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194 Kirche, spielte dort das Hauptlied auf der Orgel, und als vor Pfarrer die Predigt begonnen, fällt der junge Mann in Ohnmacht und wird auö der Kirche in die Schenke getragen. Man läßt schleunigst den nächsten Arzt holen; derselbe öffnet dem Kranken eine Ader, aber das Blut läuft nicht mehr; man trägt ihn da rauf, in sein nicht weit entferntes Gut und behandelt ihn dort mit höchster Sorgfalt; aber Nachmittags 3 Uhr war er schon eine Leiche; er hinterläßt eine sehr be trübte Frau und 5 Kinder, sowie seine untröstlichen Aeltern. Der junge Mann war etwas schwächlicher Natur, mitunter krank, und doch so sehr zur Arbeit geneigt, daß er sich nicht entschließen konnte, längere Zeit unthätig zu bleiben, und diese Tugend hat jeden falls zu seinem schnellen und so plötzlichen Tode die Ursache gegeben. Löbau, 19. April. Ein Beispiel, wie Gottes schützende Hand über Kinder wacht, sei hier mitgctheilt. Heute in den Mittagsstunden spielten mehrere kleine Kinder im Hofraume eines hiesigen Kaufmanns, in welchem sich ein versiegter, 18 Ellen tiefer, mit einem Bretdeckel verdeckter, innerlich auögemauerter Brunnen befindet. Eins von diesen Kindern schiebt den Deckel mit dem Fuße weg, um Yineinzusehen und dabei stürzt es hinein. ES ist die 6jährige Tochter des Herrn Landgerichts-Director Klemm. Die übrigen Kinder schieben desi Deckel wieder zu und laufen er schrocken davon. Ein in der Nähe sich befindender Arbeiter hört ein dumpfes Rufen. Nach längerem Suchen entdeckte er, von wo der Ruf kommt. ES werden sofort mehre Menschen herbeigczogen und man versucht, eine Leiter hinunter zu stellen; allein der Brunnen ist zu eng. Es entschließt sich nun der Markthelfer Schüller aus Oelsa, vermittelst eines Strickes, durch dessen unterstes Ende ein Querholz gesteckt, hinabzulassen. Er kommt glücklich herunter und kann auch, da der Brunnen unten weiter ist, die während der Fahrt aufgehobenen Arme herunter bringen, das arme Kind, welches bis an die Arme im Schlamme steckt, heransziehen, sich über den Kopf heben und so das Kind glücklich und wohlbe halten, nachdem es Stunde darinnen gesteckt, her- auSbringen. . (Dr. I.) Berlin, 20. April. Wie man hört, ist der Ur- telSspruch des Kriegsgerichts in Frankfurt a. d. O. in der Hinckeldey-Nochow'schen Angelegen heit am II. April gefällt worden. Dieser Urtels spruch wird aber erst dann rechtskräftig, wenn der König denselben bestätigt hat. Bis dahin kann von einem in der Sache ergangenen Erkenntlich nicht die Rede sein. Der größer» Unparteilichkeit wegen hat man dem Kriegsgericht zu Frankfurt a. d. O die Unter suchung übergeben. Es konnten dabei nur das hie sige Kriegsgericht, jenes in Brandenburg und das be sagte Frankfurter in Betracht kommen. Man hört es in unterrichteten Kreisen bestätigen, daß der König der Wittwe des Generalpolizeidirectors v. Hinckeldey aus Staatskassen IV0O Thlr. jährlich Wittwengehalr und für jedeSKind 100Thlr. Erziehungsgelder bewilligt hat. — In der Nacht vom 16. auf den 17. April, .UM 121/r Uhr, stürzte in Krefeld in einer Straße hinter der neuen katholischen Kirche daS Hintergebäude von drei Etagen, welches von 27 Personen bewohnt war,-wie ein Kartenhaus zusammen. Von neun Perso nen der untern Etage blieben zwei tobt und sieben sind derartig gequetscht und verstümmelt, daß an ein Aufkommen nicht zu denken ist. Auö der Mittlern und oben».Etage find ebenfalls sieben Personen, schwer be- schädigt. Nur sechs Bewohner der ohern Etage find mit leichten Verletzungen davon gekommen. Frankfurt a. M., 20. April. Zwischen den preu ßischen und bairischen Soldaten haben gestern Abend auf unserer Promenade arge Schlägereien statt gehabt, die ziemlich bedeutende Verwundungen zur Folge gehabt haben sollen. Vereinzelte Oesterreicher hatten sich auf die Seite der Baiern geschlagen; viele bedienten sich der blanken Waffen. Noch spät gingen verstärkte Patrouillen. Daö Verbot des Besuches ge- wisser Wirthshäuser wurde wiederholt schon vor meh reren Tagen eingeschärft, Wien, 20. April. Der SpeculationSgeist ist hier ungemein rege; nur begreift man nicht, woher alles Geld und alle Arbeiter zu den vielen projectirten Eisen bahnen kommen sollen, von denen noch obendrein die Rentabilität mancher sehr problematisch ist. — Der Grundstein zu der demnächst zu erbauenden Votiv kirche ist am 18. April auö Jerusalem hier angc- langt; er ist einer unterirdischen, im Besitz der Katho liken befindlichen Grotte am Oelberg, zunächst des Gartens Gethsemane entnommen. — Die Feier des Friedensschlusses wurde am Sonntag in allen Kirchen, mit besonderen Glanze aber im Dome von St. Ste phan, abgehalten. Die höchsten Würdenträger des Staates, das diplomatische Corps, sämmtlich in voller Uniform, die hier anwesenden Kirchcnfürsten, die Gene ralität und viele Notabilitäten Wiens betheiligten sich an derselben. — Die anderw^ite Entbindung der Kai serin ist Mitte Juni zu erwarten. — Die Lage des Herzogthums Parma hat sich nicht gebessert. Die Verhaftungen sind Noch immer zahlreich. — Dem Vernehmen nach ist eine Einigung, der Münz confer enz wegen Umwandlung deö öster reichischen Münzsystems in den 2l-Guldenfuß in Aus, sicht. Hierdurch käme der österreich. Münzfuß mit dem preußischen in Uebereinstimmung, indem ein österreichi scher Gulden zwei Drittel eines preußischen Thalers ausmachte. Der halbe Gulden Oesterreichs und das Zehnsilbergroschenstück würden sonach eine geeignete Rechnungsmünze abgeben. Paris, 20. April. Der Kongreß hat sich in seiner Sitzung vom II. April mit der italienischen Frage beschäftigt. Die Vertreter Oesterreichs und Frankreichs sollen die durch die Truppen ihrer Staaten in Ita lien stattfindenden Gebietsbesetzungen gerechtfertigt haben. — ES werden Maßregeln getroffen, um die Ar mee auf den Friedensfuß zurückzusühren. Rußland. Petersburger Briefe melden, daß die Ausfuhr von Pferden, Rindern, Schweinen, Fleisch, Schaffellen, Tuchen, Leinwand, Tauen, Stricken, Heu, Spiritus und Kornbranntwein aus Rußland und dem Königreich Polen gestattet ist. Ferner wird gemeldet, baff in 17 Gouvernements und dem Königreich Py- len der Kriegszustand aufgehoben worden ist.