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Ich war so in mir vergnügt, daß ich mir das Rauchen abgewohnte? CS war ein wahrer Geiz in «ich gekommen und ich ruhte und rastete nicht, bis ich wieder ein Anständiges beisammen hatte, und am Tage vor Jacobi trug ich wieder eine ruybe Summe hin und der Finanzrath Menniflger, der die Sparkasse aüS Menschenfreundlichkeit mitverwaltete, wünschte tnir Glück und trug das AuSgehändigte ein mit den Worten: ^Heute fünf Thaler erhalten." Aber seltsam! Als ich den zweiten Eintrag überlas, war meine Freude bei weitem nicht so groß, als wie ^daS erste Mal. „Es geht doch langsam," dachte ich verstohlen in mir, „du brauchst lange, ehe du zu etwas Erklecklichem kommst —" aber ich hieß den Gedanken schweigen und war bald wieder lustig und guter Dinge. Wenn ich am Tage, besonders aber Abends an dem Gebäude vorüberging, darin die Sparkasse war, sagte ich fast laut vor mich hin: „So, da oben bist du, mein Geld, du ruhst Tag und Nacht nicht und verdienst dir Zinsen; das ist gut, eö schafft jetzt noch Eins für mich und ich will dir schon nachhelfen, will dir neue Recruten schicken." Hätte ich daS nur immer vor mich hingesprochen! Aber lch sagte eS bald auch einem Nebengesellen, einem Pfälzer, der uns zugereist war, der zuckte die Achseln und lachte spöttisch über meine kindische Genügsamkeit. „WaS willst Du mit dem Bettel anfangen?" sagte er. „Die reichen Leute allein, die haben'S gut, die essen und trinken und schlafen und lassen dieweil ihr Geld arbeiten und wenn sie in der Frühe erwachen, so können sie „Guten Morgen Feierabend" sagen. So lange man das nicht kann, ist man ein armer Schelm." Ich kümmerte mich wenig um seine Worte, ich war ja nicht arm und war auch kein Schelm, aber wie Vas so geht, eS bleibt doch etwas in Einem stecken. ES sind zweierlei Menschen in Jedem und eS kommt darauf an, welchen man anruft. Ich ließ mich verleiten, wieder ein Bischen zu rauchen und auch sonst kleine Ausgaben nicht zu scheuen, ich wollte mein junges Leben genießen und eS bauert ja doch so lange, bis man auf diesem Wege etwas Erkleckliches vor sich gebracht hat. Dennoch war ich dabei nicht glücklich und holte mir zu meinem Tröste oft am Sonntag Morgen mein Sparbüchlein auö der Truhe und freute mich, daß daS Alles da d'rin so feststeht und mir doch nicht durch die Finger laufen kann. ES wat eine gedruckte Zinsenberechnung mit in dem Büchlein und ich wollte auSrechnen, wie viel mein Reichthum bereits ertragen habe; sieben Thaler ertragen zu fünf vom Hundert jeden Monat zehn Pfennige und fünf Thaler ertragen sechs Pfennige monatlich, und jenes im Jahr zehn Silbergroschen und sechs Pfennige und dieses sieben Silbergroschen sechs Pfennige. Ja, daS stand Alles da, aber ich hatte nicht zu gleicher Zeit und gar nie am ersten eines MonatS eingelegt und mit den Tagen, Wochen und den Bruchtheilen konnte ich nicht auS- ckommen. Mein Wälzer dagegen war ein fertiger Rechner und Schreiber, er sagte mir aus Heller und Pfennig hin, was ich zu fordern hätte, und sang mir meinen ganzen Reichthum in der Weise deS Jägers ,von Kurpfalz vor, warf mein Büchlein an die Decke und rief: „Da fliegt der ganze Reichthum Peter Werners, des großen Kapitalisten!" DaS Büchlein fiel auf'S Angesicht und mir war'S, als wäre eö gekränkt. Ich hätte eö gern um Verzeihung gebeten, als ich eö abwischte, ich versteckte eö in meine Truhe und zeigte eS nun meinen Nebengesellen nicht mehr. - . ? Da brach gegen Weihnachten ein großer Brand aus in her Stadt und ehe man Hilfe bringen konnte, schlugen die Flammen aus dem Hause, rv-rln die Sparkasse war. Mir brach daS Herz im Leibe, als ich das sah, und ich weinte, als ich hörte, däß daS Hauptbuch verbrannt sei. Mein ganzes Besitzthum war jetzt auf einmal dahin. Mein Nebengeselle aber lachte mich aus und sagte: „Du Narr, was weinst Du? Der Staat hat ja die Sparkasse garantirk und Du hast ja Deinen Schuldschein. Der Staat muß Dich bezahlen." Ich war beruhigter, denn leider ist eS ja so und noch jetzt unter gar vielen Menschen, baß sie meinen, was der Staat leisten muß, das kommt aus einem unsichtbaren Beutel, der vom Himmel herabhängt, aus dem man nur zu nehmen und nie hinein zu thun hat. Jetzt zeigte ich meinem Pfälzer wieder mein Büchlein, gab'S ihm aber nicht in seine Hand, und er fand Alles in Ordnung. Als wir aber NachtS im Bett schliefen, weckte er mich und rief: ,-Peter, wir werden Beide reiche Leute und wir kennen eS auch dahin bringen, daß unser Geld für uns arbeitet und wir thun gar nichts mehr, als spazieren fahren." Ich meinte, er träume noch, aber er erklärte mir, daß wir Beide nach Kalifornien auSwandern, wo man daS Gold aus dem Boden gräbt. DaS war mir schon recht; aber ich wußte nicht, woher das Reisegeld nehmen. Da sagte er, daß mein Sparkassen geld dazu auSreiche. „Du hast eS ja einen Bettel geschimpft?" fragte ich. „DaS ist'S nicht mehr," er- widerte er, Licht anzündenv. „Mir ist im Schlafe eingefallen, wie daS zu machen. Komm, steh' auf, gieb mir einmal Dein Büchlein her." Mir war selber, als wenn die geschriebene Zahl sich durch ein Wunder in Hunderte und Tausende verwandelt haben könnte, ich sprang aus dem Bette, schloß meine Truhe auf und holte mein Büchlein. „Richtig!" rief der Pfälzer. ,,Gut ist's I Prächtig! DaS wirb kein Mensch anders sehen. Hier steht: „Heute fünf Thaler erhalten." Das Wort „heute" wird sonst nie geschrieben, wirst sehen, wie ich Heren kann. AuS dem Worte „heute" mache ich „hundert". Dann haben wir genug und wir können mit Gold klumpen Fangball spielen." Ich zitterte am ganzen Leibe und rief: „DaS thue nicht! DaS kannst Du nicht! DaS darf man nicht! DaS kann man nicht!" „Gieb her, ich will Dir'S zeigen," sagte er. Noch widerstrebte ich, aber der böse Geist regt» sich als Neugier in mir und ich sagte: „Wie willst Du da- machen? Probir' zuerst auf einem andern Papiere, Du verdirbst mir sonst mein Büchlein und ich komme in Ungelegenheit und verliere noch DaS, was mir gehört." Die Feigheit des bösen Willens gab mir ein, das zu sagen; ich hoffte, daß er eö nicht machen könnte, um dadurch von meinem bösen Gelüste erlöst zu sein, und wünschte doch wieder, daß er es könne. Matt ist in solcher Lage wie besessen, wie vom Wirbelwind gefaßt. / . „Gieb her!" schrie der Pfälzer, und mach' mich nicht zornig,.sonst zittert meine Hand und ich verderbe eö unnölhig."