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W und zugleich dessen Angehörige zu benachrichtigen; fruchtet dies binnen vier Wochen nichts, so darf der Meister den Lehrling entlassen. In allen diesen Fällen hat der Meister von der ge schehenen Entlassung dem Jnnungsvorsteher sofort Anzeige, unter Angabe der Gründe, zu erstatten, jedenfalls aller Sorge zu, tragen, daß der Entlassene seinen Angehörigen znrückgegebrn wird. Der Anspruch auf Lehrgeld bleibt dem Meister pro rat» der verflossenen Lehrzeit, wobei das erste Lehrjahr doppelt gerechnet wird. Die Eltern oder Vertreter deS Lehrlings sind be rechtigt, den Lehrling vor Beendigung deS Lehrvertrags jederzeit aus der Lehre zu nehmen: n) wenn der Lehr- meister den Lehrling^mit ungerechtfertigter Härte behandelt, d) wenn der Lehrmeister sich Unsittlichkeiten gegen den Lehrling zu Schulden kommen läßt oder gestattet, daß der Lehrling in seinem Hause solchen ausgesetzt werde, e) wenn im Hause deS Lehrmeisters Krankheiten ekelhafter und an steckender Art auSbrechen und zu Sicherung deS Lehrlings die gehörige Vorsorge nicht getroffen wird oder werden kann, ci) wenn der Lehrmeister den Wohnort verändert, e) wenn sich ergiebt, daß der Lehrling körperlich unge ¬ eignet für das Gewerbe ist. In allen diesen Fällen findet ebenfalls eine Berechnung des Lehrgeldes statt, s) Wenn der Lehrling mit Genehmigung seiner rechtlichen Vertreter seinen Beruf ändern oder zu einem andern Gewerbe über- gehen soll, kann der Lehrmeister die Entlassung nicht ver weigern. Aber er hat in diesem Falle, wenn nur noch ein Jahr an Vollendung der Lehrzeit fehlte, Anspruch auf das volle Lehrgeld, außerdem noch für ein halbes Jahr nach dem Abgänge. Wenn der Lehrmeister §) den Lehr ling schlecht beköstigt und sonst leiblich oder geistig ver nachlässigt, so haben die rechtlichen Vertreter des Lehrlings, aber auch der Lehrling selbst, das Recht, sich bei dem JnnungSvorstande zu beschweren, der über den Grund der Beschwerde Erörterungen anzustellen hat und bei fruchtloser Ermahnung den Lehrling aus der Lehre nehmen kann. Die Lehrmeister können wegen gesetzwidriger Behandlung von Lehrlingen in eine Disciplinarstrafe bis zu fünfzig Thaler genommen und in Wiederholungsfällen ihnen das Recht zur Annahme neuer Lehrlinge bis auf Weiteres entzogen werden. (Forts, f.) Tagesgeschichte. Dresden. Am Donnerstage sand bei dem StaalS- minister^Freih. v. Beust ein costümirter Ball statt, welchen auch die königl. Familie mit ihrem Besuche beehrte. Däö Fest übertraf an Glanz und Pracht Alles, was bisher Aehnliches hier gesehen. ES waren drei Vorstellungen arrangirt, die viel Ncber- raschendeS boten: ein Bergauszug, bei welchem sämmiliche betheiligte Personen nach damaligem Brauche gekleidet waren; der Oberberghauptmann wurde vom wirklichen O.-B.-Hptm. von Beust in Freiberg, der Berghauptmann vom Freih. v. Burgk dargestellt. Diese Beiden, sowie der „Münzmcister" hielten Reden an Se. Maj, den König. Die Rückkehr des Zaren Peterö des Großen nach Sardam, nach längerer Abwesenheit im Auslande. Der Zar wurde durch Sr. k. Hoh. den Prinzen Georg, seine Gemahlin durch Frau v. Burgk dargcstellt. Tänze und Gruppirungen kacken im Aufzuge vor. Die größte Pracht entfaltete die dritte Vorstellung: Eine französische Gesandt schaft in Konstantinopel. Graf Edm. Zichy stellte den Sultan dar; — man mache sich einen Be griff von dem Reichthume seiner