Volltext Seite (XML)
Kassel, 5. Febr. Den Civilstaatödiencrn ist das Tragen von Schnurr-, Knebel- und Kinnbärten untersagt worbe», oagegen darf ein anständiger Backen bart beibchalten werden. Den Pedellen der Behörden, welche früher beim Militär gestanden haben, ist da, gegen daS Tragen eines Schnurrbarts gestattet. In einigen Tagen wird eS schwer werden, einen alten Bekannten wieder zu erkennen. Hamburg, 6. Frbr. Die Hamburger Criminal- Polizei ist gegenwärtig ungemein in Anspruch ge Ein unverhofftes Glück. (Fortsetzung.) Meine übrige Dienerschaft erhielt kurz darauf ebenfalls den Laufpaß, und ich vereinfachte meinen Hausstand auf daS Allernothdürftigste vom Dienst personal. Aber meine Schwierigkeiten hörten dadurch noch nicht auf; Verdrießlichkeiten und Verlegenheiten mehrten sich vielmehr, und machten mir daS Leben sehr sauer, bis mein würdiger Freund, der Pfarrer, mir eines Tages ein Auskunftsmittel vorschlug. ES war an einem Winternachmittage. Wir saßen bei einer Flasche Wein und einem Teller voll Pfeffer kuchen am Ofen, der daS Stübchen mit einer ange nehmen Wärme erfüllte und die Herzen und Zungen aufthaute. Unter dem Einfluß der ersten Paar Glaser Rheinwein hatte der Pfarrer sich weit und breit über die Sünden meines Hausgesindes ergangen und sich erbotew, ihnen ihre Fehler zu Gemüth zu führen und sie zur Besserung zu ermahnen. Aber im Ver lauf der Zeit und einer weitern Flasche Wein rückte der Geistliche mit einem andern, kühner» Plane heraus. „Im Grund genommen, mein lieber Gerhard," sagte er, „paßt DaS, was ich sagen will, eigentlich besser auf dre Kanzel, und eine Standrede von Ihnen bürste weit mehr fruchten. ES giebt in der Thal nur ein einziges wirksames Mittel, um alle ihre Verdrießlichkeiten zu beseitigen. Ich kenne derartige Verhältnisse nur allzu gut, denn ich habe eine lange Lebenserfahrung für mich und ich kann Ihnen einen praktischen und wohlgemeinten Rath enheilcn und motiviren, selbst wenn er gegen gewisse kleine Vor- urtheile von Ihrer Seite anstoßen sollte!" Ich horchte sehr gespannt auf, aber eS dauerte lange und kostete mehrere Pfefferkuchen und Gläser Wein, bis er sich entschließen konnte, seine Idee preiS- zugeben. Sein Gesicht legte sich in immer tiefere und feierlichere Falten, und endlich hob er an: „Das Aus- kunstSmittel, welches ich ihnen Vorschlägen will, hat nicht nur einen praktischen Werth, sondern ist auch als religiöse und bürgerliche Institution durch Jahr hunderte langen Gebrauch sankiiouirt. Ich bin als Diener der Kirche verpflichtet, eS als allgemeine Stütze der Tugend und Zucht anzuempfehlen!" Ich rückte ungeduldig und gespannt auf meinem Stuhle hin und her. Mir ahnte, er wollte etwa Kirchenbuße für meine Köchin und Gott weiß was für Gelübde von meinen jetzigen Dienstboten verlangen, und erst nach und nach dämmerte in mir ein Verdacht auf, wohin er eigentlich ziele, als er fortfuhc: „Ich habe lange Jahre als Hagestolz gelebt, aber ich kann keine Worte finden, um ihnen auszudrücken, um wie viel besser und behaglicher ich mich im Ehestand be nommen durch die Entdeckung einer weitverzweigten Diebes- und Hehlerbande, bei welcher viele hiesige geachtete Personen, Wirthe renommirter Hotels, compromittirt und zum Theil verhaftet sind. Die Zahl der bisher in dieser Angelegenheit Verhafteten beträgt bereits zwischen 30 und 40, und noch täglich finden neue Arretirungen statt, nicht zu erwähnen der vielen Personen, die zwar in Untersuchung ge zogen, aber sich theilS gegen Camion, tbeilS weil sie minder gravirt sind, noch auf freien Füßen befinden. finde. So lange ich ledig war, sah ich mich fort während von gehässigen Verleumdungen verfolgt, hatte mit fahrlässigen Dienstboten mich herumzuquälen, für meine Bequemlichkeit war gar nicht gesorgt, meine. . . „Halten Sie ein, Werthestrr," fiel ich ihm voll Angst in'S Wort, — „reden Sie mir nur nicht vom Heirathen! Sie wissen nicht, welche Abneigung ich vor der Ehe und Allem habe, was dazu gehört. Ich war nie an den Umgang mit Frauen gewöhnt; ich verstehe ihre Art und Weise gar nicht; ich glaube, sie sind von heftigem Temperament, launisch, herrschsüchtig, hysterischen Krämpfen und Ohnmächten bei den ge ringsten Anlässen unterworfen, — daS sind lauter Dinge, die mir unerträglich wären. Nein, fürwahr! lieber wollte ich zu den härtesten Arbeiten in den Bergwerken Sibiriens verurtheilt sein, als mich den nauirnothwendigen Folgen einer Verheirathung, di. dem Lärm und der Unruhe einer größern oder kleinern Familie von Kindern, dem Geschrei von Säuglingen, der Plackerei mit Ammen, Kindermädchen, Bonnen, Hofmeistern u. dgl. m. unterwerfen; die Aengsten und Sorgen mit kranken Kindern in Seuchen von Masern, Rötheln und Keuchhusten u. s. f. bestehen! — Nein, der Himmel bewahr- mich vor solchem Hauskreuz! ich kann Ihnen meinen Abscheu davor gar nicht leb haft genug ausdrücken! Wie sollte ich mir meinen häuslichen Frieden nun von Frauenzimmern stören lassen, nachdem ich so viele Jahre hindurch jeder Be rührung und jedem innigeren Umgang mit dem schönen Geschlechte auSgewichen bin! Nein, bedienen Sie sich jedes Mittels zur Schlichtung meiner häuslichen Zer würfnisse, nur verschonen Sie mich mit Vorschlägen zum Heirathen und zum Hängen!" Nun ja, ich habe dieß erwartet, lieber Herr Ger hard!" versetzte der Pfarrer immer wärmer werbend; „ich war einst ebenfalls ganz Ihrer Ansicht, aber ich kann nun aus Erfahrung anders reden: ich kenne und fühle nun das Glück und die Wohlthaten des Ehestandes!" , . „Und wo sollt' ich eine Frau finden?" rief ich muthwillig; „in den fashionablcn Kreisen und unter der vornehmen Welt von Berlin möcht' ich sie nicht suchen, wo die Frauen für nichts Sinn haben, als für Eitelkeit, Putz und Vergnügen! Und hier in der Provinz! Du lieber Himmel, waS sind dieß für Frauen! Da möchte ich mir noch lieber das Schicksal Mazepa'S wünschen, als eine von den drei Herrinnen von Steinebach heirathen, welche nur Racepferdc reiten und über Gräben setzen wie ein Dragonerlieutnant, und mit Pistolen Nach der Scheibe schießen I Gott be schütze mich vor einem derartigen weiblichen Centauren! — Auch werden Sie mir doch nicht die beiden Schwe stern von ihrem Superintendenten empfehlen wollen, welche auösehen, als wären sie schon mit Noah in