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Ein großartiger Diebstahl. Wir berichtetest in der vorigen Nr. d. Bl, von einem bedeutenden Verluste, den di« französische Nordbahn-Gesell schaft zu beklagen hab« durch die Flucht zweier Beamter, Carpentier und Grellet, welche ungeheure Summen mit sich genommen haben. Das Geheimnis,, das den begangenen Diebstahl bisher deckte, sängt nun an, nach und nach enthüllt zu weiden. Die Direktoren hatten anfänglich angegeben ,, der Verlust betrage 6 Millionen Francs; doch ist diese Angabe keineswegs genau gewesen, wie sich später herauSsteütt; «S ist nämlich darin nur die Rede von einem Verlust an Aktien, während die Hassen von den Dieben ebenfalls fast ganz geleert wurden. In der kleinen Kasse befanden fich allein l,800,000 Fr. Was den Verlust, den die Nordbahn selbst gehabt hat, betrifft, so ist derselbe noch gar nicht genau ermittelt worden; ja, es wird sogar schwer fallen, denselben sicher constatiren zu können, weil fast alle Belege von den Dieben vernichtet wordtn find. Die Summe, welche die Diebe entwendet haben, schätzt man auf 30 — 32 Mill. Die Nordbahn- gesellschaft soll dieselbe jedoch nicht allein tragen, sondern die Herren Rothschild, Andre? und de Morny mit 10 Mill, persönlich dabei betheiligt sein. Carpentier, Grellet und Consorten müssen schon seit längerer Zeit an der Ausführung ihres Projekts gearbeitet haben, denn sie hatten schon vor ihrer Flucht große Summen realifirt und schon vor sechs Monaten ein Dampfboot in England für die Summe von 1,800,000 Fr. angekauft. Aus den Papieren, die man nach ihrer Flucht ausfand, gehl auch hervor, daß sie ein Haas in Neuyork käuflich an sich gebracht haben. Letzteres ist der Grund, warum man glqubt, daß sie sich von England aus nach Amerika begeben haben. Wie lange Carpentier -und Grellet ihre Unterschleife trieben, konnte bis jetzt nicht genau bestimmt, sondern nur herauSgebracht werden, daß sie schon längere Zeit Aktien an der Pariser Börse verkauften. Um bei der Revision der Aktien, die ihnen anvertraut waren, die da sein sollende Anzahl vorweisen zu können, hatten sie aus ganz schlaue Weise gehandelt. Diebei der Administration deponirteu-Aktien sind nämlich in Packeten von 1000 Stück, welche zusammengchcstet sind, aufgehoben. Mit Wlfe der ihnen ergebenen und von ihnen erkauften Unterbeamten entnahmen sie jedem der verschiedenen Packet« 2 — 300 Aktien und hefteten die übrigen-wieder zusammen. Bei der Revision, die gerade nicht fthr gewissenhaft vorgenommen worden zu sein scheint, waren also immer alle Aktien vorhanden, und die Diebe konnten daher schon eine bedeutende Summe realisiren, ehe sie ihren letzten Hauptschlag ausführten. Carpentier ver ließ zuerst Paris. Er hatte fich von Hrn. v. Rothschild einen viertägigen Urlaub ausgebeten und ihn auch erhalten. Bei dieser Gelegenheit hatte Carpentier noch eine längere Unterredung mit Rothschild, der ihm sehr wohl wollte und ihm die Stelle eines HauptkasflrerS bet der Nordbahn verschafft hatte. ES ist daher leicht erklärlich, daß Roth schild aufs höchste über daS Betragen seines Schützling entrüstet ist und Alle- aufbietet, um sich desselben zu bemächtigen. Als er dem'Beamten der Nordbahn, der mit Polizeiagenten zur Verfolgung Carpentier'S abgescndet wurde, seine Instructionen gab, eröffnete er demselben einen unbeschränkten Crediti Er sagte ihm, er solle vor keinen Kosten und vor keinen Mitteln zurückschrccken; er wolle gern lO Millionen ausgeben, um.Carpentier in seine Gewalt zu