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Nr. 147. Montag. 2S. Juni 1S14. S. Jahrgang. Dies« Nummer umfaßt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. Der Bundesrat hat das Kontingent für die Zünd« ho lzfabr tkanten von SO auf Sbwom Hindert erhöht. , In Meiningen fand gestern die feierliche Beisetzung des verstorbenem Herzogs Georg von Sachsen- Meinungen statt. Bet der ^Jahrhundertfeier der Stadt Wü rzbu rg hielt der sKLnig von Bayern eine bemerkenswerte Rede.*) Das österreichische Thronfolgsrpaar wurde gestern in Serajewo von einem serbischen Gymnasiasten ermordet.*) In Wien wurde, die Werbung von Fr ei willigen für Albanien durch ein Komitee polizeilich untersagt. Das-albanische Ministerium hat seine Demis sion etngereicht. Der Fürst hat sich die Tntschei« , Vung Vorbehalten. N mir««» »q. im «a«« suu«. Mutmaßlich« Witterung am >0. Juni: Westwind«, wechselnde Bewölkung, Temperatur wenig geändert, kein er heblicher N iederschlag. -du Rettungsversuche für äen Mbret. König Milhslm von Albanien soll an seinem Erfolge verzweifeln. Kein Wunder nach all den IHweren Enttäuschungen, di« er erlebt hat. Noch dar ei ner Woche mochte er seine Hoffnungen auf den Listen Häuptling der Mirtdtten PrenI Bibdoda, gesetzt haben. Und nun hat sich dieser durch ein großes Ehren wort, die Bossa, unwiderruflich aus den gegenwärtigen Kämpfen ausgeschaltet r sei eS, daß er durch militärische» Ungeschick als Gefangener in die Hände der Rebellen ge fallen, sei es, daß di« ganze Geschichte von seiner Ge fangennahme erfunden war, um seinen Abfall zu be mänteln. Und Elbassan wie Berat und andere Plätze von Bedeutung haben sich den Rebellen angeschlos sen. Schon wird vielfach die türkisch« Fahne Wie der gehißt. Den Verbannten Essad haben die Ita liener anscheinend wieder laufen lassen» Jeden Au-i gonblick kann er auf irgendeinem Punkt« der albani schen Küste auftauchen. Nichts al» Verrat ringsum und von außen kein« Hilfe» da soll «in Wilhelm von Wied nicht den Mut verlieren? Di« schlaffe Unterstützung durch die Mächte, di« ihn zu dem albanischen Abenteuer be redet haben, ist sein« größt« Klag«. "Finanziell und mitt- tärtsch hätte er tatkräftigere Beihilfe erwartet. Diese Klage allein beweist, wie falsch der Prinz von vornherein seine Lage aufgefaßt hat. Wie man im gesellschafüichen Leben kein« hohe Meinung von dem gar zu artigen Mut tersöhnchen hat, di« sich btt in ihre JünglingSjahke hin ein von den Eltern gängeln und schieben lassen, so spielt im Staatslebmr ein auf fremde Abhängigkeit so ange wiesener Charakter erst recht keine erfreuliche Rolle. Die Mächte haben ihm von Anfang an genugsam bedeu tet, daß er sein albanisches Abenteuer auf eigene Rech nung und Gefahr unternehme, selber zeigen müsse, daß er der richtig« Mann für Albanien sei. Selbst wenn Oesterreich und Italien sich entschließen sollten, das Blut ihrer Landeskinder an seinen Schutz zu wagen» ist das Geringste von einem Herrscher zu erwarten, der sich gegen Kein« eigenen Untertanen nur durch fremde Wafsenhtlse stützen und behaupten kann? Damit wäre allen dreien nicht gedient» den Albanern so wenig Wie dem Mbret und den Mächten am allerwenigsten, de nen bloß «ine drückend« Last ohne greifbar« Vorteil« auf gebürdet würde. Karl von Hohenzollern und Max von Oesterreich sind ihrerzett in gleicher Weis« bedeutet wor- d«r, daß ihre