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zu erkennen zu geben. Ich fürchtete schon, der Tobten- gräber werde der Nächste sein, welcher mir seine Auf- Wartung mache. Der vierte Besuch, den ich erhielt, kam jedoch von einem Mitglied jener Klasse, welche der allgemeinen Ansicht nach eö mehr mir der Sorge für die Seele, als mit derjenigen für den Körper zu thun haben: es war nämlich der würdige Pfarrer der , Dorfgemeinde, wohin Hallsleben eingepfarrt war, welcher leine Zeit verlieren wollte, meine Bekanntschaft zu machen. Er äußerte im Verlauf des Gesprächs die Hoffnung, an mir eine thätigere Mitwirkung zur Erzielung von Reformen in seinem Sprengel zu finden, als es bei dem frühem Besitzer von Hallöleben der Fall gewesen war. Er erzählte mir von mancherlei Eigenihümlichkeiten und Grillen meines verstorbenen Vetters, welche ein verschlossenes, kaltes und für jeden hohem Eindruck unzugängliches Gemüth verriethen. Ich erfuhr, da er während seines Verweilens auf Hallsleben in den wenigen Jahren seines Besitzes meist ganz für sich gelebt und trotz einem gewissen Aufwand in seinem prunkvollen Hauswesen doch allen geselligen Verkehr nnd vertrautem Umgang gemieden, auch den Winter stelS in Hamburg oder in einer andern großen Stadl verlebt habe. Ob er ein Weiber feind gewesen ober nicht, sei dahingestellt, aber so viel war klar: er hatte auf Hallöleben nur eine reine Junggesellenwirthschaft geführt; dabei schien er schlau und hinterlistig zu sein, und durch den rührigen Betrieb seiner landwirthschaftlichen Gewerbe seinen Nachbarn eine böse Konkurrenz bereitet zu haben. Wir sprachen frei und schonungslos über seine Fehler, wie eS oft von Verwandten geschieht, und der Pfarrer amüsirte mich außerdem noch durch einige Anccdoten auö dem häuslichen und Familcnlebcn meiner Nachbarn, so daß ich binnen kurzer Zeit michindietliuviiiksuv 8cnulin!vu86 der ganzen Umgebung eingeweiht sah. Aber auch außer dem fand ich, daß mir der Pfarrer ein Schlüssel zu mancher wichtigen Kunde sein konnte, und als man gerade in dem Augenblicke, wo ec weggehen wollte, mir anzeigle, daß daS Essen bereitet sei, drang ich daher ernstlich in ihn, mit mir zu speisen. Die nächsten Tage brachten mir Besuche von meinen vornehmeren Nachbarn, welche sich ebenfalls den neuen An- und Emporkömmling betrachten wollten. ' Wir sanden übrigens gegenseitig wenig AnziehungS- und Berührungspunkte. Ich lernte unter diesen Herren nur wenige wirklich gebildete Leute kennen, und die Mehrzahl gehörte zu Vein Junkerthum, das mir von jeher fatal gewesen, und daS nach meiner Ansicht immer noch uiw ein Jahrhundert hinter unserer heutigen Civilisation zurück ist. Die Interessen und Ideen dieser Herren sind sämmtlich local und eigennützig, H und obschon diese Edelleute in jeder Hinsicht noch weit vomrtheilsfreier und gebildeter sind, als das Junkerthum in Pommern oder in den östlichen Pro vinzen, so liegt den Herren doch im Grunde mehr an ' der Erhaltung eines hübschen Wildstandes, von Rehen, Hasen und Feldhühnern, als an einem Gemeinveleben oder einer Entfesselung beö Bodens von Feudallasten, und einer vernünftigen Aufklärung der VolkSmassen. Noch weniger aber behagten mir die Frauen dieser Kreise mit ihrem