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von einem edlen Geber in Bremen, werden zur Hälfte an St. Ingbert, zur Hälfte nach Algier zur Gründung eines evang. Waisenhauses gewiesen» — He nächste Jahresversammlung soll auf Past. Eberl's > Einladung ,n Kassel abgehalten werden. — AbsndS. 9 Uhr hielt noch Past. Meyer aus Paris über die Zustande der oortigen deutschen Evangelischem unter Assistenz von Großmann jun. und Prof. Dpnner von Göttingen eine», Bvttrag im Lindenhof. Heute haben die Mehrzahl der Abgeordneten und Gäste die Ein ladung zu einer Fahrt nach Brcmerhafen ange nommen. z > ' ' Wie die Russen den Friedensvertrag anslegen. Di« Russen habrn in den letzten Wochen an der - Ostsee und der Donaumündung wieder einmal von sich reden gemacht. An der Donau haben sie die beiden brssarabischcn Festungen Reni und Ismail zerstört und die Schla'ngeninsel^ welch« auf der Mündung der Sulina <d«6 Hauptarms der Donau) liegt, besetzt. In der Ostsee tritt jetzt der Plan zu Tage, eine neue See festung Schweden gegenüber anznlegen. Jede dieser drei Nachrichten hat großes Aussehen gemacht. Man hat gesagt: „Seht, Rußland verfolgt schon wieder seine alten Er- oberungspläne; der Frtedensvertrag, den es nur eben unterschriebe», bindet es nicht einmal: ist das nicht Treu bruch und Äerrath?" Wenn man die neuere Geschichte Rußlands etwas genauer kennt, so sollte man sich über kühne Schachzüge deS Petersburger Cabinets gar nicht wundern, und im" vorliegenden Falle über de» Vertragsbruch nicht klagen, ohne letzteren aus dem Friedenscontracte Nachweisen zu kirnen. Wer sich die Mühe geben will, diesen Vertrag zu lesen, wird finden, daß Rußland mit jenen Schritten, die so viel Aufsehen gemacht haben, auch nicht gegen einen Buchstaben deS Vertrags verstoßen hat; daß aber all' jene Schritte dem Geiste und Zwecke des Vertrags un- zwriftlhast zuwider sind. Wer aus diesen zwei Thatsachen den Schluß machen will, daß ein Vertrag, welcher sich nach , einigen Wochen in den wichtigsten Punkten umgehen läßt, nicht sehr geschickt gewacht, nicht scharf abgefaßt sein muß, mit dem können wir nicht rechten. Rußland scheint in der. Ostsee die Insel Kaskö zu einer ähnlichen Festung, wie Bomarsund war, gegen Schweden bestimmt zu haben. Kaskö ist einer der besten Häfen Finnlands; bis zum Marktplatz der Stadt hinein können im Kaskösund die größten Schiffe vor allen Stürmen sicher liegen. Wird dieser herrliche Hafen, der langer als die umliegenden Küsten eisfrei bleibt, zu einem großen befestigten Marineetabliffement bestimmt, so dürfte er ein ziemlich bedrohlicher Punkt gegen Schweden werden; Rußland kann hier seine Pläne von Bomarsund verwirkli chen. Wenn aber auch dies Alles geschieht, handelt damit Rußland gegen den Wortlaut des Pariser Vertrags? Mit nichtcn. Die betreffende Stelle des Vertrags heißt wörtlich: ,,Drr Kaiser aller Reußen erklärt, daß die Alandsinseln nicht befestigt werden sollen, und daß daselbst ein militärisches oder maritimes Etablissement weder unterhalten noch begründet werden soll." Das ist Alles,, was hierüber im Vertrage steht. Kaskö liegt nun "nicht auf den Alandsinseln, sondern 15 Meilen nördlicher, und für sich ist es nicht mit einer Silbe im Vertrage erwähnt. Die Anlegung eines KriegShafcns daselbst ver- - stößt also nicht gegen den Pariser Vertrag: Aber die Meinung der übrigen PaciSeenten scheint freilich ge wesen zu sein, Schweden Kegen all« „Drohenden Punkte" Rußlands zu schützen. Wenn