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llr. 100. Weißerih-Ieitung 21. PeceuAer 1855. Inserat» werden mit 8 Pf. für die Zeile berechnet ^und in allen Expeditionen angenommen. Freitag. Erscheint Dienstags und Freitag». Zu beziehen durch alle Postanstal- ten. Preis pro Duart. IV Ngr. Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann. verantwortlicher Rcdacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Das Concordat Oestreichs mit Rom ist die große Eroberung, welche die katholische Kirche in Deutschland gemacht hat, größer als Alles, waS die vereinigten Mächte Frankreichs England, Cardi- nie» und die Türkei im Osten mit dem Blute vieler Tausend seiner treuen Söhne erkauft haben. Zwischen der Regierung Oestreichs und dem päpstlichen Stuhle ist nämlich nach längeren Verhandlungen Anfang Nov. d. I. ein Vertrag zu Stande gekommen, in welchem sich daS östreichische Regiment vieler seiner Rechte be- giebt, welche die Fürsten der Kirche, die Bischöfe, im Namen RomS unbeanstandet zu den ihrigen machen. Heben wir einige Hauptpunkte beS Coneordals heraus. ES ist darin „die Freiheit der Kirche in ihrem Einfluß auf Erziehung und Unter richt" dermaßen gewährt, daß nicht nur das ganze Schulwesen den kirchlichen Inspektoren überlassen, son dern auch ohne ihre Ermächtigung Jedermann das Lehren der Theologie untersagt ist, und eS läßt sich denken, welche Bedingungen die Bischöfe an diese Er mächtigung knüpfen werden. Nicht minder ist der Kirche „'die Freiheit in ihrer Regierung und Verwaltung" zuge- standen, und zwar durch die Bestimmung, welche den Bischöfen daö volle Recht einräumt, die Geistlichen zu strafen, welche die kirchliche Disciplin übertreten, und Strafen gegen jene auszusprechen, welche die kirchlichen Gesetze verletzen, — also erforderlichen Falls auch gegen den Kaiser, wie weiland Papst Gregor VII. gegen Heinrich IV. Dann sollen auch „die Kirchen güt er nach den kanonischen Vorschriften verwaltet wer den" gemäß der geforderten „Freiheit der Kirche in der Verwaltung ihres zeitlichen Gutes." Mil nicht geringer Gewißheit ist zu erwarten, daß man mit der Zeit „die Verwaltung der Kirchen güter nach den kanonischen Vorschriften" in die „Wie- derherauSgabe der Kirchengüter" übersetzen werde, wie eS bereits die „Wiener Kirchenzeitung" am 23. October »hat. Auch darf man nicht bezweifeln, daß Oestreichs Kirchenfürsten verlangen werben, „daß man ihnen (als die Folge der Herrschaft über den Unter richt) von dem Inhalte deS geschichtlichen Unterrichts in geeigneter Weise Kenntniß zu nehmen gestatte." Und was hat die gesammte Literatur, die deutsche, wie die ausländische, für Aussichten? Wird man nicht bald dem Vorgänge der Geistlichkeit andrer Orte, die das Lesen deutscher Klassiker, besonders Göthe's, ihren Beicht kindern untersagt hat, nachfolgen? Im Zeitungswesen ist schon mit der „Times", dieser unabhängigen, gewal tige» Stimme deS engl. Volkes, ein kleiner Änfaiig ge macht worden. Freilich waS die größten Geister unserer Zeit zu denken wagen, das harmonirt nicht mit solch einem Concordat mit Rom. Freie Forschung auf den Gebieten der Religion und der Naturwissenschaften kann nicht in Einklang mit den Absichten der alten katholischen Kirche gebracht werden. Traurig freilich, baß ein Rückschritt, wie der vorliegende, in einem Jahr- Hunderte größter Aufklärung, zu einer Zeit geschehen kann, in der unangefochten daS einst strengkatholische Spanien (vor kaum länger als hundert Jahren der Sitz der Inquisition) die Kirchengüter zum alleinigen Nutzen deS Staates verkauft, — zu einer Zeit, in der Turin, diese benachbarte Macht deS Kirchen staates, sich ruhig von Rom lossagt, und ruhig den Bannstrahl hinnimmt, den der Papst über Fürst und Volk geschleudert, — in einer Zeit, in welcher der Kaiser Frankreichs die Legaten Roms zwingt, dem ercommunicirten Könige von Sardinien ihre Huldi gungen darzubringen. Einige östreich. Zeitungen haben nun das Con cordat mit sehr empfehlenden Worten eingeführt und an demselben gerühmt, daß eS den vollen ungeschmä lerten Stempel der Kaiholicität offen und rückhalts- loö an sich trage, daß eS die Befreiung der katholi schen Kirche von jeder Störung in der Entfaltung ihres Wesens und ihrer Lebenskraft, die Aufhebung aller Schranken zwischen dem Oberhaupte und seiner großen, alten und treuen Gemeinde im Kaiserstaate auSsprechc rc. rc. In dieser rückhaltslosen Anerken nung der katholischen Kirche, wie dieselbe östreich. Ztg. sagt, soll aber auch eine sichere Gewähr für alle andern religiösen Genossenschaften deS Kai serstaates liegen. Wir wagen'S nicht zu hoffen, noch getrauen wir unS, eS auS den Zeilen des ConcordatS herauözulesen. WaS man bis jetzt hat vernehmen können, scheint auch unsere Befürchtungen zu bestätigen. Um nur Eines anzuführen, heben wir einige Bemer kungen aus einer Neve heraus, die ein östreichischcr Schulrath bei der Generalversammlung eines katholi schen Vereines gehalten bat. In derselben wird alles Ernstes von einer „katholischen Sprachlehre" gehandelt, und zwar als einer heiligen Forderung, der man im Leben Geltung verschaffen müsse. WaS aber eine ka tholische Sprachlehre ist, das wird durch folgende Bei spiele des k. k. SchulratheS klar werden: ES dürfe nicht heißen „Kaiholieismus," sondern die „katholische Kirche;" denn durch die erste Bezeichnung weree der heilige katholische Glaube gleichgestellt mit dem Judais mus, Protestantismus, Rationalismus und Materia lismus; „der heilige katholische Glaube ist kein — Is mus !" Eben so fehlerhaft sei es, von einer protestan tischen Kirche zu sprechen, „denn die Protestanten sind