adeligen Dünkel, ihrem schlechten , Französisch, ihrer lächerlichen Putzsucht, ihrem geschmack los bunten Farbcnspicl in der Toilette, in widerlichen Prätcnsionrn und ihrer schalen oberflächlichen Bildung. Meine Nachbarn fanden freilich meinen Champagner eben so fein, als den eines Grundherrn von Adel, und meine Küche gut geullg für eine bürgerliche, aber dennoch schienen sie mir zu verstehen geben zu wollen, daß sie mir eigentlich eine Ehre erwiesen, welche ich kaum verdiente, indem sie sich dazu herabließen, mich zu besuchen. Meine politischen und socialen Ansichten, so wenig ertrem und radical sie auch waren, mein Geschmack, meine Grundsätze und Vorurtheile waren für sie ein ganz unbekanntes Land, und wir konnten uns nie in der Unterhaltung auf ejne Weise reiben, daß es sprühende Funken gab. Ich fand bald, daß, wenn ein Manu auf dem Lande sich nicht den beherr schenden Ansichten der guten Gesellschaft anbequemt, wenn er nicht mit den Wölfen heulen will, er „für ercentrisch und für einen Sonderling" gilt, was im Munde der Leute von gutem Ton schon sehr viel heißen will. (Fortsetzung folgt.) Verhandlungen der Stadtverordneten zu Dippoldiswalde- 1'. Sitzung am 5. Januar 1857. Gegenwärtig die Stadtverordneten: Reichel, Lauschte, Wuschig, Kühnel, Günther, Klemm, Borina «tu, Mauckisch. Entschuldigt: Stadlv. Dörner. Bei den zur Constituirung deS Collegium« zunächst in der vorgeschriebenen Weise vorgenommenen Wahlen wurde, nachdem Stadt». Reichel erklärt hatte, daß er mit Rücksicht auf die ihm bereit« obliegenden Geschäfte und Functionen die Wahl zum Vorsteher, wenn ihn dieselbe etwa treffen sollte, abzulehnen sich genöthigt sehen würde, Stadtv. Mauckisch mit 7 Stimmen zum Vorsitzenden deS Collegium«, Stadtv. Günther mit 6Stimmen zu dessen Stellvertreter, Stadtv. Reichel mit 7 Stimmen zum Protoeollführer, und Stadtv. Wuschig mit 6 Stimmen zu dessen Stellvertreter erwählt, auch nach erklärter Annahme dieser Wahlen für zweck mäßig erachtet, zur Protokollsührung außerdem für etwaige Be- hinderungsfälleund sonst eine hierzu geeignete Person im Voraus auzunehmen nnd zu bestellen, hierzu, dafern der Stadtrath hier mit einverstanden ist, bis auf WidcrrufHr. Registrator GerSdorf ernannt und beschlossen, demselben für jede Protocollführung eine Remuneration von 15 Ngr. zu verwilligen, hierüber auch die Besorgung der erforderlichen Nein- nnd Abschriften für ein Schreibelohn von 2 Ngr. von jedem Bogen zu übertragen. In Betreff des TageS und der Zeit der ordentlichen Sitzungen wollte man eben so, wie rücksichtlich der Veröffent lichung derStadtverordnetcn-Verhandlungen und Beschlüsse, die zeitherige Bestimmung und Einrichtung fortbestehen lassen, und wurde endlich noch zur Wiedcrbesetzung der erledigten Stelle» in den Verwaltungs-Deputationen 1) zur Deputation für das Casseu- und Rechnungswesen: Stadtv. Mauckisch und Stadtv. Bormann; 2) zur Deputation für daS Armenwesen : Stadtv. Kühnel; 3) zur Deputation für daS EinquartirunzSwcsen: Stadtv. Bormann; 4) zur Ausstellung i'c>8p. Vollziehung von Urkunden: Stadtv. Mauckisch, und 5) zur AbschätzungS-Commission: Stadtv. Kühnel erwählt. Dippoldiötvalde, am 26. Januar 1857. Das Stadtvcrvrdneten-Collegium. Mauckisch, Vorsteher.