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Die Wahnsinnige. Ans -Hatsachen -»gründete -rMtun- aus de« Geschichte der Stadt Dippoldiswalde z»r Zeit des »«jährigen Krieges. , > (Schluß.) Der Kaufmann Wendel zu Dippoldis walde reiste gewöhnlich zur Oster- und Michaelimesse nach Leipzig, um für sein Schnittwaarengewölbe wieder die erforderlichen Gegenstände einzukausen. Auch zu dieser Michaeli-Messe reiste er dahin ab und hatte noch vorh.er, als Hausfreund Kotten'S, mit Rosa gescherzt, ob er ihr etwa nun daS Brautkleid mit bringen solle. „Nur recht schön !" — hatte sie gesagt, — „nicht dunkel, sondern heiter, freundlich anzusehen; denn die Zeit des Schmerzes ist doch nun vorüber!" Wendel kam bei seinen Einkäufen auch in eine Handlung, in welcher der Chef derselben sich mit Theilnähme erkundigte, ob Dippoldiswalda'S Be wohner von den Schweden eben so heimgesucht worden wären, als die anderer Orte der Umgegend Pirna's. Dies gab demselben Veranlassung, von dem letzten Ueberfalle dieser unmenschlichen Krieger zu erzählen und gedachte dabei auch deS Ereignisses in der Mühle, so wie der aufgenommenen Rosa. Jndeß er nun ausführlicher darüber berichtet, ist ein fremder Herr ihm näher getreten und hört aufmerksam, mit einer gewissen Spannung, zu, und als derselbe geendet, fragt er, ober ihm nicht sagen könne, wo diese Rosa Weihmann geboren sei? Wo ihre Eltern gewohnt? In welchem Alter sie stehe? und dergl. mehr. Wendel giebt auf Alles Antwort, soweit er dasselbe vermag. Der Fremde sinnt. Endlich spricht er mit außerordentlicherFreundlichkeit: „Dann isteSdie Rosa Weihmann, welche ich schon seit 8 Jahren suche; sie ist die Tochter meines zu Magdeburg lebenden und Paselbst mit seiner Familie ermordeten Bruders, Paul Weih mann. Ich erfuhr wohl nach vielfachen Forschungen, daß sie, das älteste seiner Kinder, . nicht mit umgekommen sei, wo aber dasselbe hinge schleppt worden, w o es sich aufhalte, habe ich trotz aller Mühe nicht ermitteln können. Gewiß, sie ist eS! Herr!" — ruft er darauf im Eifer aus, — „ich reise mit Euch an diesen Ort, und Ihr führt mich zu derselben!" Nun erzählte auch Wendel, wie wohl cs Rosa im Hause der Kotte'schen Familie gehe, wie sie ge liebt, geehrt werde von derselben und von der ganzen Stadt; erzählte aber auch, daß sie sich mit dem einzigen Sohne des Müllers verlobt habe und die Hochzeit wahrscheinlich bald stattstnde. „DaS ist schön," —' erwiederte der Fremde. — „Dann komme ich recht, um die Ausstattung meines Bruders Tochter und zugleich meines Mündels, noch recht zeitig besorgen zu können. Sie ist reich; denn Vieles rettete ich noch von dem Vermögen ihres VaterS und das har dazu noch recht schöne Zinsen getragen. Gott! wie danke ich Dir!" — rief er darauf noch gerührt auS. — Lebt doch Eins noch von den Lieben meines Bruders, der so elendiglich umgebracht wurde, und ich habe noch Jemand von ihm, dem ich wohlthun kann!" — ES war Ende October, schon spät Abends, als die Kotte'sche Familie wieder in freundlichem Ge spräche begriffen, beisammen saß und der nahe bevor stehenden Hochzeitöfeier gedachte. Rosa war außer gewöhnlich heiter und erzählte von den Plänen Hber ihre künftige