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Nr. 35. Weißerih-Zeitrmg s. Mai 185«. Inserate werden mit 8 Pfg. für di- Zelle berechnet und in allen Expeditione« angenommen. Freitag. Erscheint Dienstag« und Freitag». Zu beziehen durch alle^Postanstal. ten. Preis pro Quart. 10 Ngr. Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann. ^Verantwortlicher Ncdacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Tagesgeschichte. Altenberg, am 30. April. Heute hat sich leider abermals ein Unglücköfall alihier ereignet, von welchem bis jetzt noch nicht vorauözusehen ist, ob nicht ein Menschenleben dadurch verloren gehen wird. Be kanntlich werden im Frühjahr in den Waldungen bei den Culturarbeiten auch Frauenzimmer verwendet, welche sich der Arbeit gern unterziehen, weil einmal dieselbe nicht zu schwer für dieselben ist, und dann ihnen Gelegenheit giebt, nach dem langen Winter, welcher beim Strohflechten stetes Sitzen bedingt, sich einmal Bewegung in freier Luft zu verschaffen. So waren auch im sogenannten „Naupennest" auf Zwitter- ftockSgcwerkschaftlicher Waldrevier heute eine Anzahl Frauenzimmer unter Aussicht des dabei angestellten Försters H. mit Culturarbeiten beschäftigt. Während der Frühstückszeit nähert sich ein Mädchen, mit Namen Oelschlägel, dem von den Waldarbeitern angezündeten Feuer, um sich zu wärmen, da es diesen Morgen sehr rauh, kalt und nebelig war. Jedenfalls ist dieselbe mit ihren Kleidern dem Feuer zu nahe gekommen, oder hat der Wind dasselbe ihr zugeweht, — plötzlich steht daS Mädchen in Hellen Flammen; die Kleiber haben Feuer gefangen, und Niemand vermag dasselbe zu löschen, da der Wind dasselbe immer wieder auf's Neue anfacht. Herr Förster H., welcher während der Zeit die Waldarbeit rontrollirt, eilt zwar schnell auf das Hülfegeschrei der Uebrigen herbei, und will schnell mit seinem Taschenmesser dem Mädchen den Schnürleib aufschneiden, hat aber dabei das Unglück, dem Mäd chen einige leichte Verwundungen am Körper beizu bringen und sich selbst den Finger zu verbrennen, und so lind dem vaterlosen Mädchen nicht allein die Kleider säminrlich vom Leibe verbrannt, sondern es ist dieselbe am Oberkörper gänzlich mit Brandwunden bedeckt, die Haare sind vom Kopfe verbrannt. Unter den gräß lichsten Schmerzen liegt sie nun auf ihrem ärmlichen Lager, der Pflege und Wartung einer alten Mutter überlassen, welche ohnehin durch ihrer Hände Arbeit ihr ärmliches Leben nur mühsam zu fristen vermag. Möchten doch auch hier barmherzige Samariter sich finden,.welche der Unglücklichen ein Scherflein oder eine sonstige Erquickung zufließen lassen wollten! Altenberg. Bereits Anfang Febr. d. I. wurde in diesem Blatte refcrirt, daß eine Kinderbewahr anstalt allhier begründet werden sollte. Leider wurde durch mehrere Hindernisse die Sache bis jetzt in die Länge gezogen. ES handelte sich namentlich um die Genehmigung der König!. Regierungsbehörde, die hiesige Cantorwohnung zu diesem Zwecke benutzen zu dürfen. Vor Kurzem ist die Genehmigung ein gegangen, und soll kommenden Montag, den 5. Mai, die Anstalt eröffnet werden. Wenn man bereits ver nommen hat, daß unter dem hiesigen Publikum ver schiedene falsche Gerüchte über diese Anstalt verbreitet worden sind, so dürfte es zweckmäßig erscheinen, die Grundlagen der Anstalt zu veröffentlichen. Die Kinderbewahr-Anstalt ist eine städtische Anstalt, bildet einen Zweig der Armenverwaltung und steht unter der Aufsicht des StadtratheS, in Ge meinschaft mit dem Armen-Verein. Die spezielle Leitung wird einem Vorsteher übergeben, welchem zur Rechnungsführung und zum Vertrieb der in der Anstalt gefertigten Arbeiten einige Mitglieder des Armenvereins beigegeben werden. Der Zweck der Anstalt ist ein doppelter. Erstens sollen in derselben solche Kinder untergebracht werden, welche von ihren Ellern verwahrlost, gemißhandelt, mangelhaft ver pflegt oder zum Betteln angehalten werden. Dann soll aber auch die Anstalt solchen Eltern, welche ihres Erwerbes wegen den Tag über vom Hause abwesend sind, Gelegenheit geben, ihre Kinder während ihrer Abwesenheit unter Aufsicht zu stellen. Es werden demnach die in die Anstalt aufzunehmenden Kinder 2 Classen bilden, nehmlich solche, deren Unterbringung in die Anstalt als nothwendig sich herausstellt, und solche, deren Unterbringung von der freien Entschließung der Eltern abhängt. Leider beläuft sich die Anzahl ersterer Clafse auf einige Zwanzig, mit welchen die Anstalt eröffnet wird, daher denn auch Kinder 2. Classe nur so viel ausgenommen werden können, als es die Räumlichkeiten gestatten. Gesuche um Auf nahme sind bei dem Vorsteher anzubringen, und die Bedingungen, unter welchen solche erfolgen kann, werden in jedem einzelnen Falle im Voraus durch Vereinigung mit demselben festgestellt. Die Kinder erster Classe werben von der Anstalt beköstigt und so weit nölhig auch gekleidet; dagegen fällt aber auch der Erlös von ihren Arbeiten der Anstalt zu. In der Regel sollen nur Kinder von 5—14 Jahren aus genommen werden, auch sollen dieselben nur während des Tages in der Anstalt bleiben, des Nachts- aber bei ihren Eltern schlafen. Anwikfern Ausnahmen davon stailfinden können, bleibt dem Ermessen der Armenbehörde Vorbehalten. Die Hausordnung an langend, so werden die Kinder unter die Aufsicht einer unbescholtenen, im Strohflechten geschickten Frauens person gestellt, welcher obliegt, Zucht und Ordnung unter den Kindern zu erhalten, dieselben zum regel mäßigen Schulbesuch, sowie auch zur Thätigkeit, Rein lichkeit und zu einem sittliches Betragen anzuhalten, die Verthcilung der den Kindern bestimmten Kost zu besorgen, und daö zum Flechten nöthige Stroh vor-