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57V platze ein — in einer hohen Säule mit co- lossalem Standbilde bestehendes Denkmal gesetzt werben soll. — Vorigen Sonnabend hat auf Grassi'S Villa eine Versammlung der Auctionäre stattgefunden, welche sich für Errichtung einer baierschen Bierbrauerei daselbst mit Felsenkellern interefsiren. Die ziemlich zahlreiche Versammlung beschloß, vorläufig ein Comits von sechs Mitgliebern zu wählen, welches das Pro jekt zunächst in genaue Erwägung ziehen und die nöthigen Vorarbeiten besorgen, dann aber einer zu berufenden Generalversammlung specielle Vorschläge eröffnen soll. Weimar, 15. Nov. Ein kolossaler Proceß der seltsamsten Art beschäftigte diese Woche drei Tage lang die hier abgehaltenen Assisen. Ein Gärtner auS dem Schwarzburgischen, welcher vor Jahren einen vornehmen Herrn, der in Göttingen Medicin studirte, daselbst bediente, hatte von diesem Studium die Kunst profitirt, gefallene Mädcheu und ehebrecherische Frauen auf medicinischem Wege von den lebendigen Zeugen ihres Vergehens zu befreien. Er trhch dieses Gewerbe nun Jahre lang mit einer, wie behauptet wird, an Oeffentlichkeit grenzenden Weise, so daß Viele, beson ders von der i.iebern Volköclasse, welche sich seiner Hülfe bedienten, eS in dem guten Glauben lhun mochten, daß dieß ganz unverfänglich sei. Eine Cur aber, welche lebensgefährlich endete, machte die ganze Geschichte ruchbar, und die hierauf eingeleikete Unter suchung brachte außer dem famosen Gärtner und noch drei der Beihülfe angeklagten Männern, 17 längst verheiratete Frauen wegen solcher angeblich in der Blüthe ihrer Jahre begangenen Verbrechen vor die Assisen, während die Zahl der verschwiegen gebliebenen Fälle des Zehnfache betragen und sich weithin erstrecken mag. Alles, was sich Billets zu dieser geheimen Ver handlung verschaffen konnte, und selbst aus den be nachbarten Städten strömte in den Geschwornensaal, und stets waren die Pforten von einer Masse Men schen umlagert, welche die interessanten Angeklagten sehen wollten. Die Geschworenen sprachen alle bis auf drei Frauen und den Gärtner selbst frei, wogegen aber die Staatsanwaltschaft Nullität einwendete. Hamburg, 16. Novbr. In unserer Stadt ent steht jetzt eine wohlfeile Speiseanstalt nach der andern. Hamburg mit seiner außerordentlich zahl reichen arbeitenden Bevölkerung, seiner biltern Armuth —- die freilich in solchem Maße, wie sie wirklich eristirt, der reichen Welthandclsstadt kaum zugetraut wird — und seinem regen Sinn, das Praktisch-Nützliche zu fördern, kann die Volköspeiseanstalten nur freudig be grüßen, und ihr Gedeihen ist unzweifelhaft. — Das Zustandekommen einer direkten Dampfschifffahrt zwischen hier und Brasilien, schon so lange projectirt und immer wieder an unerwarteten Hindernissen ge scheitert, ist jetzt als gesichert zu betrachten. Man kann der Eröffnung dieser Linie zum Frühjahre ent- gegenschen. — In der abgelaufenen Woche kamen 19 Schiffe von überseeischen Plätzen hier an und 1 i segelten von hier nach tranSatlandischen Häfen ab. Seil Jahren hatte man am hiesigen Platze kein so außerordentlich lebhaftes Geschäft in Kaffee wie jetzt. Importier wurden in diesem Jahre bereits rirca 80 Mill. Pfd. Kaffee, und wie stark der Absatz ist, kann man daraus entnehmen, daß derselbe allein innerhalb der letzten acht Tage 75,000 Sack oder 8 