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gesagt, „sehen Sie, unsere schöne Gräfin ist doch eine ' richtige Aristokratin!" „Ach was, der Vater war doch bürgerlich," brummte Josephine und schlug die Küchenthür zu. „Um so adliger war die Mutter!" lachte der Koch. Herbert begab sich, um die nöthigen Anordnungen zu treffen, mit dem Grafen Körting in die Schloß kapelle, wo die Leiche der Gräfin Frankenthurn bis zu ihrer Ueberführung nach Frankenhof zur Beisetzung in die Familiengruft aufgebahrt werden sollte. „Werden Mama und Gertrud nach Frankenhof mitfahren?" fragte Körting. „Ob Mama, weiß ich nicht; Gertrud höchst wahr- scheinlch, sie muß doch ihr Erbe sehen!" gab Herbert mit einer bei ihm ganz ungewohnten Bitterkeit zur Antwort. „Na, höre," sagte Graf Körting erstaunt, „mir geht gewiß der Tod der armen Tante sehr nahe; Alles, was sich in diesen letzten ^Tagen ereignet hat, muß den Indolentesten erschüttert Aber bei all dem Schmerzlichen habe ich mich doch gefreut, ich gestehe es aufrichtig, daß jetzt die erquicklichen Zustände hier im Hause eine so glückliche Lösung finden. Mama kann ja in Gertrud nun nur noch die Erbin der Gräfin Frankenthurn sehen, damit fällt alles, was sie vorher gegen Deine Frau einzuwenden hatte, in Nichts zusammen. Und Deine Frau, — ich dachte immer sie sei doch ein bischen kühl, und daß sie weinen könnte, hätte ich niemals vermuthct; aber wie sie sich an Jngeborg anschließt, und wie sie sich gegen die alte sterbende Frau verhielt: sie hat doch ein Herz! — Oder glaubst Du am Ende, sie macht sich etwas aus der Erbschaft?" „Welche Idee, Onkel!" „Na also, wird jetzt nicht alles gut? Wir können nun das vergnügteste Leben von der Welt führen!" „Nein, Onkel, denn ich werde, sobald die Be- gräbnißfeierlichkeiten vorüber sind, meiner Frau sagen, daß ich auf ihren schon vor Monaten in Taormina ausgesprochenen Wunsch eingehen und die Scheidung beantragen werde!" Graf Körting sank auf einen der Kapellenstühle nieder. „Gütiger Himmel, welchen Grund willst Du denn angeben?" „Gegenseitige unüberwindliche Abneigung," ent gegnete Gras Landskron mit zuckenden Lippen. — Er sah nicht, daß in diesem Augenblick sein schönes Weib an der Kapelle vorüberschritt; sie trug einen großen Strauß wilder Rosen in der Hand, um ihn bei der Leiche der Großmutter niederzulegen. Als darüber berathen wurde, wer von den Familienmitgliedern die Leiche der Verstorbenen nach Frankenhof begleiten würde, um bei der Beisetzung zu gegen zu sein, sagte die Gräfin zu Gertrud, daß sie jedenfalls doch als Miterbin und anerkannte Enkelin der Gräfin Frankenthurn der Beisetzung ihrer Groß mutter beiwohnen werde; auch Herbert werde dort sein, um so mehr, als sie ihren Mann, den gesetzlichen Schutz bei Eröffnung des Testaments und Antritt der Erbschaft, nöthig haben werde. Der kategorische Ton, in de« von feiten ihrer Schwiegermutter die Unterredung geführt würde und den diese anscheinend niemals würde ablegen können, hatte Gertruds Trotz, ihr fast unbesiegbares Miß trauen von Neuem aufleben lassen. Alles, was sie von ihrer Schwiegermutter erduldet hatte, stand klar und deutlich wieder vor ihrem Auge, sie nickte daher nur stolz mit dem Kopf, ohne weiter etwa- zu er widern. Rur bei dem Gedanken an Herbert war sie in Widersruch mit sich, ihr Herz klopfte dabei in ängstlicher Unruhe. ... Sie errinnerte sich, wie kühl und ceremoniell er in der letzten Zeit gegen sie ge wesen war, ein Benehmen, das einfach aus der Auf findung des Brieses seiner Frau resultierte, wovon sie aber nicht wissen konnte; denn sie hatte den Brief total vergessen infolge der Häufung der Ereignisse. Erst später sollte sie wieder daran erinnert werden. In ihrer Verblendung hatte ihr das Verhalten Herberts zuerst eine gewisse Genugthnung gewährt. Als er indes Tag um Tag ihr mit derselben höflichen Kälte begegnete, da hatte ihre Gereiztheit gegen ihn zuge nommen; ihrer Meinung nach durste er kein Ver halten beobachten, auf das sie allein ein Anrecht zu haben glaubte. Gertrud erwartete mit Bestimmtheit, daß Herbert eine Aussprache mit ihr suchen und herbeiführen würde. Sie wäre vielleicht bereit ge wesen am Sarge der Großmutter ihm verzeihend die Hand zu reichen. Aber die junge Frau hatte keine Ver anlassung, das erlösende Wort zu sprechen. Verharrte er in seiner Reserviertheit, so blieb dieses Wort unge sprochen, die Möglichkeit einer Versöhnung ausge schlossen; die Ausführung ihres Planes', sich von ihm zu trennen, würde ihr dadurch um so leichter werden. Hatte sie auch ihrer Großmutter verziehen, so war es doch noch nicht ausgemachte Sache bei ihr, daß sich auch bei Herbert und seiner Mutter Ver zeihung walten lassen könnte. Ihre Großmutter trat erst zu einer Zeit und noch zumal so kurz in Er scheinung, als sie von feiten der Gräfin Landskron bereits die schmachvollsten Kränkungen erfahren hatte. Die Gräfin Frankenthurn lernte sie als eine durch Reue zerrissene, dem Grabe nahe Greisin kennen, die niemals ihr direkt persöhnlich zu nahe getreten war; ihr fehlte also auch das individuelle Empfinden eines zugefügten Unrechts, und sie konnte daher leichter ver zeihen wenn auch nur unter großer Ueberwindung und infolge der starken Pression, welche die Szene im Salon, das Krankenlager, der Tod der Großmutter auf sie ausübte. Herberts reserviertes kühles Be nehmen gegen sie setzte sie auf ein ganz anderes Konto. Sie verstand seine Motive nicht; die Zweifel die ihr gekommen waren, daß er um den Schritt seiner Mutter wissen wollte, waren bereits im Ver schwinden begriffen, obgleich sie sich immer wieder sein ganzes sonstiges Verhalten inS Gedächtniß ries und jede selbst kleine Unterstützung in Betracht zog, die er ihr zu theil werden ließ, sobald seine Mutter ihr neues Unrecht zufügen wollte. (Fortsetzung folgt.) Druck und Verlag von Friedrich May, redigirt unter Verantwortlichkeit von Emil May in Bischofswerda.