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nie wahrhaft geliebt werden könne. Sie hatte noch nicht die Erfahrung, daß der Mttnb, der am freund lichsten lächelt, derjenige ist, dessen Zähne die schärf sten sind. Zwar strebte sie, nicht mehr nach Erobe rungen, aber sie wollte zeigen, daß eS nur an ihr liege, solche zu machen, und ihre durch die Gegenwart deS Prinzen und die daraus für sie »sprießenden Vor- theile geschmeichelte Eigenliebe ward durch diese- Hin derniß lebhaft geweckt. Franz kam ihr tyrannisch vor, baß er ihr diesen LiebeSbeweiS abgedrungen, und sie dünkte sich schwach, daß sie eingewilllgt hatte. Ihre Wellunerfahrcnheit hinderte sie daran, die Nolhwen« digkeit dieses Opfers einzusehen, daß sich ihre Eitel keit als so groß vorstellte. Franz brauchte doch nicht nach ihrer Meinung mehr lästig zu sein, als ihr ei- geneS Gewissen. Sie hielt eine üble Nacht und am folgenden Morgen bekam sie Nerven-Zufälle, welche in Verbindung mit ihrem heimlichen Kummer sie in eine sehr üble Laune und GemüthSstimmung versetzten. Franz bemerkte bald diese mit ihr vorgegangene Veränderung und fragte sie deshalb besorgt, »b sie sich leidend befände. „Ich habe nicht gut geschlafen,^ erwiederte Wil helmine, die lieber die Wirkung als Vie Ursache eingestehen wollte. „ES ist wahr, Sie sehen sehr übel auS und schei nen erschöpft," sagte Franz. „DaS heißt so viel, als Sie finden mich häßlich." Franz erschrak. „Sie wissen wohl, daß bieß bei mir nie der Fall sein könnte, selbst wenn Sie «Nn Andern so er scheinen würben." Wilhelmine schwieg und ihre Stirn blieb kum mervoll. Franz sann darüber nach, wie er wohl diese düstere Wolke, welche ihr Antlitz umlagerte, entfernen könnte, und glaubte das Mittel gefunden zu haben, wenn er ihr etwas Verbindliches sagte; aber unglück licherweise war der Gegenstand schlecht gewählt. „Ich vermag Ihnen nicht, thoriere Wilhelmine, die Größe meines Dankes auSzudrücken, dafür, daß Sie den Prinzen entfernt und eö nicht gewollt haben, daß auf meiner Gattin auch nur der leiseste Verdacht hafte, da nun bald die Lästerzungen zum Schweigen werden gebracht sein." Aber wie ein Pfeil riß dieseRedeWilHelminenS HerzenS-Wunden von Neuem auf. „Sie haben in der That Ursache, mir Dank zu wissen; ich habe mir einiges Verdienst erworben, baß ich einer so unvernünftigen Grille nachgab und an das eingebildete Uebel glaubte, womit mich Ihre Eifer, sucht bebrohss. Zwar leidet darunter der Wohlstand meines Vaters und seine Reputation ist fast dahin, aber man muß sich wohl an Gehorsam gewöhnen, wenn man sich zu verheirathen im Begriffe steht; man muß nun wohl das Noviciat seiner Sklaverei antreten." „Ich versichere Ihnen, theuerste Wilhelmine," erwiebecte Franz, dessen Verwunderung immer hö her stieg, „daß mich nur die wichtigsten Gründe, die Besorgniß um Ihre Ehre, die mir theuerer als mein Leben ist, bestimmen konnten, ein solches Opfer zu verlangen." „Dies kommt daher, weil Sie nie zufrieden zu stellen sind. Ein Anderer würde froh gewesen sein, wenn ich, von Anbetern und Schmeichlern umringr, die mir ihre Huldigungen darbrachte», ihm unter die- sem Schwarme, aus dem mehrere keineöwegeö zu ver achten waren, den Vorzug gegeben hätte; ein Ande- rer würde sich damit begnügt und nicht mehr verlangt haben; aber Ihnen war eS nicht genug, mich zur Gattin zu haben!.. .Sie mußten mich unterjochen." Franz konnte sich nicht mehr halten. „Sie wissen," rief er, „ob ich stolz auf diesen Vorzug bin; doch erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, daß ich schon lange vor den Andern ihn zu verdienen mich bestrebte; baß, als Sie noch nicht so von Hul digungen umgeben, als Sie noch nicht alle die Rehe besaßen, welche jene anlocken, ich da war und Sie meiner Liebe schon das waren, waS Sie jetzt der Be- wunderung Aller sind." „Das heißt," fiel Wilhelmine ein, „Sie wer. fen mir das vor, waS Sie für mich th.aten, als ich häßlich und leidend war. Ganz vortrefflich!... Ohne mich zu beklagen, bringe ich Ihnen wirkliche Opfer! ...und ohne Zartgefühl und Schonung wollen Sie mir ein Opfer zum Vorwurfe machen, was nicht ein mal eins sein würde, wenn Sie die geringste Lieb» für mich fühlten... Ich sollte die Zukunft meines Va- terS einer unbegreiflichen Empfindlichkeit., einer grunb- osen Eifersucht aufopfern, um mit so viel Undank be lohnt zu werden? DaS verlohnte sich der Mühe; der Prinz kommt wieder, er soll wieder kommen, denn ich will eS so!" „Sie bedenken nicht, waS Sie.sagen, Wilhel- m i n e." „Ich bedächte eö nicht, wenn ich so leichtsinnig ' Ihretwegen vergessen wollte, waS ich meinem Vater schuldig bin. Eben weil ich eS jetzt bedenke, soll der Prinz wiedcrkommen." „Aber denken Sie auch daran, waS man davon halten wird; stellen Sie sich vor, wie Sie dadurch den ärgerlichen Gerüchten, die über Sie im Umlaufe sind, Vorschub leisten." „Wie dem auch sei, ich will eS; wenn ich einen Mann deS Vorzugs gewürdigt habe, so "mag er nicht mehr meinen Ruf und meine Ehre vertheidigen, als ich es selbst thue. Ich will für ihn unschuldig sein, wie ich es für mich bin, selbst wenn ich Andern straf bar erschiene, waS übrigens nichts beweist. Ich will, daß ein einziges Wort von mir lallter in seinem Her zen ertöne, als die Gerüchte einer ganzen Stakt, wo fern sie eristiren; ich will, daß er ohne Unruhe einen Prinzen bei mir sehe, selbst wenn er in der. Absicht, mich zu verführen, käme. Er soll wissen, daß, wenn ich ihm einmal Treue geschworen habe, mein Eeid und mein Leben Eins, geworden sind und sich nur zusam- men auflösen. Und wenn er kein Vertrauen zu mir hat, so ist er meiner Liebe unwürdig. Der Prinz soll kommen." „ES ist unmöglich, Wilhclminx; ich kann Sie nicht Ihrem Verderben entgegen gehen selben." „Wer wollte mich daran hindern?... „Ihr Vater und ich, wenn eS sein muß!... Wenn Sie im Begriffe wären, sich in die Spree zu stürzen, so müßte man Sie zurückhalten... wir werden Sie an dem Rande eines noch gefährlicheren Abgrundes zurückhalten, und wenn es sein muß, so werden wir Sie mit Gewalt zurückhaltcn." (Fortletzung folgt.)