Versuche mit Men exÄischen Kronen arkf eigene Gefahr gingen. Immerhin führten den Erzher zog Max französisch« Waffen in sein« Hauptstadt «in — und damit hatte er'sich di« Hoffnung auf Lin« Umstim mung seiner neuen Untertanen zu seinen Gunsten Än MV allemal abgeschnitten. Der Rumänier verstand eS des- ser als der Mexikaner, sich auf die Landesart einzurich ten, und stellt« sich von Anfang an auf seine eigenen Füße. Heute ist er ein hoch angesehener Monarch an der Schwelle seine» öOjährtgen RsgierungSjubtläum»» Mr den anderen aber wurde der schließlich doch notwendig werdend« Abzug der Franzosen da» Todesurteil. Immerhin» nun einmal da» Unglück geschehen ist, das ein gänzlich ungeeigneter deutscher StandeSherr in dem unwittlichen Berglande festliegt und Weder rüL- noch vorwärts kann» ist eS Mr uns Deutsche zu einer Art nationaler Pflicht ge worden, ihn Möglichst mit Ehren aus der Klemme herauszuhauen und wenigsten» einen anständi. gen Rückzug freizumachen. Daß deutsche öder österrei chisch« Hilfstruppen gesandt werden könnten, ist Wohl ausgeschlossen. Aber ein in Wien gebildetes Komitee, an dessen Spitze der Bildhauer und SpvrtSmann Gurschner steht, weist einen gangbaren Weg. Er er läßt einen Aufruf zur Bildung eines Freiwilligen- KvrpS. Besonders gediente Artilleristen und gute Schü tzen werden ausgefordert. Der Aufruf scheint in Wien vuvchzuschlagen. Am erst«« Lag« lagen 1000 Anmeldun ¬ gen vor, darunter über 100 Reserveoffiziere, dazu IVO Studenten» auch ehemalige aktive Offiziere sollen da bei sein. Bis Dienstag hofft man 10000 beisammen zu haben, die dann sofort nach Durazzo abgÄhen sollen und hoffentlich nicht schon zu spät kommen. Der Erfolg ist «in glänzende» Zeugnis Mr d«n Tatendrang, der doch auch noch in der Jugend unserer krteg-entwöhnten Zeit steckt. Bor allem sollte auch unser Deutschland kräftig in einen Wettbewerb mit dem österreichischen Unternehmen eintreten. Es wäre der richtige Augen blick, unseren jungen Leuten die Neigung Mr den Dienst in der französischen Fremdenlegion gründlich Lus- zutreiben. GS müßte ihnen der gewaltige Unterschied ans Herz gelegt werden zwischen dem Söldnerdiensto Mr die Eroberungszwecke unseres Erbfeinde» und dem freien, frischen und fröhlichen Strauße Mr einen deutschen Landsmann, der Reichsdeutschland schließlich doch noch näher steht, als den Oesterreichern. Vielfach war es ja doch ein an sich lobeSwürdiger, bloß um bessere Fel der seiner Betätigung verlegener echt germanischer Hel dengeist, der junge Deutsche Mr Frankreichs Ehre auf / Marokkos Schlachtfeldern loder in Madagaskar» Sümp fen verbluten ließ. Rumänien soll sich sogar entschließen wollen, mit aktiven Truppen einzugreifen. Da» Wäre alldering» die wirksamste HD«, da die Wiener Zehntau send doch nicht in vier Tagen eine schlagfertige Arme« werden könnten. Und bei dem engen Verwandtschaft»- Verhältnisse der Gemahlin zu dem Mbret wäre eine sol ch« Entschließung KöntzzA Karl» ja auch sehr naheliegend und betfallswürdig. Die Rheinschiffahrt. (Non unserem Berliner <S-Mitarbeiter). Es ist auWallemd, Mo häufig,in der letzten Zeit di« OoffentlilPeit mit Fragen der Rheinschiffahrt beschäftigt Mrd. Es mag da» damit zchawmenhängen, daß das Ar te resse Mr unsere deutschen Wasserstraßen entsprechend der Entwicklung unserer Industrie so stark gewachsen ist. Dazu kommt, daß die modern« Technik