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Einsam schreitet Nachts der Wächter Auf dem feuchten^ Straßenpflaster, Und der Bürger trinkt behaglich Punsch und raucht sein Pfeifchen Knaster; Unter'm Rocke wollne Jacken Trägt der sorgliche Philister, Und im Schlafrock und Pantoffel An dem Tische lesend sitzt er. Seht: dann fliegen überraschend Wie ganz winzige Gespenster Jene kleinen weißen Sterne An die Scheiben unsrer Fenster, Und dann blicken wir Erfahrnen Ganz bedenklich in die Höh'; Doch die Kinder springen jubelnd, Rufen laut: „Der erste Schnee!" Frohe Frühlingszeit der Jugend! Ja, Du kannst, Du darfst noch lachen, Weißt es nicht, wie es so weh thut, Winternächte zu durchwachen; Dir, Du frohe Jugend, ist der Erste Schnee ein heitrer Bote, Der Dir kündet, daß der Schneemann Bald nun kommt, der putzig todte, Der Dir kündet, daß Du traulich Bei dem Knistern rother Kohlen, Vor dem Ofen Du kannst lernen, Was der Lehrer Dir befohlen; Der Dir kündet, das nun bald nicht In der Ecke müßig liegen Mehr die Flügel Deiner Füße, Auf dem Eise hinzufliegen; Der Dir sagt, daß täglich näher Kommt vas sroyilchire oer Feste, Das zu Dir herniederbeuget Schwer beladne Tannenäste; Nur die heitre Sette stehst Du, Nicht des Winters bittres Weh, Das sich aus so Viele senket Nieder mit dem ersten Schnee! Ja, des Winters Weh! eS lastet Noch auf Vielen harte Trübsal, Und es drücken stiller Kummer, Nahrungssorgen sonder Labsal, Und des Winters Schrecken lagert Sich ergrimmt um manche Hütte, Und der Wandrer frieret nächtlich Auf der kalten, feuchten Schütte; Redlichkeit kann kaum erschwingen Den ersehnten Nahrungsbissen, Zitternd legen sich die Kinder Nieder auf ihr dünnes Kissen: Und so drückt des Winters harte Zeit auf manches Braven Leben, Dem des Glückes neid'sche Launen Nicht mit ihrer Gunst umschweben, Den das Schicksal flicht will lächeln, Bis sich aus deS Himmels Höh' Auf sein Grab herniedersenket Feierlich der erste Schnee. D'rum begrüßen wir die ersten Flocken nicht mit lauter Lust; Denn eS fühlt des Winters Leiden Jedes Menschenfreunde- Brust. Gorgen soll die Bruderliebe, Daß der Winter nicht auf'S Neue Tausende, ja Million?» Wieder alten Sprgen weihe — Jedem Speise, warmes Zimmer, Auf daß nicht der alte Kummer Von dem dürft'gen Lager scheuche Fort den heiß ersehnten Schlummer; Daß ein Jeder an dem grünen Tannenbaum der Weihnacht finde Etwas, das ihn mild erheitre, Von dem reifen Gotteskinde! — Mög' die ächte Bruderliebe Schwinden machen manches Weh, Wie ein Strahl der Mittagssonne Lächelnd schmilzt den ersten Schnee! Der Dippoldiswaldner Kalender für 1857. Der Jahreswechsel rückt heran, und mit dem neuen Jahre wird auch das Bedürfniß nach dem alten Zeit messer, dem Kalender, wieder wach. Mancher Bürger und Landmann, der sonst für gedruckte Schriften nicht viel mehr ausgiebt, als etwa für die nöthigen Schulbücher seiner Kinder, der macht doch auch um die Weihnachtszeit seinen Besuch bei dem Buchdrucker oder Buchbinder, und sucht sich von den unterschiedlichen Kalendern, die man ihm vorhält, den heraus, der ihm als der passendste erscheint. Welcher ist das aber? Vor Alters war man zufrieden, wenn man neben den Monatstagen den Sonnenaus- und Untergang und den Mondenlauf gehörig verzeichnet fand, wenn die Jahr märkte der Umgegend nicht fehlten und etwas lOOjähriger Kalender die Leute belehrte. Einige schlechte, sogenannte Kulrnocrwlße nialylen vcn Kram vollständig. Aber schon seit Jahren hat's Leute gegeben, die etwas Besseres aus dem Kalender zu machen verstanden, die durch unter haltende und belehrende Artikel ihren Lesern zu verstehen zu geben wußten: Ein Jahr ist wieder herum, in dem mancherlei Neues in der Welt passirt ist, Neues, was Ihr Euch aneignen und zu Nutze machen müßt, aber auch Neues, von dem Ihr Euch zu büten habt; — die auf leicht verständliche Weise den Bürger und Landmann über Sachen iu's Klare brachten, über die er Dieses und Jenes hat sagen gehört. Wenn der Kalenderkäufer das gefunden hat, dann ist das dafür ausgegebene Geld sicher kein verlorenes. Welcher enthält aber das Alles? da ließen sich wohl mehre namhaft machen, wie es auch mehre alte giebt, die da nicht haben mit der Zeit sortschreiten mögen, und mit der Jahreszahl 1857 so altmodisch und unpraktisch aus- sehen, wie vor 50 Jahren. Der Dippolhiswaldaer Kalender, der nach den oben angeführten bessern Grund sätzen seit einigen Jahren bestrebt ist, Belehrung und Unterhaltung, so gut und so reichlich als möglich, zu geben, ist unter dem Titel: „Der sächsische Haus freund" auf'S Neue wieder fertig geworden und er wartet, daß seine Freunde, die sich Zeit seines Erscheinens von Jahr zu Jahr bedeutend gemehrt haben, ihm treu geblieben sein, auch neue Freunde wiederum zuführen werden. Hatte der Verleger schon für 1856 eine große Anzahl mehr gedruckt, als das Jahr zuvor, so hatte er doch schon zum neuen Jahr keinen einzigen mehr auf dem Lager, und hat sich deshalb genöthigt gesehen, um alle Bestellungen sicher zu befriedigen, in diesem Jahre noch einige tausend mehr zu drucken. Daß dieser erfreuliche Umstand auch einen Neider wach gerufen hat, was thut'S?