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Oeffentliche Gerichts Verhandlungen. Pirna. Vor überfüllten Zuhörer-Tribünen fand am 7. April vor hiesigem Bezirksgerichte eine Haupt verhandlung statt. Der Fall erlangte dadurch , daß die auf der Anklagebank sitzende wohlhabende Bürger- Familie Pötzsch früher unbescholten gewesen, durch die Höhe des DiebstahlSobjektS und dadurch, daß letz. tereS auS dem Rodig'schen Nachlasse stammle, eine Celebrität. Die Angeklagten waren der Schuhmacher- mstr. und Hausbesitzer Fr. Aug. Pötzsch hier, 57 Jahr «li, welcher früher mehrere communliche Ehrenämter bekleidet hatte er war Armenpfleger, Bezirksvor steher, auch städtischerGerichtSbeisitzer, —seine Ehesrau. Christiane Sophie Magd. Pötzsch und deren Beider Tochter Marie Auguste Pötzsch, 3V Jahr alt. In brr Nacht vom 2. zum 3. März 1854 war der frü here Etadtrichter Rodig gestorben, dessen an enifcrnte Verwandte gekommener Nachlaß nahe an 250M0Thlr. betrug. Rodig hat 57 Jahr in Pötzsch'ö Hause ge wohnt und war von diesem, als er letzteres kaufte, mit übernommen worden. Marie Pötzsch har von ih rem 17. Jahre an gegen ein monatliches Entgeld von 5 Thlr. die Aufwartung und Pflege beö greisen Rodig besorgt. Die Pötzsche'schen Eheleute sowohl, als ihre Tochter, halten die Hoffnung gehabt, von Rodig'n in einem Testamente bedacht zu werden, was PötzschenS aus der wiederholten Zusicherung Novig's: „Für Euch soll schon gesorgt werben" folgern zu dürfen glaubte. Jndeß Rodig starb ohne Testament, war auch zu der Errichtung eines solchen in den letzten Tagen, obschon PötzschenS eS an Mahnungen hierzu nicht haben feh len lassen, nicht zu bewegen gewesen. Marie Pötzsch giebt an, Rodig habe kurz vor seinem Tobe geäußert: „Ich mache kein Testament, eS ist ja da" <nämlich daö Geld), welche Acußerung die verehl. Pötzsch dahin ver vollständigt, daß Rodig mehrmals gesagt habe: es ist ja da — das Geld — „nchml'ö doch". Pötzsch Hal nun bei seiner heutigen Vernehmung angegeben, er habe, wie er gesehen, daß RodigS Tob herannahe und da kein Testament vorhanden gewesen, den Ein schluß gefaßt, sich zu entschädig en. Seine Tochter habe sodann 2 Pakele gebracht, welche er in jener Nacht bloS angeblich! sind gesehen, baß Preußische Skaatsscheine darin gewesen, am andern Tage habe er sie durchgezählt, weiter habe seine Tochter einen Kasten, in welchem ein grüner Geldbeutel mit Gold befindlich und dann noch ein Kästchen, in welchem ebenfalls Geld enthalten, an sich genommen. Der Werth der Slaalspapiere betrug allein 20,060 Thlr., während der Betrag dcS baaren Geldes und der Tarwerrh einiger zum Rodig'schen Nachlasse gehöriger Mobilien der Summe von 1528 Thlr. 20 Ngr. 5 Pf. gleich kam, sodaß baSGesammtobject des Diebstahls auf 21,528 Thlr: 20 Ngr. 5 Pf. sich belief. Marie Pötzsch giebt an, erst habe sie den Kasten geholt, habe aufgeschlossen unv das Gelb herausgenommen, dann habe sie den Schlüssel zum Seeretär geholt, letzercn ausgeschlossen und die beiden Pakete «mit Siaatspapicren) an sich genommen, den Seeretär wieder aufgeschlossen unv das Seilenkästchen, in welchem sich Vas Geld befunden hatte, hcrauögenommcn. Die Theilnahme der verehel. Pötzsch beschränkt sich nach ihrer Behauptung blos darauf, daß sie bas Aufschließcn unb die Eröffnung