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Erscheint Dienstag» und Freitag». Zu beziehen durch alle Postanstal- trn. Preis pro Quart. tüNgr. . ..... . ,.K .. ...., . .Ä»ft«st« . werde» mit Wecherüi-Zeltuna.^ s Expeditionen angenommen. Ein unterhaltende- Wochenblatt für den Bürger und Landmann. Verantwortlicher Rcdacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Die augenblickliche Geldklemme. Unter der angenblicklichen Geldklemme meinen wir nicht diejenige, in welche manches Menschenkind dann und wann zu kommen pflegt, sondern die gegen wärtige Geldverlegenheit auf dem großen Geldmärkte, an den Börsen. Bor etwa 2 Wochen hat mancher Geldmann, dessen höchste Seligkeit hohe Course der Staatspapiere und der Jndustrieaetien sind, schlaflose Nächte gehabt, als die Preise dieser Effecten immer niedriger wurden. Gleichzeitig haben die Banken die Zinsen erhöht, gegen welche sie Silber leihen. Nun tonnte mancher unserer Leser einwenden: ach, was geht uns das an, wenn die Banken ihren Zinsfuß, oder wie man sagt, ihr Disconto erhöhen? Wenn die Banken das Disconto erhöhen, so heißt das: der Preis, für welche Capitalien zu haben sind, wird theurer. So bald die Banken einen höheren Zinsfuß fordern, so thun'ö ihnen andere Geldleute nach, .und schon gegen wärtig ist Geld kaum noch, zu 4 pro ovul zu erborgen, man fordert 4'/r bis 5 pro «ent. Es kann so nach und nach-dieselbe Erscheinung eintreten, die vor80—100 Jahren allgemein war, daß man Geld nur gegen eine Berzinsung von 5 pro ceut verleiht. Durch hohe Zinsen werden aber alle Diejenigen bedrückt, welche Geld zu leihen genöthigt sind': die Besitzer von Häusern, die Grundstücksbesitzer, Fabrikunternehmer, die Handels welt. Die Bertheuerung der Capitalien, denn das ist das erhöhte Disconto, macht ihre Folgen von dem Fabrikherrn weiter geltend auf 'dessen Arbeitspersonal und auf die Produkte, welche der Landmann aus den Markt bringt. Woher kommt es aber, daß in den jüngsten Wochen der Zinsfuß sich erhöht hat, und daß die Jndustriepa- pierc, und selbst die Staatsschuldenscheine im Preise gefallen sind? Zunächst daher, daß nach dem Fluge der ersten Friedenstaube von Petersburg her in allen Ländern massenhafte großartige Gewerbsunternehmungen ent standen sind. Wer zählt die Steinkohlen- und Braun kohlen-, die Schieferbruch- und Brauereiunternchmungen, die Dampf- und Schleppschifflinien, die Eisenbahnen, welche auf einmal unternommen wurden? und dazu kommen noch die Massen von Kreditbanken, welche nicht nur in Frankreich, sondern in fast jedem deutschen Ländchen entstanden. Mancher zeichnete zu diesen Unter nehmungen, die wie Pilze aus der Erde schossen, mehr Actien, als er voll einzuzahlen im Stande war. Die meisten Zeichner beabsichtigten nur, diese Papiere bald wieder zu verkaufen und davon zu profitiren. Ehe jene Effecten auch nur einen Deut wirklichen Ertrags ein gebracht hatten, wurden sie zu einem schwindelnd hohen Course hinaufgetrieben. Die Klugen zogen sich zurück, und entledigten sich mit Profit ihrer Papiere. Die gegenwärtigen Inhaber müssen nach und nach die Normalsumme cinzahlen, und nun macht Mancher die Entdeckung, daß er nicht Geld genug hat, alle gezeich neten Papiere mit baarem Gelds einzuzahlen. Was bleibt da übrig, als daß eine Anzahl Papiere auf der Börse, dem Herzen alles Geldzuflusses, zum Verkauf ausgeboten werden, um nur baares Geld einzütauschen? Wenn nun viele Leute zu dem gleichen Manöver sich entschließen müssen, so müssen Notywendig die zum Ver kauf angebotenen Papiere in gleicher Weise im Preise sinken, wie jede Waare, welche zu massenhaft auf den Markt kommt. , Eine weitere Ursache, daß das Silbergeld jetzt immer knapper wird, und daß demnach die Papiere fallen müssen, liegt darin, daß gegenwärtig außerordent lich viel Silberaeld nach China' und Ostindien geht. In China, diesem unermeßlichen Reiche, dessen Ein wohner sehr betriebsam sind, wälzt sich eme furchtbare Revolntion, die das Eigenthum bedroht^ von Provinz zu Provinz. Chinesische Kaufleute und andere dortige Privatpersonen verkaufen ihre Maaren und Habselig keiten 60 pro cenl unter dem wahren Werthe, um sie den Händen der Räuber zu entziehen, aber natürlich nicht gegen unser Papiergeld, sondern nur gegen Sil der. Die Kaufleute Englands und des europäischen Continents machen jekt dort enorme Geschäfte, aber dadurch werden ungeheure Massen Silbergclds nach Asien Leschafft und dem europäischen Markte entzogen. Am beliebtesten sind in Ostindien und China die spani schen Thaler mit dem Gepräge der Säulen des Herkules. Zu dieser Prägung besitzt Rothschild ein Privilegium von der spanischen Regierung, und der industrielle Mann geht dermalen in seiner Betriebsamkeit so weit, daß er nicht nur alle Sorten Thaler, deren er habhaft werden kann, sondern sogar preußische Zweigroschcn- stücke, die -och einen bedeutenden Kupferzusatz haben, umschmelzen läßt und ihnen das Gepräge der Herku- lessäulen-Thaler giebt. So schafft der gute Mann den Kaufleuten, die in Asien so treffliche Geschäfte machen, Geld, so viel sie brauchen; er verdient dabei ein artiges Sümmchen, aber er entzieht nns viel Silbergeld. Noch eine Ursache des augenblicklichen Fallen der Werthpapiere war der schlimme Stand der Be ziehungen der Seemächte und Oesterreichs' zu Heapei. Nachdem die Unterthanen Ihrer sicilianischen 'Mgjestat so sehr beglückt worden waren, daß dieses Glück selbst Ludwig Napoleon nud den Engländern und auch Oesterreich zu groß wurde, hieß es auf einmal, die Westmächte würden in Nächster Zeit ein Geschwader in den Golf von Neapel senden, um ihren Vorstellungen