dies deß Kall gewesen ist, so hak sich diese Meinung im schriftliche» Vertrage mindest seht vchgesAckt ausgedrückt. Rußland hat ferner die Festungen Reni undJSmatl zerstört. Sie liegen an dem untersten Laufe der Donau auf dem rechten beffarabischen Ufer und gehören zu de« Grenzstriche, den Rußland an die Türkei abzutreten ver sprochen hat. In dem Pariser Vertrage ist auch von diesen Festungen mit keiner Silbe die Rede. ES ist also nicht gegen den Vertrag, wenn Rußland diese Festungen schleifte. Wenn nun jüngst Lord Clarendon «it viele« Pathos erklärte, er würde es gegen seine Ehre gehalten haben, unter solchen Umständen Festungen zu zerstöre», so ist diese Entrüstung für einen Minister mehr als kindisch. Das subjettive Ermessen der Ehre steht als solches nicht über, noch neben dem öffentlichen vertragsmäßigen Rechte Europas; erst wenn eS in eine objective Form gefaßt und darin anerkannt ist, hat es politische Geltung. Wozu waren denn Lord Clarendon und seine Genoffen in Paris, als um die Forderungen der Ehre und Billigkeit zu ge schriebenen Sätzen deS eurvpäischen Völkerrechts zu sor- muliren? Endlich hat Rußland die Schlangeninsel besetzt. Die Schlangeninsel liegt nahe an der Sulina- mündung; es ist ein Leuchtthurm darauf, der diese einzige Einfahrt in die Donau beherrscht. Diese Insel scheint für die Donauschifffahrt. so wichtig, daß österreichische Blätter die Freiheit der Donauschifffahrt für gefährdet erklären, wenn Rußland diese Station inne behält. - Diese Insel, so klein sie ist, mag ohne Zweifel für die Donauschifffahrt von größter Bedeutung sein, aber sie ist im Pariser Vertrag auch nicht erwähnt. Dieser Ver trag hatte allerdings den Zweck, die Befreiung der Donau schifffahrt von russischer Belästigung. Aber warum hat man in Paris diese Insel völlig übersehen? Der Wort laut deS Vertrags stört de» Besitztitel Rußlands auf diese Insel nicht. Es ist allerdings gar kein Zweifel, daß die Meinung de« Parisei: Vertrags die war, Rußland gänzlich vom untern Donaudelta zu entfernen. Wenn es nun im Vertrage hieße: Die im Artikel L deS FriedenövertrageS von Adrianopel an Rußland abgetretenen Donauinseln werden an die Türkei abgegeben, so könnte von einem Rechte Rußlands auf, die Schlangeninsel nicht die Rede sein. Aber so steht die Sache keineswegs. Der Pariser Vertrag spricht bekanntlich nur von der Einwilligung deS russischen Kaisers in eine „ Rertification seiner Grenze in Bessarabien." Jüngst soll Rußland aus Reclamation der Westmächte die Besetzung dieser Insel aufgegeben haben; es hat aber damit mehr einen Act der Klugheit und Billigkeit, als eine VertragSpflicht geübt. Hätte man den Pariser Frieden strikter redigirt, so konnte man sich auch jene Reclamation und das Einlaufen englischer Kriegs schiffe in'S schwarze Meer ersparen. Vergleicht man die angeführten Schachzüge Rußlands mit dem Pariser Vertrage, so ist es ziemlich unpassend, von einem Treu- und Friedensbruche Rußlands zu reden. Der russische Adler hat ja Niemandem versprochen, fein still zu sitzen. Sein Verbrechen besteht lediglich darin, daß der britische Leopard und der gallische Hahn wieder einmal schlechtere Augen gehabt haben, als der russische Aar, Md daraus kann kein Vernünftiger ihm ein Ver brechen machen wollen. Der Vorwurf fällt vielmehr auf die Westmächte, welche den Vertrag nicht besser abgefaßt haben. Waö wird man von dieser Seite thun? In der Thronrede, mit welcher das englische Parlament ge-