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Genug, ich muß sagen: daß ich weder den verstorbenen Heinrich Gerhard gekannt, noch sein schönes HauS in Hamburg, noch sein prächtiges Rittergut jemals gesehen hatte, die mir nun so plötzlich als Erbe zuge- fallen waren. Fünfmal überlas ich den Brief, um mich ja zu überzeugen, daß mir meine Sinne keinen Streich spielten. Ich lehnte mich in meinem Armstuhl zurück und versank in tiefes Nachdenken, und ich mag dabei zuweilen wohl auch laut gedacht haben, denn die Katze wachte theilweise auf und nickte mir mehr mals zu. Ich hatte nie nach Reichthurn gestrebt, aber ich fordere den größten Cyniker heraus, ob er bei einem derartigen BermögcnSzuwachS gleichgiltig bleiben kann. Ich goß mir noch eine Tasse Kaffee ein, steckte mir eine neue Cigarre an und überließ mich einigen Luft schlössern, die sich immer weiter und weiter auSdehnten, bis plötzlich Frau Dähne wieder in mein Zimmer trat und mich mit der Frage: „Haben Sie gelautet, daß man das Frühstücks-Service hinwegnehmc?" aus meinen wachen Träumen weckte. „Nicht doch, aber ich bin fertig; nehmen Sie nur Alles fort!" versetzte ich, legte den inhallschweren Brief zusammen und steckte ihn in die Tasche. „Frau Dähne, ich werde heute nicht zu Hause speisen. Ich muß zu meinem Anwalt gehen und noch mehrere andere Ausgänge besorgen, und es ist zugleich möglich, daß ich morgen verreisen muß!" „Sic haben hoch hoffenilich keine schlimme Nach richt erhalten, Herr Gerhard?" „Hm, — das eben nicht! — nur die Nachricht Von dem Tode eines entfernten Verwandten, den ich in meinem Leben noch nie gesehen habe!" - „Gottlob, baß es nichts Schlimmeres ist," er- wicderte Frau Dähne. „Ich fürchtete schon ein Un glück, als ich den schwarzen Naud um den Brief und daö schwarze Siegel sah, und als Sie so lange nicht schellten, daß man daö Frühstückgeschirr fortnehme!" Ich lächelte über Fran Dähnc's hartnäckige Neu gier und dankte im Stillen meinem Stern, daß keine Frau ein Recht hatte, mich -genauer auszufragen. Voll Freude über diese meine Unabhängigkeit kleidete ich mich rasch an, nahm Hut und Stock, und ließ Frau Dähne die Möbeln in meinem Zimmer abwischen, während ich nach der inner» Stadt ging. Es gehört eigentlich nicht zu meiner Geschichte, was während dieser Morgenunterredung zwischen mir und meinem Anwalt verhandelt wurde und es genüge daher, hier zu erwähnen, baß das Ergebniß unserer Besprechung ein befriedigendes war. ES sei mir aber vergönnt, nun ein paar Wörtchen über meine eigene Wenigkeit zu sagen. Ich hatte gerade mein zweiundfünfzigsteS Jahr znrückgelegt, besaß, wie vorerwähnt, ein jährliches Einkommen von un gefähr zwölfhundert Thalern,. deren Grundstock ich mir zum großen Theile selbst erworben hatte. Und da ich nun als einzelner Mann mit dieser Summe sehr gut auöreichre und von Jugend auf Gesundheit und GemüthSruhe genoß, so ward ich vielleicht allge mein beneidet, und fühlte mich auch in meinem Loose sehr zufrieden. Die Muße, welche ich genoß, seit ich mich aus dem GekchäftSleben zurückgezogen hatte, wußte ich mit Lectüre auszufüllen. Jeden Frühling machte ich eine Erholungsreise, jeden Herbst eine Ge schäftsreise, um die Zinsen von meinem Vermögen einzuholen, das meist vortrefflich fundirt, auf den besten Gütern der