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M 10 Weißeritz-Zeitung Verantwortlicher Redactenr: Carl Jehne i» Dippoldiswalde. Dienstag. Erscheint Dienstag» und, Freitag». Zn beziehen durch alle Postanstal ten. Preis pi o . . . Ouar^oRgr. " - angmom«.«. Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann 3. Februar 1857. Inserate ' werden mit 8 Pfg. für die Zeile berechnet und in alle» Expeditionen Das österreichische Kaiserpaar in Italien. Die Reise des Kaiserpaares durch die italienischen Staaten hat durch die überall rege Theilnahme der Ein wohner ein festliches Gepräge, ja sie gleicht einem Triumph zug mit immer steigendem Jubel. Triest, Venedig, Pola, Padua, Vicenza, Mailand u. s. w. geben darüber Zeugniß. Merkwürdig ist dabei, daß Städte, von denen es man am wenigsten erwartet hätte, auf wahrhaft eclatante Art ihre Ergebenheit an den Tag legen. Wenn man auch nach der oft bethätigten guten und edlen Absicht des Kaisers, das Geschehene geschehen und vergessen sein zu lassen, und nach den vielen Gnadenacten, die er überall gespendet, erwarten konnte, daß ihm jede Stadt achtungsvoll em pfangen werde, so hatte man anderntheils doch einigen Grund, von der den Italienern so eignen, bei gewissen Veranlassungen oft mit Affectation zur Schau getragenen Gleichgültigkeit zu erwarten, daß die Reise des Kaisers an manchen Orten nur still und ruhig vorübergehen würde — und man hat sich sehr geirrt. Voraus dem kaiserlichen Zuge fliegen die Nachrichten von der Güte und Freund lichkeit des Kaisers, von der Schönheit und Liebenswürdig keit der Kaiserin, und daß die beiden letztgenannten Eigen schaften der hohen Frau, sowie ihr ganzes angenehmes und sanftes Wesen, die Italiener einnimmt, ist vollkommen begreiflich; ihrem Stolz ist in gewisser Art genug gethan, sie find zufrieden, daß der Kaiser ihnen eine solche Kaiserin gebracht. „Wie schön, wie liebenswürdig!" hört man aus der Menge rufen; namentlich sind es die Frauen, welche auf diese Weise ihren- Gefühlen Ausdruck verleihen, und wenn sie nachher bei so vielen Anlässen sehen, daß die Kaiserin nicht nur schön und liebenswürdig ist, sondern auch gut und mild; wenn sic erfahren; daß die hohe Frau gleich nach der Ankunft in einer Stadt die verschiedenen WohlthätigkeitS-Anstalten besucht, die Ncttungshäuser für Findel- und andere arme Kinder, die weiblichen CorrectionS- anstalten und daß sie überall Bitten und Klagen anhört und sich aufs sorgfältigste nach der Art der Wohnung, Kleidung und Nahrung der Betreffenden -erkundigt, so ge winnt dies vollends ihr Herz und reißt sie zu gleichem Enthusiasmus hin, wie ihn jene Unglücklichen empfinden, welche die schöne junge Kaiserin besucht, hilfebringend und tröstend, wie ein guter Engel. In allen Städten find die Straßen geschmückt, überall empfangen Jubel und lebhafte Zurufe Ihre Majestäten, überall deckt man durch Beweise von Liebe und Verehrung die Erinnerung an eine dunkle Vergangenheit willig und gern zu. Auf diese Art sind die Tage der Reise auch festliche Tage für den Kaiser, wogegen sie anderntheils wieder nichts als eine fort laufende Kette von Mühen und Arbeiten sind. Der Kaiser kommt oft bei unfreundlichem kalten Wetter in einer Stadt an; gleich am Bahnhose umringt ihn eine Anzahl von Bittstellern, denen er die schriftliche» Gesuche persönlich aus der Hand nimmt; er erreicht seine Wohnung, um dort entweder zahllose Audienzen zu ertheilen oder sich zu Pferde zu setzen, nicht um eine gewöhnliche Parade abzuhalten, sondern die Truppen zu mustern. Der Kaiser hat einen unendlich scharfen Blick, und wo er lobt oder tadelt, da fühlen die Betreffenden, daß er vollkommen Recht hat, Nach der Musterung abermals Audienzen, Vorstellungen und Besichtigung aller möglichen Anstalten und auch hier wieder nicht ein bloßes Durchgehen durch die Säle, vielleicht zufrieden mit der Meldung: „Saal dieser oder jener Be stimmung ," nein der jugendliche Kaiser ist auch zuweilen recht neugierig, zu erfahren, ob die verschiedenen Bestim mungen der Vorschrift gemäß ausgeführt werden; ja «S kommt häufig vor, daß er sich auf Kanzleien irgend einen beliebigen Actenstoß herunter geben läßt, ihn selbst öffnet, ihn durchblättert, und durch diese Acteneinsicht bemerkt, daß ein Proccß vielleicht seit mehreren Jahren unerledigt geblieben, was alsdann eine Menge von Fragen, alle von vollkommner Kenntniß des Geschäftsgangs zeugend, veranlaßt, die dem betreffenden Beamten oft ein gelindes Frösteln verursachen. Bei Besichtigung der Gefängnisse wendet sich der Kaiser an viele in Untersuchungshaft Be findliche, um sich zu erkundigen, wen» der Betreffende zuletzt verhört worden, und wie lange seine Untersuchungs haft schon dauere, wobei der Kaiser eS selten versäumt, selbst genau nachzuforschen, ob nicht vielleicht gegen seinen ausdrücklichen Befehl einer der in Untersuchung Befind lichen mit den Abgeurtheilten zusammcnfitze. Was' die letzter» betrifft, so spricht Se. Majestät keinen derselben an, doch hat jeder, selbst der schwerste Verbrecher, das Recht, den Kaiser anznreden; begreiflicherweise halten sich alle, sogar wenn sie des Raubmords überwiesen sind, für unschuldig und bitten um Revision ihres ProcesseS. Aus einen fragenden Blick deS Kaisers erfolgt von den ihn begleitenden Beamten meistens die Auskunft: „wegen Mords und mehrfachen Raubs auf zwanzig Jahre ver- urtheilt, sitzt zwei Jahre;" oder auch: „sitzt bereits sechzehn Jahre mit guter Aufführung." Wie einer der Letzter» in diesem für ihn so wichtigen Moment an den so offnen, guten und klaren Augen des Kaisers hängt, kann man sich denken und daß vielleicht er allein aus dem veränderten Strahl derselben ahnungsvoll seine Begnadigung erblickt. In den Lazarethen der leichten und schweren Kranken läßt der Kaiser nie ein Zimmer unbesucht, forscht eben falls nach Wartung und Pflege, spricht hier und da ein freundliches Wort und bleibt nicht selten, den Ausdruck tiefer Bewegung im Gesicht, vor einem Bett stehen, wo man eilfertig die Vorhänge, schließen will, da der schwere Kranke mit dem Tode ringt. Der Kaiser, der, wie be kannt, erst 26 Jahr alt, ist auf seinen Reisen immer sehr einfach angezogen, entweder trägt er die graue Marschalls uniform mit dem goldenen Vließ und dem Stern de» Maria-Thcresia-OrdenS, oder, um eines der Regimenter,