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redet und geschrieben, und am nächsten Morgen ging ein Bote nach dem Rittergute im Lande, der ändert nach dem Kabrikdors im Gebirge. , , ' Hand in Hand. ES war einige Wochen weiter hin, und ein lau nischer Apriltag; va traten aus der Thür eines kleinen Hauses in dem Fabrikstädchen ein langaufgeschossener junger Mann und eine schlanke Bauerdirne. Der junge Mann mußte ein Weber sein, das verrieth die zu sammengedrückte Brust, die bleichgelbe Farbe deS Ge sichts und der Hände, und damit stimmte auch der träumerische Ausdruck seiner glänzenden Augen und der weiche schlaffe Zug um die dünnen Lippen über ein. Er machte lange Schritte, um dem Mädchen an der Seite zu bleiben, daö, ohne sich sonderlich um ihn zu kümmern, hastig vorwärts schritt und die scharfe Luft, in der eö doch schon nach Frühling witterte, mit Lust einzuathmen schien. Man hätte sie wohl für die Tochter eines reichen Bauers halten mögen; denn Gang und Haltung waren so sicher; das maitblonde Haar sorgfältig gescheitelt, Gesicht und Hände wenig gebräunt und dem Gesichte selbst mit seiner breiten hochgewölbten Stirne, der fein gebogenen Nase, den scharf blickenden hellblauen Augen und den fest zusammengehaltenen vollen Lippen war eher die Gewohnheit deS Befehlens, als bas Ge horchen ausgeprägt. An der Stelle, wo von der weit nach links im Bogen sich senkenden Landstraße ein Fußsteig in den Wald abgeht, blieb das Mädchen stehen nnd wendete sich zu ihrem Begleiter: Jetzt, Jeremias, kehre aber um; meine Lade hat der Fuhr mann, und den Weg wirst du mir nicht finden helfen! JeremiaS sah das Mädchen recht innig be- kümmert an und sagte: Willst du denn wirklich deinen Weg voll dem meinen trennen, Margret? Geh' doch noch ein Mal mit dir zu Rathe; meine Aeltern halten dich wie eine Tochter, ziehe mit uns in das gelobte Land über dem Meere der auögewählten gotleSfürch, tigen Gemeine und laß uns dort zusammen einen Heerd bauen! Ich sage dir'S noch ein Mal rund heraus, er- wiederte Margret scharf, die Leute hier zu Lande sind mir grade fromm genug, und ich will nicht mit Euch auSwandekn! Und wenn deine reiche Freundschaft dich nun als Magd aufnimmt? So plage ich mich doch lieber auf dem Felde, als hinter dem Webstuhl. Meiner Mutter ist bas Herz abgedrückt worden durch die ewigen Bußpredigten und durch Eure stockige Stubenluft; mit mir habt Ihrs gut gemeint, aber wir passen nicht zu einander! Ja, du bist baS leibhaftige Kind deiner Mutter! seufzte JeremiaS; der Herr erleuchte dich! Wohl bin ich daö Kiud meiner Mutter! rief Margret, und ihre Hellen Augen funkelten vor Zorn; Ist kein Tropfen Weberblut in mir, aber lauter Bauern blut, und ich schäme mich nur in einem Stücke: daß sie mit deines Vaters Bruder von ihrer Aeltern Hofe weggelaufen, ist; darum ist sie in Kummer und Elend verkommen. JeremiaS erröthete für Margret und sagte Hal- leise: Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf daß du lange lebest und eS dir wohlgehe! Auch Margret schlug die Augen nieder; JeremiaS reichte ihr aber die Hand und sprach in mildem Tone: Laß uns nicht in Unfrieden scheiden, du bist mir doch lieber, als eine Schwester, und ehe wir auSziehen, frage ich noch ein Mal bei dir an, ob du deinen Sinn gewendet hast! ... Bei den letzten Worten lächelte Margret voll Zuversicht; doch nahm sie freundlich von ihrem Vetter Abschied, trug ihm Grüße an seine Aeltern auf Md ermahnte ihn, bei seiner Freundschaftin dem Städtchen zu bleiben, denn daS Wetter ändre sich und er könne heute nicht mehr nach Laubengrün zurückkommen. So schieden die Beide» von einander; JeremiaS ging schweren Herzens zurück. Ma rgrel betrat den Fußsteig und schritt so leichtfüßig in den Wald hinein, wie Jemand, der eine drückende Last von sich geworfen hat. Nur ihre Kindheit war glücklich gewesen. Da hatte der Vater, um eS der hoffärtigen Familie seiner Frau gleich zu thun, mit gutem Erfolge vom Woll kämmer zum Wollhändler sich emporgeschwungen und seiner Frau zu Gefallen auch eine kleine Landwirlh- schaft «»gefangen; weil er aber ohne großes Kapital arbeiten mußte, konnte er die ungünstigen Zeiten nicht überdauern, geriet!) in VermögenSfall und starb in Dürftigkeit. Sein Bruder, der Weber, nahm die Wittwe und die sechözehnjährige Tochter bei sich auf; aber die Mutter siechte an dem dumpfen kärglichen Leben und im trotzigen Widerstande gegen die fröm melnde Selbstüberhebung ihrer Verwandten dahin, Margrets kräftiges, bäuerlich-aristokratisches Wesen wurde angewidert und erbittert, und als sie gar mit den Verwandten, die in ihrer methodistischen Richtung vom Staate sich bedrängt glaubten, answandern und ihren Vetter JeremiaS heirathen sollte: da bat sie ihrer Mutter Schwester um eine Zufluchtsstätte und trennte sich mit harter Entschiedenheit von den Men schen, die doch mit Liebe an ihr hingen. Margret hatte erst durch den Boten, der ihr aus Wiesenborn die Antwort brachte, vernommen, daß Hildebrands einziges Kind gestorben sei. Jetzt konnte sie den Gedanken daran nicht los werden, und wie sie auf dem weichen Waldmoose in der grünen Dämmerung ging, über ihrem Haupte die leise sich wiegenden anmuthig rauschenden Wipfel der Fichten, umfangen von der belebenden Ausströmung deS HarzeS und des feuchten Bodens: stiegen auch immer freund lichere Bilder von der neuen noch unbekannten Heimath in ihr auf, und sie sah sich in derselben nicht als Magd, sondern als Tochter und Herrin deS HauseS; doch die bunten Fäden ihres Traumgespinstes wurden durch eine kräftige Stimme zerrissen, die mit einem marsch mäßigen Soldatenliede den Wiederhall deS Waldes weckte. Der muntere Sänger kam hinter Margret hergeschritten, und als er sie bald erreicht hatte, unter brach er sein Lied und rief ihr zu: He! Jungfer, ist das der Fußweg nach Wiesenborn? Sie bejahte kurz, betrachtete sich aber doch den Fragenden. ES war ein hochgewachsener, kräftiger ,junger Mann, dem die grüne Jacke etwas bäurisches, das kurzgeschnittene Haar, der kleine braune Schnurr bart und dazu der kecke Blick und die straffe Haltung noch mehr soldatisches gab; daS Mädchen schien ihm zu gefallen, er blieb bei ihr zur Seile und frug, ob sie auch nach Wiesenborn wolle und ob sie dort zu Hause sei? Die Laubengrüner Webergesellen, deren Keinem es je gelungen war, andere als spitze und hoffärtige Reden von Margit einzutausche», würden sich gewundert haben, wenn sie hätten hören können, wie Margret auf diese recht dreisten Fragen den leid«