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349 Der Mörlen fand Wtilgen im Freien; matt und verdüstert sah er dem regen Leben im Kastelle zu. Alle machten sich reffefertig und verließen zu zwei und drei den Host Rur Gürge und der Hauptmann blieben zurück, imd der Letztere schickte sich an, seinem neuen Gefährten die Hand bietend, sein „Schloß" zu zeigen. Dieß Bemühen war bald zu Ende. Die aus der Müglitz steil sich erhebende Klippe, unersteiglich von der Wasserseite, bot nur einer Hütte Raum, die als Magazin für den Raub diente. Eine doppelte Reihe von Pfahlwerk verschloß den schmalen FelSrücken, welcher dieß Bollwerk mit dem angrenzenden Berge verband, an dessen Hange, ebenfalls mit Palissaden umschirmt und versteckt von der dichten Waldung, Wohnung und Ställe standen. „Siehst Du," sprach Hermann, „wir wohnen hier so ziemlich sicher. Nicht leicht wird ein menschlicher Fuß sich in diese Wildniß verirren, und wir vermeiden sorgfältig, das spürende Auge der Justiz hierher zu locken. Darum verlassen lpir immer einzeln die Gegend und der Sammelplatz bleibt immer in bedeutender Entfernung. Heute geht'S an die böhmische Grenze; dort erwartet man zum Abend einen Zug Krämer, dem wir'S ein bischen leichter machen; mich trägt mein Rappe dahin. Was wir hier treiben, ist nur ein wenig Wilddieberei für'S HauS, und doch fängt'S an, damit unsicher zu werden!" „Und wenn die HülfStruppen Dich verlassen?" fragte Wittgen. „Dann mögen die Schelme das Rabennest ersteigen; sie sollen mich Nicht finden. Folge mir ! Dir traue ich!" Er schickte Gürgen nach dem Stalle, verschloß hinter ihm die Pforte und klomm an der steilsten Seite des Felsens auf schwindelerregendem Wege eine Strecke hinab. Hetzt stand er still, bog die Zweige einer Fichte auf die Seite, schwang sich am die Wand und war plötzlich vor Wittgen'S Auge verschwunden. Ver wundert schaute dieser nach, und als er folgte, gewahrte er ihn itt einer engen Höhle, die kaum Raum für Beide hatte. Mit listigem Lächeln empfing ihn der Räuber, der die Linke auf eine kleine Tonne gestützt, mit der Rechten auf eine Hellebarde zeigte. (F.f.) Literatur. Unter dem Titel: „Quickborn" erschienen vor Kurzem „Gedichte au« dem Volksleben von LlauS Groth. AuS dittmarscher Mundart übertragen von A. v. Winterfeld." (Berlin bei Hoffmann u. Campe. 1856.), — Die Schilderungen der Natur, des ländlichen Lebens und der mrnschenlichen Charaktere in diesen Ge dichten finden so allgemeinen Beifall, daß wir unfern Lesern nachstehend eine Probe der „erzählenden Gedichte" mtttheilen zu müssen glauben, welche um so mehr ansprechen wird, als der Ton in denselben, in welchem die Gestatten reden, eben so kernig als rührend ist. Nachdem in einer Landmannsfamilie vom AuSwandern die Rede ist und die jüngern Glieder derselben ihre Nei gung für die unbekannte Ferne in verschiedener Weise an deu Tag legen, spricht der alte Greis als Patriarch des Houseö in dem Gedicht: Familienbilder. Gut! Reift nur, sprach der Greis, ich blelüe hier! Man wechselt nicht die Hetmath wie den Rock, Ich kann nicht leben ohne Vaterland, Und «er hinüber geht, der hat kein» mehr. »« MM— m Wie dauern mich die armen Menschenkinder,' Die Roth und Hünger und der Adel wegtreibt! Ich weiß noch, als die Ueberelbschen kamen» Und die aus Holstein an< Leibeigenschaft, ' Die waren rein verdummt Euch, wie das Vieh, Verschüchtert wie die Schafe auf dem Markte, Sie scheuten sich vor ihrem Vatersnamen. Und schlichen wie die Diebe hier umher — Wenn die dahin geh'» — ja, das geb' ich zu. Die kannten nimmer HauS und Vaterland. Doch hier auf uns'rer kleinen, freien Scholle Kann es, so Gott will, noch so schlecht nicht werden. Hier bluteten die Väter für die Freiheit, Und davon ist die Marsch noch immer voll, In jeder Ader fließt davon ein Tropfen, So niedrig und so hoch — sie haben ihn, Und die am meisten, die es gar nicht merken. Das ist die Freiheit, die da in uns steckt, Als Schlag und Art von Vater und von Mutter. Die macht die Schlechtsten grob und übermüthig Und unsre Besten grade, schlicht und recht. Und glaubt Ihr, es sei ruhig hinter'« Weltmeer? Das drängt dort auch und treibt sich. just wie hier, Wo Fürsten fehlen, drückt Verstand und Geld, Die Herrschaft ist nicht aus der Welt zn bannen. So wenig wie die Furcht vor Gott dem Herrn. — In Gottes Namen geht — ich geh' nicht mit! Ein alter Stubben läßt sich nicht verpflanzen. Ich will hier warten, bis mein Stündlein kommt. Die Hände faltend, schüttelt er den Kopf Und sieht mit trüben Augen nach der Thüre: Da stand mein selig Weib mit rothen Backen, Wie Milch und Blut so frisch — das war ein Mädchen — Samstag vor Pfingsten — schon vor vielen Jahren — Das HauS hatt' ich gekauft von Martin Peter» — Von Haege» kamen wir, es zu besehen — Und gingen längs dem Fußsteig bei dem Pfuhl — Den letzten Festtag sollte Hochzeit sein — Da stand sie hier zuerst in dieser Thüre. Sie sah sich um von oben bis nach unten, Und sprach: Das wär' nun unser! Gebe Gott, Daß wir hier bleiben bis an s sel'ge Ende! Als sie zur Ruh' ging, stand sie hier als Leiche, Und längs dem Fußsteig ging ich hinterher. Noch sieben Kinder bracht' ich diesen Weg. Ich seh' die Träger noch und jeden Sarg, Mein Christian ist der Einz'ge, der mir blieb, — 3st just so alt als dorten jene Esche — Die große da ich pflanzt' sie, als er kam — Die links ist jünger — auch die Silberpappel — Die Eiche für den Aeltsten - wollt' nicht wachsen - Nur die Kastanie stand schon, als ich kam — Die Eschen holt' ich selbst aus Norderwald Wie wachsen sie als sei'n sie ewig jung. — Wir Menschen kommen, geh'», wie Gras und Blumen. Da spielten meine Kinder — nacheinander — Dort saßen wir des Abends auf der GraSbank Und sahen zu, bis unsre Nachbarn kamen. Zum Spiel die Kleinen, zum Geschnack die Alten, Bis Alles still war und der Wächter rief. Wir wurden mit einander alt und grau; Wie Mancher, der als Junge dort gespielt, Saß mit der Zeit dann ruhig bei unS Alten, Und manches Jahr, wann'S wieder Sommer wurde. So fehlte uns ein weißer Kops im Kreis, Bis es zuletzt mir gar zu häufig kam. Ich könnt' mich in die Andern nicht mehr finden,