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274 Preuße» hat aber nicht förder Lust, fich die Hände binden zu lassen, nachdem es seine „souveraine Neutralität" bewahrt und wie ein Balamander aus dem Feuer gegangen ist. Daher wird auch der Aprilvertrag mit Oesterreich nicht erneuert werden. In Italien ist die furchtbarste Währung der Ge- müther eine Thatsache, die selbst officielle Federn nicht wcgznleugnen vermögen. Oesterreichische Blätter streiten jetzt darüber, daß Graf Cavour, der freifinnige Minister Sardiniens, gar nicht das Recht gehabt habe, im Pariser Conferenzsaale die Lage Italiens zu schildern und das dort begangene Unrecht hervorzuheben. Das ist aber nun einmal geschehen, und läßt sich nicht wieder rückgängig machen. Das ganze officielle Europa hat der despotischen Willkürherrschaft in Italien seit Jahren ruhig zugesehen, ohne den unterdrückten Völkern nur den geringsten Trost zu bringen, man hat ausschließlich mit Belagerungszustand und Standrecht geantwortet; aber nichts gethan, um den dortigen Völkern gerecht zu werden und die Gcmüther zu versöhnen. Oesterreich entwickelt jetzt eine diplomatische Thätigkcit, um den gefürchteten Ausbruch zu verhindern, Gras Colloredo ist als außerordentlicher Gesandter Oester reichs nach Nom gegangen und der Baron Werner ist mit einer besondern Mission nach Unteritalien beauftragt. Beide werden auf Abstellung der schreiendsten Mißbräuche dringen. Frankreich wird kaum ruhig zusehcn, daß Oesterreich durch seinen Einfluß in Italien ihm den Rang «bläust: Indem beide Souveraine gemeinschaftlich eine Note nach Rom sen deten, gewinnt es den Anschein, als ob sie ihre Politik in Italien gegenseitig controlirten. Man wird wahrscheinlich in der nächsten Zeit den Austrag der italienischen Frage dadurch zu hindern suchen, daß man das bekannte SchreckeuSgeläute, das längst ver brauchte wieder einmal zieht: „Mazzini habe sich blicken lassen, es sei eine europäische Prapagande vorhanden, welches alles aus den Kopf stellen wollte" und mit solchen Schreckensworten wird man die Zügel noch straffer an ziehen und damit wird man glauben. Italien zu curiren. Aber damit wird man Cavours nur zu wahre Schilde rungen nicht Lügen strafen können. Der Pariser Friedcnsschluß, welcher nun einmal am 30. März, jenem geschichtlich wichtigen Tage, zu Stande kommen mußte, hat noch erstaunlich viel Arbeit übrig ge lassen. Im Mai ist die Commission zusammengetreten, welche ein Stück Land von Rußland amputiren soll. Ferner wurde jene Commission zusammengesetzt, welche die schwie rigste aller Fragen, die politische Organisation der ausge sogenen Donaufürstenthümer, ordnen soll. Hier stehen sich die Interessen aller Parteien, welche den Frieden geschlossen haben, vielmehr gegenüber, als in Italien. Jede Partei denkt freie Hand im Spiele zu behalten, wenn sie bean tragt, der Wille des Volks, aus den sonst nicht gerade viel gegeben wird, müsse in jenen Provinzen entscheiden, welche Verfassung man einführen solle; die Pforte pro- tcstirt, und das kann man ihr nicht verdenken, gegen jede Antastung ihrer Hoheitsrechte in den Donaufürstenthümern. tSchluß folgt in nächster Nummer.) Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, am 12. Juni. Bei dem Ge witter am gestrigen Nachmittage traf der Blitz das Wohngebäude des Hrn. Gutsbesitzer W. Gäbler zu Luch au und legte dasselbe bis auf die Umfassungs mauer in Asche. Die übrigen Gebäude deö Gehöftes sind erhalten worben; auch ist, dem Vernehmen nach, sämnulicheS Vieh gerettet. Bärenfels, am II. Juni. Gestern Abend 7 Uhr schlug der Witz während eines sehr starken Ge witters in. das Haus des Waldarbeiters Fleischer allhier, zündete am Giebel das Strohdach, fuhr am Giebel herab, wobei 3 Bretter loSgeriffen wurden, fuhr dann in den Stall und tödtete die einzige Kuh deS Besitzers. ES ist zu vermuthen, daß diesem Blitz strahl unmittelbar darauf ein kalter Schlag gefolgt ist, welcher das Feuer erstickt hat, denn deutliche Spuren sind vor dem Ofen in der Küche wahrzunehmen, wo er nicht allein den ganzen Ruß aus der Oesse herein bis in den Ofen hineingedrückt, sondern auch den Ofcngabelstiel in der Mitte gesprengt, und die eine Hälfte in lauter kleine Stückchen zersplittert hat. Hilfreiche nachbarliche Hände eilten schnell herbei, um das Feuer vollends zu löschen, und so hat der arme Mann eS Gott und guten Leuten zu danken, daß er mit der Kuh nicht auch seine erst vor einigen Jahren neu erbaute Wohnung verloren hat. Möge ihm der Himmel auf andere Weise daS wieder er setzen, was er ihm so plötzlich geraubt hat! Dresden, II. Juni. Unser heute begonnener Wollmarkt scheint die glänzenden Erwartungen der Herren Producenten nicht ganz befriedigen zu wollen. DaS zu Markte gebrachte Quantum dürfte das vor jährige nicht ganz erreicht haben; die Wäsche wird im Allgemeinen als gut anerkannt. Bis Mittag war erst ein kleiner Theil desselben verkauft. Die Preise wurden unö als „gedrückt" bezeichnet; beim Beginn deö Geschäfts wurden zwar einige Posten mit circa I Thlr. Aufschlag pro Stein gegen den vorjährigen Preis verkauft, dann aber stockte das Geschäft. Nach mittags schienen die Verkäufer etwas williger geworden zu sein und es wurden mehrfache Käufe mit einem PreiSausschlage von 15 bis 20 Ngr. pro Stein oder auch zu dem vorjährigen Preise abgeschlossen; im All gemeinen aber dürfte der letztere heute nicht eben viel überschritten worden sein. Dresden. Die unter der Direktion der Herren Kolter u. Weitzmann hier angekommene Seiltänzer. Gesellschaft hat am vergangenen Sonntage in dem neuerbauten CircuS auf dem ehemaligen Jüden- teiche ihre Vorstellungen, die gar lebhaft besucht werden, begonnen. Die Leistungen auf dem gespannten Seile sind sehr zahlreich vertreten und ausgezeichnet in ihrer Art. Besondern Beifall erwarben sich durch große Sicherheit, Kraft und Bravour Fräulein Minna Kolter und Herr Weitzmann, dessen zum Schluß folgende Darstellung auf dem Thurmseile als eine Fortsetzung der berühmten und nervenbewegenden Spaziergänge und EquilibreS des Hrn. Kolter durch den allgemeinen Ruf genugsam bekannt sind und es mit Recht verdienen Die Einrichtung deS Schau, Platzes ist ungewöhnlich nobel, und eS lassen sich diese Vorstellungen, die sehr mannichfaltig sind, allen Kreisen deS Publikums sehr wohl empfehlen. — Am 9. d. M. Morgens fand man den Fleischer, burschen M. aus Dohna in den Fleischbänken erhängt. Derselbe hatte sich Abends eingeschlichen, einschließen lassen, mehrere Bänke erbrochen und aus einer der selben 124 Thlr. gestohlen. Durch Geräusch aufmerk sam geworden, hatten nämlich die Nachtwächter und Gendarmen das HauS besetzt und untersucht, und dä dem M. sonach jeder Ausweg abgeschnitten gewesen, ist er dadurch wahrscheinlich zum Selbstmorde getrieben