reichsten Provinz unseres Landes stand; und wenn mich zuweilen die Lust ankam, im hohen Sommer eine Badereise zu machen oder eine größere Tour ins Ausland, so brauchte ich mich wegen einer derartigen Ausgabe gar nicht zu gcniren, da sie nie einen Riß in mein Budget machte. Allein immer zog eS mich eben wieder mächtig nach der Hauptstadt zurück, wo ich nun seit nahezu zwanzig Jahren wohnte, wo ich alle meine Freunde und Bekannten, alle mög lichen Lebensgenüsse hatte, und wo ich — was die Hauptsache -- geboren und erzogen worden war. Seit ich mich hierher zurückgezogen, halte ich bei Frau Dähne gewohnt, die im Grunde eine recht wackere Frau war und mich selten ärgerte, außer etwa, wenn ihre Neugierde aufgeregt wurde. Meine Gewohnheiten waren die eines entschiedenen Hagestolzen; ich haßte allen Zwang von Familien- und anderen Verbindungen. Am liebsten ging ich meine Straße allein, besuchte meinen Club, mein LicblingStheater, öffentliche Vor lesungen, laö meine Zeitungen und die hervorragendsten neuen Bücher, und sand immer Leute, mit welchen man darüber plaudern konnte. Sonst aber verbrachte ich alle Abende am liebsten daheim in meinem Stüb chen, braute mir meinen Grog, rauchte meine Cigarre und war manchmal sehr vergnügt, wenn ein Freund vorsprach, um diese mit mir zu theilen. Meine Wohnung war sehr traulich und behaglich — ein Eckzimmer, dessen Fenster zwei belebte Straßen beherrschten und Gelegenheit genug zum Flaniren boten; dabei hoch genug über der Erde, um von dem Lärm der Straße nicht beunruhigt zu werden. Möbeln, Aussicht, Lage des HauseS, Alles schien sich mit mir ideutifizict zu haben. Gehörten diese Möbeln und Räume auch nicht mein, so waren sie mir doch nicht weniger werthvoll, und Frau Dähne ließ es mich nie empfinden, daß ich bloö ihr Miethsmann sei. Mit meinem Budget war ich stets so auf dem Laufenden, daß, wenn ich alle Jahre meinen Finanzetat abschloß, ich selten mehr als zwanzig bis dreißig Thaler Ueber- schuß hatte, die ich niemals zu dem Capital legte, sondern immer einem Spital oder irgend einem andern mildthätigen Zweck opferte.' Und da ich meine Bedürf nisse immer nach meinem Einkommen richtete und gewissenhaft darauf hielt, stets eine vierteljährliche Rente unberührt zum Voraus bei meinem Bankier stehen zu haben, so war ich auch über die verhängniß- vollen Jahre 1848—1850 glücklich ungerupft hinweg gekommen. (Fortsetzung folgt.) Kirchliche Nachrichten. Dippoldiswalde, vom 1. bis 15. Januar 1857. Geboren wurde dem königl. Postillon Gottlieb Friedr. Kaltofcn allhier eine Tochter; —Hrn.Hypothckenbuchführer Herrmann Philemon Karg allhier eine Tochter; — dem Hand arbeiter Friedrich August Teich ert allhier eine Tochter; — dem Oelmüller Karl Wilhelm Schauer allhier ein Sohn; — dem Bäckermstr. Gotthclf Aug. Schneider allhier ein todterSohn; — dem Gutsbesitzer Traugott Ferdinand Merbt in Reinholds hain eine Tochter; — hierüber I unehel. Kind. Gekraut wurde Junggesell Heinrich August Göbel, Bürger und Hausbesitzer allhier, und Jungfrau Amalie Auguste Sonntag aus Oberhäslich. Gestorben ist Frau Amalie Auguste, Mfir. Gotthilf August Schneider'S, Bürgers und Bäckers allhier, Ehefrau, 36 Jahr alt, au Lungenentzündung und Schlagfluß; — Frau Marie Christiane verw. Gr »stniann, aus Zodel bei Görlitz,