Kleidung, wenn man ersähst, daß allein sein Säbel einen Werth von 30,00!) Fl. Mz. hatte. — Die Gewerbtreibenden Dresdens haben bei diesem Feste wohl schöne Einnahmen und gute Verdienste gehabt.' Dresden. ES sind falsche Dessauer Zehn thalerscheine im Umlauf. Sie sind mit Kreide gezeichnet und an der sehr mangelhaften Schrift leicht erkennbar. Vermischtes. Unter dem Littet „Die Sicherheit unserer Straßen" liest man im „ Courier des EtatS-UniÄ " folgenden Beitrag zur amerikanischen Sittengeschichte: „In Neuhork gab cö zu allen Zeiten sogenannte „Nachtschwärmer",' dann kamen die „Erwürger", was die Erster« jedoch keineswegs verhindert, ihr Gewerbe ruhig weiter zu treiben. Aber als ob dar nicht genug wäre und wahrscheinlich dem Sprichwort „Aller guten Dinge sind drei" zu Liebe, bildet sich nun eine neue Banditcnkategorie, die sich auS Galanterie namentlich mit den Damen befaßt. Diese Herren warten jedoch, um ihre edle Industrie auSzuführcn, nicht bis der Schleier der Nacht sich über dieStadt auSbreitet, sondern handeln meist am Hellen Tage, so daß man wahrhaftig nicht weiß, waS man mehr bewundern muß, ihre Frechheit, die Fahr lässigkeit einer hohen Polizei oder die Geduld deS verehrten Publi- cumS. Kaum ein Tag vergeht jetzt, ohne daß vor den Augen und mit Wissen Aller (natürlich mit Ausnahme der Polizei, die nichts steht und nichts weiß) eine Dame angehalten und aufs frechste bestohlen wird. Neulich ging eine Dame ruhig über Madisonsquare, als zwei Banditeu sie ansprachen; der Ein esagte ihr ins Ohr: „Keinen Widerstand, oder Sie sind verloren", während der Zweite auf der ander» Seite flüsterte: „Wir wün schen nur Ihren Muff und Ihre» Palatine." Und die That dem Worte beifügend, riß er ihr die beiden Gegenstände gewalt sam ab und floh mit seinem Gefährten vor den Augen der vor Schrecken erstarrten Dame. In demselben Viertel wurde einer Dame, vielleicht von denselben Spitzbuben, daS Portemonnaie wcggenommen. Von allen Seiten hört man solche Vorfälle erzählen. Zwei Damen standen vor einem Modemagazin und bewunderten die ausgestellten Gegenstände, als sie von einem Trupp großer Strolche umringt wurden. Ohne Umstände langte einer derselben in die Tasche der einen Dame und nahm ihre Börse heraus. Kurz darauf sah eine, die aus einer Buch handlung herauSging, sich eine Hand nach ihrer Tasche auSstrecken. Kaum hatte sie Zeit, dies zu bemerken, als sie von der andern Seite gestoßen wurde; sie drehte sich um — und fort waren Geld und Spitzbuben. Zu Brooklyn gingen eine Dame und ihre Tochter die Montagnestreet hinan, als Beide um den Leib gefaßt wurden, und man ihnen bei Verlust ihre» Lebens unter sagte, einen Laut von sich zu geben. Diese Vorsicht war übri gens überflüssig, denn die beiden Damen waren vor Schreck halb todt und ließen sich ruhig alle» Geld abnehmen, daS sie bei sich halten. Man versichert, daß viele junge Leute guter Familie sich in diesem Augenblick zu einem Club vereinigen, lediglich zu dem Zweck, auf die besten Mittel zum Schutz deS Lebens in den Straßen von Neuhork bet eingebrochener Nacht zu sinnen. Alle Mitglieder dieses DefensiveluLS tragen Waffen, berathcn sich über die List, welche die „Erwürger" anwei»den können, und üben sich in der Vetheidigung selbst mit Revolver und Messer. Wer sich die Waffen nicht zu kaufen vermag, erhält sie auö der VereinSkasse. WaS sagen Sie zu diesem Bilde auS dcm amerikanischen Kreistaate?"