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114 Herfurt und Margret. ? . «Schluß.) " ' Der Bürgermeister ging noch in höchster Aufre gung in seiner Stube auf und ab, als Herfurt eintrat. Hat er dir's auch schon aufgesagt der dicke Schurke? es ist auS zwischen dir und der Christel; nimm dir'S aber nicht zu Herzen; ich schaffe bireine, die besser und hübscher und reicher ist. Nein, Oheim, eS geht mir auch nicht zu Herzen; denn grab heraus: ich hätte die Christel doch nicht genommen. Seid nicht ungehalten darüber; Ihr habt gesehen, baß ich mir Mühe genug gegeben habe, Euch zu gehorchen, aber, so hübsch und freundlich die Chri stel ist, sie wurde mir immer mehr zuwider — weil ich von der Margret nicht lassen kann. So, also immer noch die Margret? sagte Hil debrand finster. Schlag sie dir auS dem Sinne, sie paßt nicht für dich. Ich hab eS ja versucht, aber eS ist nicht gegangen, weil eben keine auf der Welt so für mich paßt, als nur sie. Gottlob Hildebrand kämpfte mit sich; eS sprach jetzt auch in ihm eine Stimme für Margret; aber seine Hartnäckigkeit und sein Bauernstolz gewann doch die Oberhand. ES gehr nicht, Herfurt — es geht jetzt nicht mehr, sie will mit den Webern nach Amerika und ist schon seit einer halben Stunde fort. WaS? ohne Abschied von mir ist sie fortgegangen? rief Herfurt außer sich und eilte nach der Thüre. Hildebrand hielt ihn am Arme: Wo willst du hin? Ich will mir meine Margret holen. Halt, da habe ich auch noch ein Wort mit zu reden, ohne mich kommt sie mir nicht wieder in das Haus. Oheim, ich hab' Euch lieb; aber die Margret ist mir noch lieber, wollt Ihr sie mir zur Frau geben? Hoho, Junge, zwingen.sollst du mich nicht; willst du die Margret oder den Hof? Gebl Euer Gut, wem Ihr wollt; ich ziehe mit der Margret über'S Meer! rief Herfurt, und machte sich loö. Herfurt! — Aber Herfurt hörte nicht mehr, fort war er und Hildebrand sank erschöpft auf eineu Stuhl. Jetzt war es auS mit allen seinen schönen Hoffnungen; er war wieder so verlassen als damals, und die Thränen liefen dem alten Manne über die gefurchten Wangen, denn er hatte den Herfurt von Herzen lieb. Und Margret! Wie anders war ihr Einzug in daS Htlbebrandsche HauS gewesen, als ihr Aus zug. . So stolz und roth, so freudig zuversichtlich und daS Herz gehoben von keimender Neigung, war sie Hand in Hand mit Herfurt den Belg hinunter ge stiegen und jetzt war sie über die Schwelle geschritten öden Herzens und mit bleichen Wangen, die fassungs lose Muhme an der Hand haltend, die ihr noch daS Geleite geben wollte. Dieses Mal war eS JeremiaS, der den Kopf hoch trug und immer stehen bleiben mußte, daß die Frauen ihm nachkämen. Wo der Fußweg von der Landstraße sich trennt und in den dunkeln Fichtenwald hinaufsteigt, hielt Margret an, umarmte und küßte ihre Muhme leiden schaftlich und sagte: Jetzt lebt wohl, Gott vergelt' Euch Eure Güt' und Liebe; grüßt den Oheim und Herfurt tausend Mal und vergeßt mich nicht! Mit diesen Worten riß sic sich loS und lief in den Wald. JeremiaS Holle sie kaum ein, er begann sie zu prci- ßen, daß sie das bessere Theil erwählet und vvn den weltlichen unchristlichen Reichen zu denen sich zurück gewendet habe, die da arm und gotiselig sind. Er merkte nicht, daß er nur tauben Ohren predigte und ließ sich auch dadurch nicht irre machen, daß Mar gret ihn widerwillig abschüttelre, als er im feurigen Eifer seine Hand auf ihre Schultern legte, und fuhr, trotz beS Bergsteigens, in seinen ihm höchst erbaulichen Be trachtungen fort — sehr zum Schaden seiner schwachen Lunge. Oben auf dem Berge blieb Margret unter dec mächtigen Tanne stehen, die damals Schutz gewährt haue; doch als sie daS Gurren des hier angesiedelten Taubenpaares Hörle, eilte sie weiter nach dem Kloster zu. Der letzte Nest des BogenS stand noch wie da mals nach dem Sturze; sie stieg über Vie herunter gefallenen Steine und setzte sich auf einen, ter am Weitesten zurück der Erde lag, vielleicht gerate da, wo sie gestanden hatte, ehe sie von Herfurt gerettet worden war. Hier brach ihre letzte Kraft, sie barg ihr thräncnüberströinteg Gesicht in den Händen und wünschte vielleicht, daß die noch ragenden Steine jetzt über ihrem Haupte zusammbrächen. Auch der erschöpfte JeremiaS hatte sich einen Ruheplatz, aber in sicherer Entfernung, gewählt und blickte beiroffen nach dem trostlosen Mävchen. Plötzlich rief eä: Margret! Margret! und in freudiger Hast eilte Herfurt nach der Geliebten, hob sie empor in seine Arme, preßte sie fest an sich und schloß ihr den Mund mit glühendem Kusse. Margret, ich lasse dich nicht mehr! ich gebe Alles hin um dich, ich ziehe mit dir nach Amerika, wohin du willst! Margret bebte in seinen Armen; überwältigt - von der seligen Uebercaschung faßte sie seinen Kopf mit ihren beiden Händen und bog ihn so weit zurück, daß sie in seine glückstrahlenden Augen sehen konnte, da brach auch aus ihren Augen die leuchtende Zuver sicht hervor, und als einzige Antwort drückte sie ihren Mund auf den seinen. Armer JeremiaS, du hattest ein schlimmes Zusehen! Sie hörten nicht ein Mal auf dich, als du nufsprangst und an die Züchtigkeit und an die sieben Weberfamilien mahntest, selbst nicht, als du unmmhig Mit dem Stock an den Stein schlugest, darauf du ge sessen, ja sie blickten dir nicht einmal-nach, als du entrüstet von dannen gingst. Herfurt war eS, der zuerst zu dem, was um sie war, zurückkehrte und Margret auf die Wiese führte: Komm, Margret, aus dem bröcklichen Ge mäuer unter daS sichere HimmelSdach! Komm, mein lieber Schatz; sieh, da liegt der Hof von Oheim und Muhme, den wir von hier auS zuerst gesehen haben und in dem ich gern mit dir bis an unser Ende ge schaltet hätte; komm, dem wenden wir jetzt getrost den Rücken und wandern Hand in Hand wie damals, in die weite Welt! Hand in Hand, Herfurt! sagte Margret; aber wohin? wir können uns nicht, wie die lieben wilden Tauben dort, auf jedem Baum ein Nest bauen. Nun, da wollen wir meinethalben zu deinen We bern und mit ihnen über'S Meer! Wenn du willst, über'S Meer, aber nicht mit den Webern!