bekommen, und wenn man irgend wie seine Auslieferung verweigere, so möge er ihn mit Gewalt wegsühren. Von Pari- begab sich Carpentier am 31.Aug. direkt nach London und von dort nach Liverpool, wo das von ihm gekaufte Dampfschiff lag. Er ließ dasselbe sofort reisefertig machen und gewann die hohe See, wo erfein« Genossen erwartete. Während der Abwesenheit Carpew- tier's war Grellet mit der Führung der Kaffen beauftragt worden. Tage, wo die Beamten und Arbeiter der Nokdbahn bezahlt werden sollten, erschien derselbe Nicht. Der Chef des Beamtenpersonals benachrichtigte Rothschild, daß Grellet nicht gekommen sei. Rothschild, der von allen Kaffen einen Zweiten Schlüssel hat und der nichts Arges ahnte, begab fich nach der Administration, um die zur Bezahlung der Beamten nöthigen Gelder herauSzugeben, Er öffnete die kleine Kasse, fand dieselbe aber leer und gab nun dem Chef den Befehl, das strengste Schweigen darüber zu bewahren, da er dafür gut sage. Hierauf öffnete er die große Kasse; Lieselhe war gleichfalls leer. Erst später stellte sich der Verlust an Aktien heraus. Man traf natürlich sofort alle Maßregeln; aber die Diebe hatten einen großen Vorsprung gewonnen, denn, wie man in Liverpool erfuhr, hatte Grellet sich auf einer Barke nach dem' Dampfschiffe begeben, wo Carpentier auf ihn wartete. Mit Carpentier und Grellet verschwanden zugleich vier Unterbeamte der Nordbahn. Carpentier nahm auch seine Maitresse, eine Mademoiselle Georgette, mit sich, die er in Paris auf sehr glänzende Weise unterhalten hatte. Carpen- tier und Grellet find beide noch sehr junge Leute. Ersterer ist blond, sieht sehr schwächlich auS und hat ganz VaS Aussehen eines Menschen, der an der Auszehrung leidet. Grellet gehört einer sehr guten Familie an. Derselbe besaß selbst ein bedeutendes Vermögen. Man schätzt dasselbe auf 500,000 Fr. Seine Mutter lebt noch. Dieselbe wurde wahnsinnig, als sie die That ihre« Sohnes erfuhr. Sein ldheim von mütterlicher Seite, «in Hr. Planchet, ist ein sehr geachteter Mann. Ein anderer Oheim bekleidet eine hohe Stelle in der französischen Magistratur. Die Vermuthung, daß die beiden jungen Leute zu ihrem Ver brechen durch Lorettenwirthschaft und Börsenverluste hin getrieben worden seien, ist falsch. Dieselben führten im Gegentbeil ein sehr regelmäßiges Leben, und wenn sie in der letzten Zett viel Geld ausgaben, so war dies nur die Folge ihres Verbrechens; sie wurden aber keineswegs zum Verbrechen hingetrieben, «eil sie fich in toll« Schulden ge stürzt hatten. Es waren einmal zwei glte Soldaten.*) Eine alte Historie von Edmund Hoef«r. Na also! — ES waren einmal zwei alte Soldaten, ein paar Blitzkerle und Haupthähne,, sag' ich euch; die dienten Sr. Majestät, dem allergnädigsten König, seit unvordenklichen Jahren getreu und tapfer, wie ein christlich KrieaSvolk soll, und von ihren jetzigen Kameraden hatte sie keiner mehr als Rekruten "gekannt. Selbst der Herr Oberst, der bei diesem Regiment vor vielen Jahren äuch Cornet gewesen, hatte sie damals schon als gediente Leute dabei gefunden. Kurz, ihr Jubiläum mochten sie wohl bereits erlebt haben; bri den alten Burschen hatte jedoch niemand darnach ge fragt, In der Stammrolle und Regimentsliste oder da so herum müßte freilich von ihrem Alter zu lesen stehen; aber mit solchen Listen ist eS nicht so, als steh nur'n mal hinein, — dazu muß man schon was AparteS sein, und'n gemeiner Soldat wird darin nicht nach geschlagen. ') Aus dcn von Hackländer und Hoeser «digirten,,HanS- blätier» für ISS«."