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418 k' r s ii i tero! Hängt den Verräther! Indessen gelang es den Vorstellungen und dem Einflüsse San-Miguel's, die gewaltige Aufregung, wenigsten- äußerlich, zu be schwichtigen. Gegen Mittag brachte die amtliche Zei tung das folgende an dir Gouverneure der Provin zen gerichtete, von allen Mitgliedern des CabinetS unterzeichnete Rundschreiben: Die täglich immer dringender sich herauSstellcnde Noth- wendlgteit, daß einerseits die Königin-Mutter, Frau Maria Christina von Bourbon, nicht in den spanischen Staaten residire, und daß man anderseits die Verantwortlichkeit sichere, zu der ihr Benehmen, in welcher Epoche es auch sei, Veranlassung geben konnte, hat den Ministcrrath genothigt, nach reiflicher Erwägung über einen Gegenstand, mit dem die nationalen Interessen und die Würde der Dynastie in naher Beziehung stehen, zu beschlie ßen: 1) Die Auszahlung der Pension, welche die CorteS von 1845 der Königin-Mutter bewilligt hatten, bis zu einer neuen, von den CorteS in dieser Beziehung zu «rtheilendcn Bestimmung einzustellen: 2) alle der ge»»nnten Dame und ihrer Familie ge hörigen, in Spanien beltgenen Güter so lange mit Beschlag zu belegen, bis die eben gedachte Bestimmung erfolgt ist, um alle die Auflagen zu decken, welche in den CorteS beantragt werden können; L) die genannte Dame, begleitet von ihrer Familie, zur sofortigen Entfernung aus dem Königreich anzuhalten, mit dem Beifügen, daß sie in dasselbe nicht eher zurückkehren kann, als bis die CorteS über ihre künftige Residenz entschieden haben werden. Madrid, 27. August 1854." Eine Nacht im Gefängnisse. Eine schwäbische Dorfgeschichte. (Schluß.) Am andern Abend aber, obwohl es ein Wochen tag war, ging er zum Bierhaus. Er traf nur einen einzigen Gast an; einen Güter- buchScommiffär, der im Biechause Kost und Wohnung nahm, und an Sonn- und Feiertagen auch „Herren leute" seiner Bekanntschaft von der Stadt her in das selbe führte. Derselbe wurde von den Wirthsleuten eben darum mit äußerster Höflichkeit behandelt; im Dorfe jedoch war der Respekt vor ihm nicht groß, da er für einen grundsatzlosen, leichtsinnigen Menschen und Religionsspötter bekannt war. Er nickte Hansjörg vertraulich zu, und dieser, so wenig er sonst Gefallen an dem Commissär fand, fühlte sich doch geschmeichelt, daß der „Herr" ihn so als Seinesgleichen behandle. Das Kätherlc setzte sich zu ihnen, und die Unterhaltung wurde bald lebhaft, indem sie ihren ge wohnten, schneidenden Witz über die Sitten deS Dor fes ergoß. Der Commissär munterte sie durch Bei fallslächeln immer mehr auf, und auch HanSjörg, der sonst strenger dachte, stimmte ihr heute bei. Da bei leerte er eine Halbe um die andere, erhitzt vom Gespräche, wie von dem milgebrachten Aergec. Endlich unterbrach ein dritter Gast die Gesell schaft; eS war deS Schuldheißen Sohn, ein sehr nüch terner, gesetzter, junger Mann. Er hatte mit dem Bierwirth über einen Acker zu handeln, den dieser feil bot. Da der Wirth eben nicht zu HauS war, ließ er sich eine Halbe geben, und setzte sich, etwas abseits von den Beiden/nieder, um auf denselben zu warten. Hansjörg war crröthet, als der neue Gast in die Stube getreten war; er empfand etwas Be schämung, mit der jedoch der Zorn stritt. Er fühlte daß deS Neuangekommenen Blicke ernst und nachdenk lich auf ihm ruhten, und so oft er ihnen mit zorni gem Blicke begegnen wollte, so hielten die seinen doch dem ruhigen Äug' gegenüber nie stand. Das Gespräch natürlich war verstummt, als der Schulzensohn eintral. Endlich brach der Commissär das verlegene Schweigen: „Wir sind zu drei; wie wärS, wenn wir ein Spielchen machten?" Ich kenne keine Karten," antwortete ruhig der Schulzensohn. Der Commissär lächelte höhnisch; aber in seinem Blick blitzte eS dämonisch auf; er wußte, baß die streng rechtschaffene Familie des Schultheißen eS hauptsäch lich war, die ihn verachtete, und er hatte den Schult, heißen in Verdacht, daß er beim Oberamtmann über seine Sittenlosigkeit geklagt hätte. Hansjörg aber nahm seine Rede für einen Stich auf sich und er- wiederte trotzig: „Du meinst eS wäre kein Schabe, Wenns Andere auch nicht verstünden!" „Ich läugne eS nicht!" erwiederte der Schulzensohn gelassen. Dem Hansjörg stieg das Blut noch mehr in den vom Trinken und Reben erhitzten Kopf. In diesem Au genblick traf ihn ein ermunternder Blick des Käth er les, die sich hinter den Ofen zurückgezogen hatte. Sie haßte des Schulzen Familie natürlich mehr als irgend eine andere im Dorfe. Der Blick zehrte HanSjörgö letzte und übrige Besonnenheit auf. „Sag's noch einmal!" rief er dem Gegner zu. „Ich suche keine Händel," erwiederte der'Schulzensohn. „Nein, du suchst keine Händel: du machst sie nur hinter dem Rücken der Leute; geh' jetzt immer und plaudere es daheim aus, wo du mich gesehen hast! Ich werd' dir'S nicht einmal abläugnen!" schrie Hansjörg immer wilder. Jetzt rötdcte sich auch des andern Mannes ernstes Gesicht: „Ich brauch nichts hinter deinem Rücken zu sagen!" sprach er mit Nachdruck; „waS wahr ist, sag' ich dir auch in's Ge sicht, — daß dir dieses HauS und diese Gesellschaft nicht gut ansteht. Du mußt mir selber Recht geben, denn — du magst'ö läugnen oder nicht — du hast dich geschämt als ich hereinirat!" „Ich mich geschämt! du!" rief schäumend HanSjörg, und sein GlaS flog dem Schulzensohn hart am Kopfe vorüber. Nun schnellte auch dieser auf, und im nächsten Augenblicke lagen sie im Handgemenge. Beide waren junge, kräftige Männer; eine Zeit lang rangen sie, ohne ei ner deS Andern mächtig zu werden; da fühlte Hans jörg, wie deS Commissärö Hand in seine Tasche glitt, und im nächsten Augenblick sank der Schulzen sohn mit dem SchmerzenSruf: „O JesuS!" nieder. ES war sein letztes Wort; da lag er wie tobt; sein Blut aber strömte über HanSjörg, der ihn umfaßt hielt. ES war HanSjörg nicht anders, als hätte man ihm selbst das Messer in das Herz gestoßen; er war plötzlich nüchtern geworden, wie nie in seinem Leben. Da stand er und starrte verzweifelnd in des Ermordeten blasses Gesicht; eS war derselbe einst sein liebster Freund gewesen, sein Schulkamerade, der mit ihm eingesegnet (confirmirt) worden war. Es wäre schwacher Ausdruck, wollte man sagen, er glaubte, die Wände müßten über ihn hereinfallen; er wäre ja froh gewesen, wenn sie'S nur gethan hätten. Scheu blickte er nach dem Mörder um, der aber stand in frecher Ruhe und schien an Flucht gar nicht zu denken. In-