Volltext Seite (XML)
bereitet über den „kranken Mann" herfallen zu können, wodurch ganz Europa wieder in Kriegsgefahr gesetzt würde. Mit solcher Sicherheit ohne Bürgschaft ist am allerwenig sten Oesterreich gedient, welche» bet seinen Finanzzu- ständen wahrlich keine Ursache hat, zu wünschen, daß sich die Kosten einer KriegSrüstung schon nach einigen Jahren wiederholen, von denen der Erfolg sein könnte, daß zu letzt da» österreichische Gebiet von allen östlichen Seiten mit russischen Schlagbäumen eingeschloffen würde. Eng. land und Frankreich können sich allenfalls wie der sibiri sche Bauer mit dem Gedanken trösten: „Gott ist groß und der Czaar ist weit," aber Oesterreich weiß, daß die Kosaken nicht weit von Ungarn find. Bei solchen naheliegenden Ergänzungen glauben wir, daß die Glätte und Höflichkeit des russischen Unterhänd lers in Wien nicht viele Geschäfte machen wird; aber in Berlin scheinen die Erfolge der russischen Diplomatie nicht gering, denn ein preußisches ministerielles Blatt „die Zeit" sagte jüngst: man dürfe Rußland nicht schwächen, denn dies sei eine Schwächung Deutschlands (?). K. KatechksrmrS-Gxanrttra. So bedenklich wir eS auch hallen, uns mitten in den, meist politischen Besprechungen, ans das kirchliche und religiöse Gebiet zu begeben, so glauben wir doch, daß es nicht unpassend ist, auch hiervon nicht ganz fremd zu bleiben und vielleicht auch hierdurch etwas Gutes zu fördern. Wir erlauben uns daher, in einigen Wor ten dem oben angegebenen Gegenstände einige Spal ten zu widmen. Seit einiger Zeit sind die, in frühe, rer Zeit sehr üblichen Katechismus-Eramina wieder angeregr worden, da hie und da ihr Bestehen gänzlich aufgehört halte, oder dieselben, wo sie noch bestanden, doch sehr schwach und willkührlich besucht wurden. Die oberste Kirchenbehörde hat eS daher für nothwendig krachtet, ein regeres Leben in diese Ange legenheit zu bringen und die Theilnahme an diesen kirchlichen Unterredungen von Neuem wieder einzu schärfen. Zwar kann eS nicht unbemerkt bleiben, wie Manche wohl mit scheelem, vornehmen Blick hcrabschauen auf diese Einrichtung, von der sie, als etwas Veraltetem und nicht mehr Zeitgemäßem, nie mehr ein Wieder erstehen zu sehen glaubten. Es ergehet diesem Institut wohl auch eben so, wie jeder Sache, die Gutes in sich trägt, aber nicht jeder individuellen Meinung zusagt. Insbesondere müssen wir bedauern, wie die genannte Einrichtung hie und da von Solchen mißliebig beunheilt wird, de nen wohl gerade ihre Stellung die Förderung dieser Sache willkommen sein sollte; wir meinen Diejenigen, dir junge Leute unter ihrer Aussicht und Führung ha ben, deren Zucht und Besserung ihnen vorzüglich am Herzen liegen sollte und die sich freuen sollten, daß durch die Wiedereinführung doch etwas geschehen ist, um aus die Gemülher der jungen Leute wohlthätig einzuwirken, sie zur Zucht und Sitte zu leiten und in ihrer Pflicht zu befestigen. