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IVi-. 60. Weißerih-Zeitung Verantwortlicher Rcdacteur: Carl Zehne in Dippoldiswalde. 1. August 1856. ' Inserate w«rden mit 8 Pfg. für di« Zeil« berechnet und in allen Expeditionen angenommen. Freitag. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstal- ten. Preis pro Quart. 10 Ngr. , - . Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann. Wie fkeht's aus in -er Welt? Als vor vier Monaten der Pariser Friede geschloffen rvnrde, besorgte man. es möchte mit der Zeit aller Stoff zu Hader und Zwietracht verschwinden und bald nur noch ein ewiger, langweiliger FriedenSbogen über den Häuptern der versöhnten Menschheit sich wölben. Wer derartige Besorgnisse ernstlich gehegt hat, dem können wir zum Tröste melden, daß die abgelaufenen Wochen reich gewesen, find an Erscheinungen, welche nicht wohl auf de» „ewigen" Pariser Frieden paffen. Die amerikanisch-englische Streitfrage hat sich aller dings einstweilen in die Stille dichtverhängter Kabinette zurückgezogen, und der an Geburtswehen leidende Berg wird wohl nur ein Mäuschen gebären. Aber in der alten Welt brechen auf vielen Punkten der Windrose bedeutungs volle Luftblasen murmelnd hervor, welche anzeigen, daß tief unter der Oberfläche dunkle Mächte ihr ruhestörendes Wesen treiben. Kaum ist der Vorhang gefallen, der das Trauerspiel deS orientalischen Kriegs schloß, kaum haben sich hinter dem Vorhänge die westeuropäischen Staaten neu gruppirt, so hören wir schon wieder hinter der Gardine neue geheimnißvolle Schritte; wir ahnen, daß Vorberei tungen zu einem neuen Schauspiel getroffen werden, aber wir wissen noch nicht, ob eS nur ein Jntriguen- oder ein Speetakelstück «erden wird, .und die Mttwirkenden wissen es wahrscheinlich selbst noch nicht. In London, wo seither durch den orientalischen Krieg und das Uebergewicht Napoleons alle Gedanken, sich in die innern Angelegenheiten anderer Länder einzu- mischen, zurückgedrängt waren, erwachen alte freiheitliche Gedanken wieder. Im Ober- und Unterhause find wieder Reden gehalten worden für „das Recht der unterdrückten Nationen." Lord Lyndhurst hat für die polnischen Flücht linge gesprochen, und der alte Lord John Ruffel hat inte» pellirt im Namen Italiens. Man darf aber nicht fürchten, daß dabei-viel herauskommt; es bleibt bei höflichen Aus wechselungen von Artigkeiten und bei einer beschwichtigenden Rede' der angcredcten Minister, „welche dem angeregten Gegenstand ihre ernstliche Aufmerksamkeit widmen werden, aber dringend davon abrathen müssen, die Sache jetzt weiter zu erörtern." Aber wenn auch diese parlamentarischen Zwischenspiele augenblicklich wenig practische Bedeutung haben, so find sie immer Anzeichen einer unbefriedigenden Stimmung, welche auf künftige Erschütterungen hinblickt und nicht Frankreich und Oesterreich allein den Einfluß in Italien gönnt; es find Sandkörner, die sich mit der Zeit zu einem Haufen aufthürmen können. Auch im nördlichen Deutschland erheben sich dergleichen Anzeichen. Das Cabinet in Kopenhagen hat ange- sangen, die Domänen Holsteins und Lauenburgs, welche der besonder» StaatScaffe dieser Länder angehören, zu verkaufen. Die deutschen Großmächte haben gegen solche Eingriffe in deutsches Eigenthum in Noten sich gegen die dänische Regierung erklärt. Die nächste Antwort, welche darauf erfolgte, war ein vom König von Dänemark sanc- tionirteS Gesetz, welches kurz und bündig sagt, jene Do mänen gehören der dänischen GesammtstaatScasse. Welchen Erfolg diese Mahnungen Oesterreichs und Preußens haben mögen, läßt sich noch nicht sagen; jedenfalls sieht man aber daraus, daß die Verwickelung von 1861,noch nicht gelöst ist, daß die offne Wunde jener traurigen Zeit, wo erst Preußens und Sachsens Söhne für, dann Oesterreichs Heere gegen Schleswig-Holstein kämpften, nur ver- harrscht, nicht geheilt war. Die deutschen Bundeslande werden mit überlegter konsequenter Gewaltthätigkeit von dem fremden Dänemark auSgesogen; man verletzt dort die Rechte, welche in den Wiener Vertägen und der Bundes verfassung jedem deutschen Lande gewährleistet find. Preu ßische Blätter sagen: man solle nur um alles in der Welt nicht zu viel Lärm um diese Sache machen; die beschä digten Länder sollen ja nicht ihr Recht beim deutschen Bunde suchen, denn „es werde doch nichts herauSkommen, wenn man sich beschwere." Sind das nicht auch Saaten der Zukunft, freiliche keine hoffnungsreichen, welche dort langsam heranreifen? In Spanien entstand eine neue Revolution, hinter welcher selbstsüchtige Pfaffen zu stehen scheinen, welche den Genuß „verlorener Kirchengüter" nicht verschmerzen können. Die sranzöfische Regierung sieht mit Mißbehagen die Zu ckungen des unruhigen Nachbarlandes; sie hat Lust, einen kriegerischen Kreuzzug, wie 1822 geschah, gegen das un ruhige Land auszusühren; dies beweisen die Truppen sendungen nach der Grenze. Auch Italien, wo alle Freiheit zu Grabe getragen ist und offen Tyrannei in mehreren Gebieten waltet, macht jedenfalls den fühlenden Herze» der französischen Minister schwere Stunden. Ob man ganz unempfänglich für den Ruhm ist, Italien zur Wiedergeburt zu verhelfen, eine straffe Beamtenherrschaft nach französischem Muster einzuführen, und der Verwilderung Mittel- und Unter italiens zn wehren, wissen wir nicht; — wenn nur nicht Oesterreich wäre! Es ist recht unbequem, daß man erst mit Oesterreich abrechnen muß, wenn man etwa mit Italien politische Geschäfte machen möchte, und Oesterreich kann man nicht ohne Weiteres beleidigen, da man mit ihm und England ohnlängst in ein sehr intimes Verhältniß getreten ist, um den ..kranken Mann" zu schützen. Was ist ha zu thun? Man muß sich mit de» nämlichen Mitteln be gnügen, welche man in Wien und Berlin gegen Däne mark angewendet hat: man richte ernstliche Vorstellungen an Se. Heiligkeit und an Se. ficilianische Majestät; wenn dann die Antwort nicht so günstig ausfällt, als man »er hofft, was kann cs helfen? — man muß die Sache einer günstigern Zukunft Vorbehalten.