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IVr. S«. Weißerih-Zeitung Freitag. Erscheint Dirnstag« »nd Freitag». Zu beziehen durch alle Postanstal ten. Preis pro Quart. lONgr. 5. Pecember 1856. Inserate werde» mit 8 Pfg. für dk Zeile berechnet und in alle» Expeditionen angenommen. Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann. Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Tagesgefchichte. Dresden, 29. Nov. Gestern Abend brachte die hiesige Bürgerschaft unserm Königshause eine recht solenne Huldigung, einen wirklich großartigen Fackel zug. Ueber 2900 Personen — der gesammte Stadt rath und die Stadtverordneten, sämmtliche Gewerke, die hier bestehenden Gesangvereine, die Bogen-, die Scheibcnschützengesellschaften, die Künstler, Lehrer und viele Andere — bewegten sich von ihrem Versamm lungsort, dem Gewandhause, durch die Moritzstraße über den Neumarkt, die Augustusstraße, den Schießplatz und durch das Grüne Thor in den Schloßhof. Der kolossale, wohlgeordnete Zug hatte über 1500 Wachs- fackeln und zahllose Fahnen und war wirklich so großartig, wie wir hier noch keinen gesehen. Im Schloßhofe bildete er ein großes Quarre, in dessen Mitte durch Fackelträger die Buchstaben ? und -V lmit rochen und weißen und grünen und weißen Fackeln) gebildet wurde. Nachdem die Sänger zwei Lieder gesungen, sprach Oberbürgermeister Pfotenhauer in ergreifender Weise einige Worte und brachte, während ein Kranz von bengalischem Feuer die beiden Buchstaben umgab, dem König, dem KönigShause, dem Großherzog von ToScana, den Neuvermählten und den jüngst von unS Geschiedenen ein von lebhafter Acclamation begleitetes Lebehoch auS. Ihm folgte bas Sachsenlied, während dessen die drei Bürgermeister und daS Direktorium der Stadtverordneten in daö Schloß bcschieden wurden und den allseitigen herzlichsten Dank der Herrschaften empfingen. Während der ganzen Feierlichkeit standen die Letzter» trotz der großen Nacht, kälte mit bloßem Haupte auf dem Balkon des Schlosses, Dresden. Durch den offenbar betrüglichen Bank, rott eines hiesigen Kaufmanns sind mehre Fabri kanten sehr benachtheiligt worden. Der Betrüger (C. Becker), über den in Berlin sehr ungünstige Nach richten eingingen, hatte es vor einiger Zeit so einzu richten gewußt, daß ein Berliner Fabrikant, der sich zu ihm begeben hatte, um über seine Lage Erkundi gungen einzuziehen, sich mit ihm zu einigen vermochte, war dann nach Berlin gekommen und hatte auf Grund dieser Einigung nicht nur bei seinem alten Gläubiger neuen Credit erhalten, sondern auch bei andern Per sonen sich Gelder zu machen gewußt, angeblich, um in Hamburg Einkäufe zu machen. Schließlich hatte er seine Berliner Geschäftsfreunde an seinem Geburts tage zu sich eingeladen und mit ihnen diesen Tag vecht vergnügt gefeiert. Statt aber am andern Tage, wie er gesagt, nach Hamburg zu fahren, begab sich der Kaufmann mit 3000 Thlrn. in baarem Gelbe und mit 5000 Thlrn. in Wechseln nach Hause und ließ von dort aus durch einen Rechtsanwalt sein Fallisse. ment erklären, nachdem er selbst verschwunden war. Die Anerbietungen, welche der zeitige Privatcuralor der Masse macht, find so geringfügig, daß dec Schaden für die Betrogenen nicht unerheblich sein wird. Trotz aller telegraphischen Anfragen nach Hamburg und Bremen und obwohl die dortige Hafenpolizei auf den Entflohenen fahndet, ist man doch bis jetzt seiner nicht habhaft geworden. — Am 3. Dccbr. Morgens 4Uhr kam ein reisender Handelsmann aus Scheibenberg mit dem Zuge von Breslau hier an und starb plötzlich am Schlagfluffc in der Restauration des Leipzig-Dresdner Bahnhofes. N ermischtes. Zn KLln ist ein von den angesehensten dastgen Beamten und Bürgern unterzeichneter Aufruf zur Errichtung eines Monu- mentö für König Friedrich Wilhelm III., zur Erinnerung an die „dauernde Wiedervereinigung der Rheinprovinz mit Deutsch land und ihre glückliche Verschmelzung mit Preußen unter dem mächtigen Seepter dcrHohenzollern," erschienen. Die Patrioten der ganzen Rh-lnprovinz, zunächst aber die Bürger Köln«, wer den ausgefordert, Beiträge für ein auf einem öffentliche» Platze Kölns zu errichtendes großartiges Monument bcizusteuer». Auch der kleinste Beitrag wird angenommen. AuS Groß-Kanlscha in Ungarn wird über einen Raub- m ord geschrieben: „In einem Dorfe unweit Szigethvar lebte ein armes Mädchen, eine Waise, daS sich seit einer Reihe von Jahren 220 Fl. erspart und dem OrtSrichter zur Aufbewahrung übergeben hatte. DaS Mädchen wollte nun heirathen und kün det« dem Richter da» Capital, der In drei Tagen Rückzahlung zu leisten versprach, die auch am 18. Nov. erfolgte. Als da» Mädchen nnn mit der Baarschaft in daSDorf, wo ihr Bräutigam wohnte, gehen wollte, wurde eS in einem Gehölz von zwei »ev- mummten Personen überfallen und mit einem Küchenmesser er mordet. Die Mörder hatten das PlündcrungSgeschaft kaum beendet, als sie zwei Gendarmen erblickten und sofort das Welte suchten. Die Gendarmen finden noch den warmen Leichnam deS Mädchen«, aus dessen Brust sie das Messer zogen unvrn daS Dorfgingen, um von dem Richter die nölhige» Personen zum Transport dcö Leichnams zu requirtren. Der Richter war jedoch nicht zu finden, und während der eine Gendarm denselben aussuchen wollte, legte der andere da« blutige Messer auf den Tisch, worauf die Richterin in die Worte auSbricht: „Ei, wer hat denn unser Messer weggetragen?" Hierdurch aufmerksam gemacht, wollten dieGendarmen die Frau befragen; indemsclbeu Moment aber trat der Richter ein und legte seineBunda ab, ohne zu ahnen, daß auf seiner Weste Blutspuren sichtbar wurde». Was nun geschah, ist leicht zuerrathen; der Richter wurde gepackt und sammt seinem Complicen, einem Geschworenen, bel dem sich noch daö Geld vorfand, nach Szigethvar abgefllhrt, wo sie, ihres Verbrechen» bereits elngeständig, der Strafe harrcn.