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/reitag. l 00. 22. Pecemöer 1854. Erscheint Dienstag» und Freitag». Zu bezieht« durch alle Pöstanstal- ten. Pret» pro vuart. lONgr. Z»sn»te Weißmh-MnngM genommen. Ein unterhaltende- Wochenblatt für den Bürger und Landmann. Verantwortlicher Nedacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Ueber die Abtretung der Leipzig-Dresdner Eisenbahn an den Staat. Lor mehr als IS Jahren war es eine Anzahl ein sichtsvoller und spekulativer Köpfe, die den Entschluß faßte, »ine Eisenbahn zwischen Leipzig und Dresden — die erste in Sachsen und eine der ersten in Deutschland — anzu legen. Unbekannt mit dem Erfolge, den ein solches kost spieliges Unternehmen haben würde, war der Versuch ein gewaltiges Wagniß zu nennen. Niemand ahnte damals, daß sich das Unternehmen so glänzend belohnen würde, wie dies die nächste Zukunft erwies; Niemand hätte ge dacht,, daß dieser Bahn bald der Bau vieler anderen Bah nen folgen würde. Weil fast von Jedermann, auch von der Regierung, mehr das Wagniß bei der Sache, als dir sichern Früchte erkannt wurden, so war es natürlich, daß man Seiten der Regierung gar nicht die Absicht hegte, sich jemals bei der Eisenbahn-Angelegenheit wirtlich zu bethei- ltgen; sondern man ließ gewähren und gab — was für neue Erfindungen stets sehr anregend ist — den Unter- aehmern die ausgedehntesten Freiheiten. Der Erfolg übertraf die Erwartungen jener Zeit be deutend, und die Regierung bemerkte nur zu spät, daß sie sich bei der Genehmigung der Statuten der Eisenbahn- Gesellschaft alle Gelegenheit hatte entgehen lassen, die herr lichen Früchte des neuen Werkes jemals für sich nutzbar zu machend Zwar sah sie sich in nachfolgenden Fällen vor, und setzte sich auch bald in den Besitz der später gebauten Eisenbahnen deS Landes; aber die Hauptbahn fehlte ihr noch immer und fehlt ihr auch heute noch. Sie that des halb Schritte, das Versäumte nachzuholen, und zwar einen entschiedenen Schritt am 6, März d. I. Das Finanz ministerium ließ nämlich an diesem Tage an das Direc- torium der Gesellschaft eine Verordnung ergehen, des In halt»: Die Staatsregierung habe erwogen und gefunden, daß tS zweckmäßig sein würde, auf Erwerbung der Leipzig- Dresdner Eisenbahn Bedacht zu nehmen. Sie wünsche deshalb von dem Directorium im Vereine mit dem Ge sellschafts-Ausschüsse der L.-D. Eisenbahn-Compagnie Er klärung darüber, ob sie gemeint sein würden, auf Unter- Handlungen in dieser Sache einzugehen. Directorium und Ausschuß gaben darauf am 15. April »tue entschieden ablehnende Antwort. Das Ministerium beruhigte sich hierbei nicht, sondern lteß am 12. Mai eine zweite Verordnung folgen, die sich dahin aussprach: Es würden dem Directorium der rc. Compagnie di« Vorwürfe bekannt sein, die man der Re gierung deshalb machte, weil sie die Concession zum Baue und Betriebe der L.-D. Eisenbahn wedcr an eine bestimmte Zeitdauer geknüpft, noch auch deren Wiedereinlösung durch. d«n Staat unter voraus bestimmten Bedingungen Vorbe halt«« hab». Diese Vorwürfe seien allerdings ungerecht, aber sie regten die gegenwärtige Regierung um so mehr an, jetzt — falls die Möglichkeit da wäre — eine Erwer bung der genannten Bahn für den Staat einzuletten. Außerdem fordere auch die Lage der Dinge — näpiich die Schwierigkeiten, die der Regierung daraus erwüchsen, daß sie die Verwaltung über Bahnstrecken habe, die durch die L.-D. Privatbahn unterbrochen würden — und man cher andere Grund, sich einem nähern Eingehen auf. dies« . Angelegenheit nicht länger zu entziehen. Dabei komme auch das mit in Sprache, daß in nächster Zett die Re gierung den Ständen neue Eisenbahnprojecte — Fortsetzung der Chemnitz-Riesaer nach der Sächsisch-Bairischen Staats bahn, eine nähere Schienenverbindung zwischen Chemnitz und Leipzig und endlich eine direkte Eisenbahnverbindung zwischen Leipzig und Wittenberg über Bitterfeld — Por zulegen habe. Auch lisge der Regierung die Nothwendtg- keit vor, eine angemessenere Besteuerung der Eisenbahnen in Erwägung zu ziehen. Die weiteren Folgerungen zu überlegen, wird dabei den Interessenten überlassen. Da zu gleicher Zeit die L.-D. Eisenbahn-Compagnie auch die Aufgabe hat, auf eine Anleihe von l'/r Mill. Thlrn. Bedacht zu nehmen, so legt die Regierung der Ge sellschaft, bevor sie jenen Schritt thut, nochmals die Frage auf eine Veräußerung der Bahn vor; wobei sie theilS sogleich, theils auf eine Eingabe deS Directorium- -- am 24. Aug. d. I. — folgende Bedingungen als letzte dieser Art aufstellt: 1) Die Gesellschaft tritt an den Staat ab u) di« Bahnstrecke von Leipzig bi- Dresden, b) die Strecke der Leipzig-Magdeburger Bahn bis an die LandeSgrenz«, c) alles Zubehör sammt allen Rechte», und Verbindlich keiten, li) den für die Angestellten angesantmelten Vater- stützungSsond, — behält jedoch für sich den Reservefonb, der mithin zur besonderen Vertheilung unter die Aktionär« kommen würde. . 2) Der Staat gewährt für jede der 50,000 Stück Aktien eine Staatsobligation im Nennwerthe von 200 Thlrn., die er vom l. April 1854 ab mit 4 Procent verzinst, 3) Verspricht der Staat Tilgung dieser StaatSoblt' gqtionen durch Ausloosung nach l Procent alljährlich uut»r Zuschlag der durch die Ausloosung erspart werdenden Zinsen. 4) Uebernimmt oder resp. entschädigt er die Beamten der Gesellschaft rc. rc. Nachdem wir nun die von der Regierung angezogenen Gründe, die theils für jene, theils für die Gesellschaft maßgebend sein sollen, nichtMilder die von jener gestellten Kaufsbedingungeil bezeichnet habe», glauben wir an der Stelle angekommen zu sein, wo wir noch Einige- zur Prü fung des Angeführten zu sagen haben, — bevor wir de» zuletzt gefaßten Entschluß der Bahninhaber mitthcilen,