vor Schwier Weit en nicht mehr zurückschreckt, die noch «vor wenig Jahren viele kühne PWn« trotz ihres wirtschaftlichen Wortes als illtopison mußten erscheinen lassem Aus alle Fälle läßt sich sagen, daß dis Rheinschiffahrt vor der Lösung größer und wichtiger Probleme steht. Der Verein zur Wahrung der Rhein- schiffahrtsinter essen, der in diesen Tagen in Köln verhan delt, gibt ein deutliches Bild von der neuen Ermutigung, di« alle Beteiligten erfüllt. Und den gleichen Eindruck ge winnt man,. wenn man am die Verhandlungen des großen Rates des Kantons Basel-Stadt er innert, die «Honfalls in diesen Tagen sich mit schwerwiegen den Schiffahrtsffragen zu befassen hatten. Daß man sm Baden und im Elsaß di« Schiffbarmachung des Rheins his -um Bodensee neuerdings Mr durchaus möglich unrentabel Mene tekel. Skizze von Pauk Burg. iNachdru« »«rdotin.) Das war NUN schon so: Peter Hatte gestohlen! Er trug den fremden Taler ,in der -Tasche Md spürte ihm wie einen heißen Brandfleck auf seinem Leihe. Peter, trage die Hefte in meine Wohnung Hinüber I — mit diesen Wort- ten hatte ihn der alte Lehrer mit dem blauen Packen Dir- tathofte sm die Kantorwohnung geschickt. Die Düren waren dffengestanden, Frau Kantor nicht zu sehen. So war Peter ins Studio de« stillen, strengen Herrn Kantor« getrottet und hatte di« Hefte aus von Schreibtisch gelegt. Hatte stch keck im Zimmer umgesehen und da ' was war dem das? auf der Kommode zwischen den Fenstern «in «Schiff, ein wunderschön««, blankes Schiffsmodell erblickt. Das hatte sicherlich Cölestin, der Sohn des Herrn (Kan tors, der aus der KMstschuk« war, geschnitzt. Das «war .sicher Mr Martin, den zweiten Kantorssohn, «in Gehurt«, tagsgeschonk. Was so ein Schiffchen wohl kosten mochte? Einen Taler auf Mden Fall. Peter sah stch neidisch in der behaglichen jKantorsstuLe um. Ja, die Hatten es gut; bei ihm zu Hause war es kahl, und es roch in den engen niederen Räumen nach Bichfuttor und Moder. Gr mochte auch einmal so ein Schiffchen auf den «usnlachen schwim men lassen, «wenn die Sonn« Men und der Wind ging. Das war fein! Seine großen Augen sahen sich sehnsüchtig und ärgerlich in der Stube um, sahen auf ddm Mittels- tische, auf der weihdn Häkeldeck«, breit und blank einen Taler liegen. HUhl Da liegt ja, da Liegt ein Talers Peter blickt« stch erschreckt um. D» war ganz still in der Stube und draußen. Nur sein eigen« Herz hört« er laut und schnell in der heißen Brust klopfen. Auf Zehsn- spitzen Wich er einen Schnitt «vor, sah auf das Schiffchen und auf Ven Taler, von einem zum anderen, wmf ein« Hand vor und ritz das Geldstück an sich. Peter stopfte er in die Losch« und rannte au» der Tür, Über den Flur, treppab. Grad läutete es die Pause ein. Mit einer hastigen Lustigkeit trat Peter unter seine KreUnde. Die letzte Stunde an diesem Morgen war Sin gen. Peter, auf der -weiten Bank der Letzt«, sang heute mit fremden Lippen. Er spürte den harten Taler heiß in seiner Tasche, krallte di« Finger darum und zog den Atem schwer durch die Brust, stich ihn wie tiefe Seuistzer au», daß sein Nachbar Fritz Michel «sich ein paarmal er staunt zu ihm uinwandte. Als die lange, laute Singstunde endlich au» war, rannte Peter allen voran nach Hause, hielt es aber nicht aus, äuf die Mutter zu warten, die Mittag» Vas Essen Mr die Kinder au» ihrer Zugehstolle mitbrachte. Er lief aus dem