Einrichtung, von der Eintheilung ihker Geschäfte u. s w. mehr. „Väterchen," meinte sie dabei, — „wenn ich Frau Müllerin gerufen werde, dann soll eS Euch schon gefallen. Wie flink will ich springen, Trepp auf, Trepp ah und verkaufen, und sparen und sammeln! Eure Freude sollt Ihr über mich haben! Aber wißt," — fügte sie darauf plötzlich ernster geworden hinzu; — „eine Bitte, diese Eine nur, ge währt Ihr mir: Laßt mich nächstes Jahr nach meinem lieben Magdeburg, das ich so lange nicht gesehen, und doch so innig zu sehen wünsche, reisen! Nur ein mal laßt mich dort weilen und die Stätte aufsuchen, wo meine guren Eltern wohnten, wo ich geboren wurde, wo sie mich pflegten, liebten, und — wo sie so schreck lichen Todeö sterben mußten!" Eben wollte ihr der Vater die Erfüllung ihres Wunsches zusagcn, und reichte ihr schon die Haud dar, diese Zusage ihr auch feierlichst zu bekräftigen, als ein fremder, vornehm auSsehcnder Mann eintrat und freund lich grüßend, fragte, ob nicht eine Rosa Weihmann hier zu finden sei? „DaS bin ich!" — erwiederte diese sogleich aus stehend, und dem Fremden entgegentretend. „Die Tochter des Kaufmanns Paul Weih mann zu Magdeburg, der am Iv. Mai 1631 mit Frau und 2 Kindern ermordet wurde?" — setzte er rasch hinzu. „Ja wohl; nur ich allein entkam auf wunderbare Weise!" — erklärte Rosa mit klopfendem Herzen. „Mich kennst Du nicht, meine Theure, die Du Deiner guten Mutter so ähnlich siehst; ich bin Deines Vaters Bruder, der Kaufmann Georg Weihmann aus Hamburg. Ein Zusammentreffen mit einem Kaufmann von hier ließ mich die Spur finden, Deinen Aufenthaltsort endlich nach langem vergeblichen Forschen zu erfahren. Ich komme zu Dir, um Deine über standenen Leiden Dir noch mehr vergessen zu machen, - als wohl jetzt geschieht. Dir geht eS sehr wohl; doch kann ich gewiß dazu beitragen, Dein Glück mehr zu befestigen. Du hast Dir einen Jüngling erwählt, mit dem vereint Du wandeln willst, und ich weiß, er ist Deiner würdig; laßt mich also, und zwar zugleich an der geschiedenen Eltern Stelle, den Segen über Eure Verbindung auösprechen und Euch daS höchste Glück wünschen. Da Du nun aber," — schloß er, — „so entblößt von Allem dastehst, so habe ich es als Der, welcher Dir allein noch von den Deinen am nächsten steht, übernommen, Deine Ausstattung zu besorgen und Dir eine Mitgift zu reichen. Ich sammelte, was die Flammen, die Deines Vaters Haus zerstörten, noch ließen, trieb Schulden ein, von denen ich wußte; und siehe, eS blieb ein hübsches Sümmchen, daS Dir nun zu Deiner eigenen Verfügung übergeben werden soll!" - Mit Innigkeit und Entzücken warf sich das höchst überraschte Mädchen an die Brust dieses Mannes, und Alle umringten ihn jubelnd. Laut erscholl die Freude im Hanse, so daß alle Personen, .die da waren, sich im Zimmer versammelten und mit einstimmten. „Mutter!" — rief Kotte, wie cin Jüngling munter und rüstig geworden durch den nie erwarteten Gast, — „trage auf, was in Küche und Keller zu finden ist, und ihr Alle nehmt Thcil daran. Eßt, trinkt; denn heute noch feiern wir die Verlobung unserer guten Kinder!" Nun gab eS Leben! Der Oheim Rosa's mußte sich sofort zu ihnen setzen und wurde unter Liebkosungen