Mill. Pfd. erreichte, eine Masse,welche fast Bremens ganzem jähr- lichen Kaffeeumsatz gleich kommt. Der theuerste unter allen Colonialwaaren ist jetzt Zucker. Er stieg so hoch im Preise, baß man beinahe glauben könnte, wir hätten auch unter Napoleon D die Continentalsperre. London, 18. Nov. Omer-Pascha's siegreich vordringendes ArmeecorpS wird in hiesigen wohlunter richteten Kreisen als Vorhut der alliirten Armeen be trachtet. Sei eS, daß die geheimen Nogociationen mit Rußland bereits in eine Phase getreten sind, welche den Abzug der Armeen aus der Krim als wünschenöwerth erscheinen läßt, oder sei es, daß die Interessen Englands und Frankreichs ein festes Fuß fassen auf der Straße nach Indien und Konstantinopel erfordern — genug, man stellt den Marsch Omer- Pascha's nach Tiflis als einen meisterhaften Schach zug der westmächllichen „Diplomatie" dar und sieht mit ihm einer neuen und günstigen Wendung des Kriegs entgegen, welche zu einem bestimmten Friedens resultate führen muß. DaS wäre nicht der Fall ge wesen, fügt man hinzu, wenn die Fortführung des Kriegs auf „europäischem" Kampfplatze beliebt worden wäre. Abgesehen von den Gefahren eines allgemeinen Kriegs, dessen Ende nicht abzusehen, hätten drohende Gefahren für den Bestand der westmächllichen Allianz eintceten müssen. Der „asiatische" Kriegsschauplatz wurde im rechten Momente als der Blitzableiter dieser Schwierigkeiten gewählt. Die Alliirten waren darauf bedacht, ihren Armeen einen ehrenvollen Abzug auf einen neuen Kriegsschauplatz zu gewähren, eine Maß regel, die sowol dem militärischen Ehrgeiz der Armee, — als einem voreiligen Geschrei über einen unehrenv ollen FriedenSabschluß weise Schranken setzt. Omer-Pascha wurde daher zur Eröffnung deS „armenisch-georgischen Kriegs" mit einem schwachen Armeekorps abgesender, dessen Verstärkung durch alliirte Truppen auf natür lichem Wege erreichen wird, waS eine Einschiffung der Krimtruppcn nach heimathlichen Häfen Mißliebiges mit sich gebracht hatte. Während auf den entlegenen Ebenen Georgiens und Armeniens die alliirte Armee neue Lorbeeren erwartet und die öffentliche Aufmerk samkeit diesem Kriegsschauplätze zugewendel ist, wird die russisch-„europäische" Territorialfrage aus dem Be reich eines Kampfes gezogen, der wider Willen der westmächllichen Cabinete den Charakter eines Erobe rungskriegs angenommen hat. Es ist selbstverständ lich, daß ein Wechsel des Kriegsschauplatzes die Streik, kräfte Rußlands auf einen andern Punkt seines Ter ritoriums ziehen muß, und aileö Dies macht begreif lich, weshalb Omer-Pascha nicht in Bakum gelandet ist und zum Entsatz des bedrängten Karö eilt. — Der Preisaufschlag in Korn, Thee und Zucker — in letzterm Artikel hatte er seit 1814 nicht seines Gleichen — darf nicht lediglich oder vorzugsweise auf Rechnung des Kriegs gesetzt werden. „Der Ein fluß, den diese Theuerung im kommenden Winter auf die Masse der Bevölkerung üben wird," so bemerkt die Times im City-Bericht, „macht eS doppelt noth- wendig, daß man keine Mühe scheut, um die öffent liche Meinung über diesen Punkt aufzuklären. Die Mißernte in Frankreich, Deutschland und Norvrußland hätte auch in Friedenszeiten den Getrcidepreis erhöhen müssen, während andere Artikel deshalb gestiegen sind, weil die Importeurs plötzlich gewahr wurden, daß sie zu geringe Vorräthe haben. Es ist wahr, die Ein-