Dorfe, in die Aue. Boi der großen Badelasse, der man bi» auf den Hollen Kies grund sehen kann, lag er im Grase und starrte in» Wasser. Kimen Taler hatte «r, konnte stch ein «schmucke» Schiffchen kaufen ünd hatte doch keine Freude daran, Ml er den Taler von der Häkeldecke in der ,Kantorstube weggenom- men hatte. Jetzt würden sie d« Geld vermissen, suchen, .ihn Im verdacht -haben, weil er in der Stube gewesen War. Da — ein Schritt Md «in Schellen. Breit stand in feinem grünen Waffenrock mit den blanken Knüpfen per Herr Gendarm neben dem Mtesenbusch. Sein roter Schnaiqbart stach grimmig In die Sonne. Hal schrie Peter M und taumelte, zurück. Bongel, Mo Mir nicht im« Wasser! packte ihn der Gendarm und ließ mit einem knur rigen: Mach« dich fort! den zitternden Knckbon los. Peter rannte, daß ihm die Beine flogen, Mer Pi« Mesen HM, As an den Wald, Mischen den Bäumen, un aufhörlich. Wo die Tannen weiches Dämmern übers Dickicht breiten^ WM er endlich stehen Md lehnte stch atem- -los an einen Stamm. Er fühlte nach dem verbuchten Taler im der Lisch«, faßt« einen harten Knubben «rot «md zerkncrbbert« ihn mit gierigen tMnen, gedanken los. Das macht, ihn müde,,« warf stch im« Gr« und schlief ein, ,Peter hatt« selige Träume: die Mutte, Luk LumgenMUs, umd der Vater erzählte au« seiner Soldaten, zett. Do» gaL viel Spaß. Al* er archoacht«, stand die Somme schon tief, Abemddämmern webte im Walde. Peter besann sich sogleich auf sein« Tat. Wenn er den Taler jetzt wogwürfe? Ein Rollen und Dröhnen im Walde ließ ihn die Hand leer aus der Tasche ziehen. Donner? Es -og ein Gewitter herauf, und er würde nicht daheim sein; di« Mutter Hatto immer «ine groß« Angst vor dem Ge witter. Er sah ihre müden, wehen Augen -wischen den Bäumen undi hörts sie rufen, ganz nähe: Peter, wo bist du? Komm -nach Hause! Da nahm er sich auf und -rannte waldaus, erreicht« die Landstraße und stürmt« wogein. Hinter ihm erhob stch ein Wind und fegte den Staub hochauf. Dor Himmel war schwarz ringsum und die Luft heiß und schwer von nahen Wettern. Peter sah das Dorf und lief darauf zu. Steil auf stieg der weihe Rstuch aus dem FabrUchiornMn gegen dem ÄesdunkolM Gewitterhimmel. Lautlos wie FederdauNen wirbelte «in Taubenschwarm gegen die drohende Bläue auf und vor- , Der Sturm brach los und fegte hinter Mer her, riß .ihm den Rock, die Tasche, wo der Taler, der gestohlen« Taler steckte, fast vom Leibe. Die ersten Regentropfen fielen schwer auf das,lechzende Land. Keuchend rannt« Peter,vuf da» Darf -u, fast trug ihn der Sturm, der pfeifend di« Bäum« am Woge peitschte. Nun brach der ,Regen los aus dem abgehetzten Jungen, der, de» Laufens Müde, zitternd einhielt, einem Unterschlupf -u suchen. Es -rar nvchtdumkel geworden auf ddr Landstraße, als der erst« Witz schlohgolb prasselnd ntederfuhr. Kaum zehn /Schritte weit sah Peter im lohenden Feuer ein finsteres HiMschsn, «ine offen« Mr, da« eisern« Lransfornwtorhäu» chen. Der Wärter war nebenan unter den offenem Dach- schuppen getreten, wo di« großen Kobelrollen^lagen. Mit letzter Kraft huschte Peter in das Transfmmratorhäuschen. Hinter ihm warf der Sturm schmetternd die schwer« Gifen- Mr zu. Da stand der Junge mm im stockdunklen, engen Mum«, spürte d« hüte Eisen vor stch und im Rücken, an dm Setten, härt, ein unablässig« leffes Summen und Brummen drinnen in der Finsternis und Enge, erzittert«