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß viele Glieder in den Gemeinden sich über die Wiederein führung freuen. Denn sie selbst haben sich früher die sen Uebungen unterzogen; Eltern und Voreltern ha ben daran Theil genommen und sehen die Aelteren vorzüglich ihre Kinder und Enkel ebenfalls an dersel ben Stätte und zu demselben Zwecke im Gotteshause versammelt undnahmen mit großem Interesse daran Theil. Nicht minder aber dürften diese Uebungen für die jungen Personen heilsam und wohlthätig sein. Vor qllem schon aus dem Grunde, weil dadurch ih nen der Besuch der Kirche anbefohlen ist, von dem am meisten die Jugend sichjpzurückzieht; in den Bet- stunden und RachmittagSgottesdiensten werden wir Jünglinge und Jungfrauen vergebens suchen. Ohne hier den Eiferer machen zu wollen, so ist man doch der allgemeinen Ueberzeugung, daß die Jugend jetzt eine Richtung verfolgt, die keineswegs auf die Pfade der Tugend, sondern auf den Weg der Zügellosigkeit, LaScivität und Unhöflichkeit führt. Die junge Welt hat so wenig Schaam und Anstandsgefühl, daß der Sittsame über das oftmalige Thun nnd Treiben jun ger Leute erröthen muß, und wagt er es, sein Miß fallen aus Liebe zum Guten zu erkennen zu geben — ein schallendes Gelächter ist Antwort für ihn. Ins besondere gilt dies von solchen Orten, wo die Polzei kein wachsames Auge hat. ES geschieht nicht selten, daß solche Burschen und Mädchen, vorzüglich nach Tanzbelustigungen. die Straßen nächtlich mit Lärm und ungenirten Wesen ungestört und ungestraft durch, ziehen. Kaum aus der Schule entlassen, so wähnen sie sich gemachte Lenke zu sein, rauchen Cigarren, spie len, trinken, grüßen nicht und haben ihr „Liebchen". Vom weiblichen Geschlecht will ich absehen: die Ro- ckeustuben mögen davon reden, die nun wohl aber, wo eS rechte Obrigkeit giebt, hoffentlich ihre End schaft erreichen werden. — Wo finden wir jetzt treue, fleißige und sittsame Dienstpersonen? haben die Herr schaften nicht Noch, solche zu erlangen? und wenn ja ein Dienstboie von sich eine eingebildete Meinung hegt und gesucht wird, welche unverschämte Forderun gen! Treibt eine solche Person nicht förmlich Wucher mit ihrem Dienst, indem sie, wenn heute ihr etwas mehr geboten wird, ungescheut morgen den Dienst zu verlassen, kein Bedenken trägt? Wo sind die Dienst, boten, die bei ihrer Herrschaft 10-20 Jahre treulich verharren — ? Und was erlauben sich diese Leute? wie klatschhaft, naschhaft, unsittlich, faul und nach, lässig sind viele! Wie zart wollen sie behandelt sein bei allen ihren Fehlern. Wie vergnügungssüchtig! ES thut uns leid, ein solches Bild von der jetzi gen Jugend entwerfen zu müssen. Aber die Üeber- einstimmung aller Guten und Rechtschaffenen spricht für die Wahrheit dieser Erklärung, und in rechtlichen Häusern und Familien gilt jetzt der Grundsatz, Söhne und Töchter von den übrigen Altersgenossen und Ge nossinnen möglichst zurückzuhalten. Wenn nun die Erfahrung lehrt, daß keine obrig- seitlichen Maaßregeln ausreichen, um die eigentliche Geistesrichtung der jungen Leute zu zügeln und zu recht zu lenken, und wenn man der Meinung ist, daß eine Verbesserung so mancher Verhältnisse von der Zucht der Jugend ihren Anfang nehmen muß, soll da nicht jede Gelegenheit freudig begrüßt werden, die diesen Zweck im Auge hat? Und gewiß kann durch die genannten kirchlichen Unterredungen so manches Unkraut auSgerissen, mancher gute Same gestreut und die Richtung der, an sich nicht unlenkbaren jugendli chen Gemülher unter den Ernst deS göttlichen Wortes gestellt werden. Sonntagsschulen und Fortbildungöanstalten be wirken dieß nicht völlig, denn sie wirken doch meist bloS auf die Verstandesbildung und Geschicklichkeit, nicht aber auf Herz und Leben. Es ist also mit die sen KatcchiSmuSeraminaS doch etwas geboten, wo