Volltext Seite (XML)
D ? < Gleiche» Novellrte ven C. Keil. In Magdeburg, in der Weinstube der Herren Dankwarth und Richter, saß ein stiller, bleicher Mann. Er mochte ungefähr 35 bis 40 Jahre alt sein. Vor ihm stand eine Flasche Portwein, der er indeß nur selten zusprach. Sein Auge war groß und dunkel, sein Haar schwarz wie Ebenholz. Dann und wann warf er einen grauen Blick in die Magdeburger Zeitung, und lächelte wie Einer, der tiefes Mitleiden fühlt. Die Cigarre, die er zu Asche rauchte, schien ihm zu schmecken. Plötzlich wurde es draußen vor dem Fenster lebendig und bald darauf stürmten drei junge Mili tärs herein, zwei Lieutenants und ein schmucker, bart loser Fähndrich. Wo die Jugend weilt, ist auch der Lärm nicht weit; daö vor wenigen Minuten noch stille Zimmer dröhnte jetzt von lautem Sprechen und Lachen. DerFähndrich forderte Champagner. „AufEhre," rief er, „ich habe geschwitzt wie ein Sauerbraten. Die Herren nahmen mich tüchtig mit, und wenn mich der Hauptmann S. vorher nicht so tüchtig eingchetzt — parbleu, ich glaube, ich wäre wieder burchgefallen. Eine alberne Einrichtung, dieß Eramen! Gott sei Dank, daß eS vorüber, jetzt rollt der Wein noch ein mal so schnell die Kehle herunter." „Sollst leben, Leutenant in spe!" riefen die Andern. „Tanke, danke. Trinkt nur, Kinder, Pnlver und Blei ist in Masse vorhanden," dabei schlug er auf seine Rocktasche, daß das Geld klirrte, „mein Alter hat mich tüchtig verproviantirt. Berlin habe ich bald wieder verlassen, ich kann das Nest, worin ich so qual volle Stunden verbracht, nicht ausstehen, und war froh, als ich'S mit dem Rücken ansah. Dadurch habe ich ein schönes Sümmchen erspart, bas natürlich diese Woche noch verjubelt werden muß. Also trinkt, Kinder, trinkt, damit Ihr munter werdet. Wir sind doch allein? frug er, und sah sich in der Stube um. Verflucht, da drüben sitzt Einer. Sehl nur das bleiche Stiiben- gesichtl" „Eine Zuckerfratze," brummte der älteste Lieute nant, „reis't wahrscheinlich in Syrup." „Macht sich alle Tage mausiger, dieses Kauf- mannSgesindel," spottete der Andere laut, baß es der Bleiche hören mußte. „Soll ich ihn hinauspracticiren?" fragte der Fähndrich. „Versuch'S," meinten die Andern. Der Fähndrich stand auf, ging auf den Lesenden zu, und nakm ihm ohne Weiteres die brennende Ci garre auS dem Munde. „Pardon, Monsieur," rief er, „ihre Cigarre brennt sehr gut, Sie werden mir'ö nicht verübeln, wenn ich die meinige daran anbrenne." Der Bleiche blieb ruhig sitzen, doch ward sein Gesich weiß wie sein Schnupftuch, mit dem er sich die Asche von den Beinkleidern wischte, die durch des Fähndrichö Ungestüm darauf gefallen war. „Mein 'err," sagte er ernst, „in meinem Vaterlande ist es Sitte, daß man srägt zuvor um Erlaubniß. Ich würde Ihnen gegeben 'aben gern, serr gern mein Ci- garr', wenn Sie gebeten 'ätten darum. In meinem Vaterlande thut dieß kein Mann von Bildung." „WaS geht mich ihr Vaterland an," höhnte der Fähndrich, „wir sind jetzt in dem"unsrigen, und da kann man sich gegen gewisse Leute schon solche Dinge erlauben." „O pfui! ich nicht glaube das — Ihr Vaterland ist so schön und groß und auch so artig, als mein Frankreich. ES gibt viele serr brasse Lerne hier! „Laß den Franzosen," riefen die beiden Lieutenants, „er versteht Dich nicht, er will Dich nicht verstehen. Teufel, bas hätte mir Einer bieten sollen." Der Fähndrich warf lachend Vie Cigarre auf den Tisch, uirb der Bleiche nahm sie ruhig wieder in die Hand und rauchte weiter. „Was nun?" fragte der eine Lieutenant. „Ich gehe nach dem Herrenkrug." „Und ich... ich gebe zu Fräulein Fanny," jubelte der Fähndrich. „Wer ist die Fanny?" „Die Tochter meines alten BrummbärS, deS Capiläns B " „Die spröde Brünette? Was willst Du bei der?" „Spröde?.... Fräulein Fanny spröde? a...« das ist zum Tobtlachen! Gegen Euch vielleicht ist es möglich, gegen mich wahrlich nicht. Sie singt die schönsten, schmelzendsten Liebeslieder, und sieht mich dabei an, so süß, so hingebend, als wollte sie sagen: Fähndrich, kommt an meine Brust!" „Und Du flogst an ihre Brust?...." „Nun, ich verrathe nichts, aber ich sage Euch, sie ist verliebt in mich bis über die Ohren. Erst gestern schrieb sie mir...." Der Fähndrich wollte weiter reden, als ihn ein sanfter Schlag aus die Achsel traf. Er wandle sich unwillig um, und hinter ihm stand der Bleiche. „Mein 'err," sagte dieser, und sein großes Auge blitzte, „Sie sind ein Schurke!...." „Donner und Teufel, daS mir? fluchte der Fähnd rich, „Herr, wer sind Sie?" „Mein Name ist Henry DuboiS!" „Sie weiden mir Genugthuung geben." „Ich werde nicht geben Sie die Genugthuung, ich werbe sie fordern von Ihnen, mein 'eer! Sie 'aben gesprochen serr schlecht von einem Mädchen, das ich kenne, ein braffes, liebes Mädchen! Sie 'aben gelogen, das gute Fräulein Fanny 'al Sie nicht angesehen süß und 'ingebend, Sie sind nicht geflogen an ihre Brust, und Fräulein Fanny 'at nicht geschrieben kleine Briefe voll Liebe. Ich weiß daS, und werbe sie lödten für Ihre schlechte Wort!" Dem Fähndrich war die Cigarre ausgegangen, er stürzte rasch ein Glas Wein hinunter. Ich kann mich nicht mir Ihnen schlagen," rief er brüsk, „Sie sind nicht ebenbürtig, nicht von Adel, kein Offizier." Der Bleiche sah ihn lange an, sein Auge war stechend und blitzte, seine Lippe erhob sich langsam wie zum Spott. Ruhig knöpfte er den Rock auf, den er biö dahin bis oben hinauf zu getragen, und ließ einen hoben französischen Orden sehen. — „Mein 'err," sagte er, „ich habe mir geholt diesen Orden vor Constantine an der Spitze einer Compagnie, bei der ich gewesen bin Capitän. Jetzt bin ich Kaufmann, der gewesen französischer Capitän, Sie tragen eine brasse Uniform!" „Ich verliere sie, wenn ich mich mit Ihnen schieße." „Mein 'err, Sie sind serr feig!" „DaS ist infckm, Herr Franzose!"