauswirlhin, gab sie derselben auf die Frage: Wo sie damit hin wolle, zur Antwort: Nach der Stadt. Als ihr die Wirthin erklärte, daß sie nun der Stadt sehr nahe sei, meinte die Unbekannte, sie wolle nach Dresden. Die Wirthin, in der Meinung, die Frau wolle um eine Gabe an sprechen, verfügte sich in das Zimmer, um ein Stück Brod herauSzuholen. Mittlerweile entfernte sich aber die Fremde mit dem Korbe und dem darin befindlichen Kinde und begab sich in das benachbarte Schulhaus. Hier verbarg sie das Kind in einem der in der Haus flur stehenden Kinderwagen und entfernte sich, die Kleine ihrem Schicksale überlastend. Mädchen, die mit Reinigung eines SchulzimmerS in der Nähe be schäftigt waren, bemerkten wohl, freilich nur flüchtig, die Anwesenheit der Frau, hatten aber natürlich keine Ahnung von der seltsamen Gabe, welche dieselbe den Schulhausbewohnern übermachte. Endlich verrieth nach einiger Zeil ein lautes Schreien die Anwesenheit des ungewünschten Gasteö, zu nicht geringem Entsetzen Derer, die eS zuerst vernahmen. Der arme, in sehr dürftigem Zustande angetroffene Findling wurde einst weilen in der Behausung eines LehrerS untergebracht, bis er nach erfolgter Anzeige an die Polizeibehörde im hiesigen Hospitale Aufnahme fand. Bis jetzt ist noch Nichts von der Unbekannten zu entdecken gewesen; hoffentlich gelingt eS aber noch, zu ermitteln, von wem daö Verbrechen begangen worden ist. * Von der böhmischen Grenze, den 23. Januar. Nach anhaltenden, schauerlichen Stürmen, welche die langen Nächte unheimlich machten und den Forsten, -um Leidwesen Derer, die sie sorglich pflegen, sowie den alten Hütten, arg mitgespielt haben, ist heute Morgen einige Ruhe eingetreten, und man ist nach allen Seiten hin beschäftigt, die Massen Schnee auS- zuwerfen, welche die Stürme übereinander gesetzt haben. — Sind auch da und dort halb Erfrorene eingebracht worben, so beklagt man doch kein Menschenleben. — ') Wie wir hören, ist dieselbe noch an andern Orten der Stadt in gleicher Absicht gewesen. Der Gesundheitszustand läßt noch viel zu wünschen übrig; zählt doch fast jedes HauS seine Kranken. — Die Kohlenfuhre hat, trotz der unwegsamen Gleise, ihren Fortgang gehabt, und bei ihrer Ueberhandnahme darf man, ohnerachtet neue Kohlengruben im Böhmer lande findig geworden, auf keine wohlfeile Kohle rechnen. Dresden, 22. Januar. Die königl. sächs. privil. künstliche Brütanstalt des Herrn Apothekers Baumeyer, welche, wie man sich erinnern wird, auch bei der letzten GeflügelauSstellung ein lebhaftes Interesse erregte, hat seit dem vergangenen Herbst eine ganz wesentliche Vergrößerung erhalten, indem neue Lokali täten zur Aufzucht der jungen Hühner geschaffen und die Brütvorrichtungen erweitert worden sind. Seit einem Jahre sind in dieser Anstalt 3000 Stück junge Hühner ausgebrütet worben, von denen 1200 Stück an Hühnerbesitzer (größieniheilS an Lanbwirthe) zur Zucht abgegeben worben sind. Nicht unerwähnt darf hierbei bleiben, daß über diese Hühner mehrfache Berichte eingegangen sind, auS denen ersichtlich wird, daß diese künstlich auSgebrüteten und künstlich aufge zogenen Thiere sich zur Fortzucht vollkommen bewähren. Freiberg, 20. Jan. Vorgestern langte durch eine telegraphische Depesche von Chemnitz auS Vie Nachricht bei der hiesigen Polizeibehörde an, baß ein Wagen, mit zwei braunen Pferden bespannt, in welchem sich vier Personen, zwei männliche und zwei weibliche, befänden, die Straße nach Freiberg eingeschlagen hätte. Eine der männlichen Personen sei jedenfalls ter auS Zwickau entsprungene Kuischke und der muihmaßliche Mörder der Günther'schen Eheleute in Kallnberg. Und in der That kam auch nach wenigen Stunden der bezeichnete Wagen in gestrecktem Galopp in Freiberg an. Die in demselben befindlichen vier Personen stiegen in einem der ersten hiesigen Gasthöfe ab, sich mit ziemlich vornehmer Miene ein Zimmer auöbitlend. Eine Flasche Madeira war sehr schnell vertilgt. Die Polizei hatte mittlerweile den Gasthof umstellt. Die angesteüle Untersuchung ergab sehr bald, baß die beiden Frauenzimmer übel beleumdete Dirnen auS Chemnitz seien, während die eine Mannsperson sich als ein Hausbesitzer L. von eben daher ergab, dem gleichfalls nicht der beste Ruf vorauSging. WaS nun die zweite männliche Person anlangr, auf welche die Polizribe- borde natürlich ihre Aufmerksamkeit besonders richtete, so leugnete dieselbe anfänglich zwar jede Identität mit dem entsprungenen Kutschke ab, allein gestern erfolgte daS Geständniß — nachdem ein früherer ArbritShauSgenoffe von hier denselben sogleich erkannt