deS Beutels gesehn. Nach der Aussage des herdeige holten und vereideten Zeugen, ist am 2. März 18,54 AbenbS in der eilftkn Stunde Licht in der Eckstube Rodig'S, wo der Seeretär gestanden, gesehen worden. Ein Zeuge debatchtete sogar,j man hübe mehrere Leute in der Eckstube gehen Zehen. Marie Pötzsch giebt an, sie habe Tropfen und Cacao auS der Stube geholt. Der Tod Rodig'S ist nach der gleichlau tenden Angabe der Angeklagten am 3. März früh gegen 2 Uhr erfolgt. Von den Angeschuldigten ist beziehendlich durch Hypothekenangelobung vollständiger Ersatz, — von den Preuß. Staatspapieren wurden bei der Verhaftung dec Angeschuldigten und der AuSsu- chung ein Betrag von 16,660 Tdlr. vorgefundcn — geleistet, auch von den Erben erklärt worden, daß sie bezüglich des Diebstahls vollständig befriedigt worden. Der Vertheidiger (Adv. Schreck) bestritt, daß Dieb stahl vorlicge, behauptete vielmehr, daS Vergehen charakrerisire sich als Veruntreuung, Unterschla gung, denn eine solche könne auch begangen werden von Eineck, der zum Besitze nicht berechtigt gewesen sei, machte auch noch auf das freiwillige Zuge- ständniß bei sonst ungenügendem JndicienbeweiS und auf den Ersatz aufmerksam unv suchte in moralischer Beziehung noch anschaulich zu machen, daß die Dienste einem Reichen geleistet worden, daß cs für Rodig wohlihuend gewesen, daß ihn die Familie Pötzsch ge pflegt, baß Marie Pötzsch deshalb Heiralhsanträgc abgelehnt. Die Staatsanwaltschaft bestritt die An sichten beS VertheibigerS, daß Unterschlagung vorliege, es sei vielmehr, wie sich auS dem Gebühren der Ma rie Pötzsch ergebe, Diebstahl; der Act der Besitzer greifung fei ein widerrechtlicher gewesen und von rechtlichen Ansprüchen, welche PötzschenS an Rödigen zugrstanben, habe in keiner Weise Vie Rede sein kön nen. Der Gerichtshof verurtheilte Pötzsch unb dessen Tochter zu Arbeitshaus in der Dauer von 3 Jahren 6 Monaten, die verehel. Pötzsch zu gleicher Strafart in der Dauer von 3 Jahren, Ein Schrei. «rlebniss« «inr» D«crüub,rS. (Fortsetzung.) „Ihr wißt," sing er an, „ich bin drüben an der Küste geboren, eines Schiffers Sohn und von jung auf bei meinem Geschäft gewesen, zuerst in Küsten fahrern, bann zum Versuch auch 'nmal nach England, bann in die Mittelländische See und endlich immer so weiter. Als ich von meiner ersten Reise nach dem Cap zurückkehrtc und wieder einmal bei meinen Alten war, starb mein Vater, und ba ich mich mit der alten Frau nicht recht vertragen konnte, ließ ich mich so bald wie möglich von Kapitän Gering auf daS Vollschiff „die sieben Schwestern" heuern zu einer Reise nach dem dazumal noch hispanischen Amerika. Wir hatten Leinenwaaren, Porzellan und allerhand Derartiges zur Fracht, waS man drüben immer gerne hat. „Die Reise ließ sich unglücklich an. Wir waren am Donnerstag Abend fertig mit unserer Fracht, waren ausklarirt und wollten am Sonnabend Anker lichten. Allein schon am Freitag Nachmittag, da der Kapitän eben noch einmal zur Stadt wollte — er hatte da einen Schatz — packte uns eine jähe Bö aus Nord-Nord-West auf eine so rauhe Weise, daß wir auf ber hundSfött'schen Rhede triftig wurden unv nur die Wahl hatten, auf den Strand geworfen zu werden ober in die See zu gehn. Das wollte keinem von uns Allen zu Kops und schien unö von übler