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Feldübungen der Truppen in der Provinz beiwohnen werde. Schon durch die um dieselbe Zeil stattfinden- den Krönungsfeierlichkeiten in Moskau dürfte der Kai ser daran verhindert werden. ES möchte zugleich dar auf hinzudeuten sein, daß dem sal'russischen Brauche gemäß kein Kaiser von Rußland sich vor stattgehabter Krönung über die Grenzen deS Reichs begiebt. — Von Seiten Rußlands scheint gegenwärtig nach viel fachen Anzeichen Alles aufgeboten zu werden, um auf die europäische Meinung durch Gründung von Blät tern im russischen Sinne einzuwirken. Auch mit dieser großen Macht Europa's, deren Wucht ge rade Rußland in einer Weise kennen gelernt hat, wie keine andere Großmacht in neuester Zeit, auch mit dieser Macht scheint Rußland gleichsam Frieden machen zu wollen. Wer sich des wegwerfenden TonS erinnert, mit welchem das bekannte russische Manifest vor we nigen Jahren von der europäischen Presse sprach, wird die Bedeutung der Umwandlung in dieser Hinsicht zu würdigen wissen. .Durch diesen Schritt rückt daS russische Reich dem Bildungsgänge deö übrigen Eu ropa wesentlich näher. . Wien, vom 21. April. Die Angelegenheit der Begäbnißstätten macht hier fortwährend großes Aufsehen und eine nicht zu übersehende Beunruhigung der Gemüther. Insbesondere herrscht unter den Pro testanten über die Entscheidung der Bischöfe, wonach in den gegenwärtigen Friedhöfen kein anderer Glau bensgenosse als ein Katholik begraben werden darf, eine sehr gedrückte Stimmung, und dies mag auch die Veranlassung sein, daß der Finanzminister Freiherr v. Bruck und Fildzeugmeister Freiherr v. Wimpfen am 18. .April bei dem Kaiser eine Audienz nahmen, um zu bitten, daß die bittere und empfindliche Krän kung, welche die Protestanten durch den von Seiten deS österreichischen Episkopats eingeschlagenen Schritt zu er tragen haben, nicht an Bestand gewinne. ES ist zwar nicht bekannt, welche Antwort beide hochstehende Männer von dein Kaiser emfaugen haben, aber cS ist bei der Gerechtigkcitsliebe des Kaisers kein Grund der Annahme vorhanden, daß nicht in Zukunft ähnliche Schritte, welche von einer so schroffen Auffassung der Verhältnisse zeugen und einen so demonstrativen Cha rakter besitzen, vermieden werden Wir wissen wenig stens, daß man in manchen katholischen Pfarrbezirken bezüglich der Begräbnißstätten nicht bloö bei der strit ten Auslegung der bischöflichen Verordnung stehen ge blieben, sondern noch einen Schritt weitergcgangen ist. In Wien selbst hat die Verfügung des Erzbischofs von Wien zu Conflicten geführt, indem man auf zwei Friedhöfen sich geweigert, Leichen von Protestanten aufzunchmen. Glücklicherweise hat daö äußerst takt volle und vermittelnde Auftreten der weltlichen Behörden den Conflict geglichen. London, 23. April. Ucber die heutige Flotten schau zu.Spiihead schreibt die Times: Um die Be herrscherin Englands wird heute eine Flotte versammelt sein, welche im Ganzen nicht weniger als 240Dampfer verschiedener Größe zählt. Darunter befinden sich drei von mehr als IVO, und sechs von 91 Kanonen. Der Rest variirt zwischen 80 und 6 Kanonen, und zu die sen gröpern Schiffen kommt noch eine Flotte von 160 Kanonenbooten, die ihrer Mehrzahl nach für den rus sischen Krieg gebaut worden sind. Alles in Allem genonimeu tragen diese 3002 Kanonen und werden durch eine Kraft in Bewegung gesetzt, welche der von 30,671 Pferden gleichkommt. Zur Bemannung dieser Flotte sind nicht weniger als 30MV Menschen erfor derlich. — Die neuesten Berichte vonHelgoland mel den, daß in voriger Woche den dort noch weilenden Legionären (300 Mann) der Befehl zugegangen ist, sich marschbereit zu hallen. Wahrscheinlich werden sie binnen 14 Tagen nach England eingeschiffr werden. In Folg? der Aufforderung, daß Diejenigen, welche jetzt entlassen sein wollen, sich innerhalb zwei Stunden melden sollten, um eine zweimonatliche Gage zu em pfangen und ihre sämmtlichen Kleidungsstücke zu be halten, haben sich 72 zum Austritte gemeldet. Rußland. Moskau wird der Centralpunkt deö ' Eisenbahnsystems werden, daö im Plane ist. Eö wer den drei Hauptlinicn gebaut: die von Odessa, von Saratow und von Wuebök. Aus der Krim reichen die Nachrichten der Eng länder bis zum 10. April. „Der Frühling ist end lich eingezogen, und die wenigen Wochen, die wir noch hier zu verweilen haben, werben wahrscheinlich mit Schießübungen, Bällen, Pferderennen und Jag den ausgefüllt werden. Dann wird eS heißen: Auf gepackt, und Jeder wird mitnehmen, was er kann, und was nicht an Bord kommen darf, wird verbandelt, vertauscht, verschleudert, verbrannt werden müssen. Die Armeen werden ohnedies auf viele Jahre hinaus deutliche Merkmale ihres DagewesenseinS zurücklassen, so vergänglich auch ihre Erd- und Belagerungsarbeiten waren. Die eigentliche Stadt ist mit Ausnahme we niger Punkte jetzt ein nutzloser Trümmerhaufen, und was an Mauern noch aufrecht steht, ist nicht mehr Werth, als mit der Hacke eingeworfen zu werden; denn solid wie manche Mauer auö der Ferne aussieht, ist sie doch in der Nähe gesehen so morsch und brö ckelig, daß sie ein starker Mann umstoßen könnte. Stundenlang kann man jetzt durch diese Ruinen wan dern, ohne einer menschlichen Seele zu begegnen, ohne einen Laut zu vernehmen, und bringt man mit seinem Fuße ab und zu einen Stein zum Rollen, dann erschrickt der Wanderer ob dieses Geräusches inmitten der Todtenstille rings herum, als befände er sich inmitten einer Ungeheuern Einöde, die kein anderes lebendes Wesen beherbergt. Das ist Sewastopol heute nach dem Lärm und Donner und Krachen eines JahreS. Möge es noch viele Jahre so bleiben! Ob dieser fromme Wunsch erfüllt wird, dürfte von dem Willen der russischen Regierung abhängen. Keine Stabt der Welt — bemerkte kürzlich ein Jngcnieuroffizier, der mit dem Terrain vertraut ist — kann so leicht wie diese wieder aufgebaut werden, denn Steine liefern die Brüche von Jnkermann für ein Dutzend solcher Städte,, und noch fließt die Tscherna-Rjelschka in'S Hafenbecken, um das schwere Baumaterial i,n flachen Kähnen zuzuführen. Ueber die Zukunft der ver senkten Schiffe sind die Ansichten getheilter. - Nach den Einen müssen sie in der Tiefe ganz unbrauchbar ge worden sein; Andere stimmen für'S Gegentheil und trösten sich damit, daß es am Ende doch nur altmodische plumpe Maschinen sind. Länger vielleicht als alle Ruinen, Straßen und Gräben werden die Kugeln und Kugelbruchstücke in der Nähe der eroberten Stadt den kommenden Geschlechtern von den geschlagenen Schlach ten erzählen. Viele Meilen im Halbkreise ist die Erde mit diesen Eisenstücken besäet. Den Russen bleiben Kugeln in Masse, genug, um ein neues Arsenal zu