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52 Weißerih-Ieitung Verantwortlicher Redacteur: Carl Zehne in Dippoldiswalde. Freitag Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen Lurch alle Postanstal- tcn. Preis pro Quart lONgr 7. Juli 1854. Inserate werden mit 8 Pf. .für die Zelle berechnet >chu. in allen Ex peditionen an genommen. Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann. Die Hungersrroth in den höheren Gegenden unserS sächsischen Gebirges wird uns von zuverlässiger Seite in so erschütternder Weise ge schildert, daß wir nicht umhin können, den Blick unsrer Leser einmal ganz besonders darauf hinzulenken. Von der Gegend der Stadt Saida an, also ziemlich aus unsrer Nähe, bis hinaus an die bairische Grenze nähren sich — außer einer großen Anzahl von Bewohnern der Dörfer — viele Einwohner der größeren Städte und der vielen klei nen Städtchen fast einzig und allein von Fabrik- oder Handarbeit; zu letzterer gehört besonders die weit verbrei tete Spitzenklöppelei. Während bei guten Zeiten diese Erwerbszweige für das Gebirge ganz einträglich sind, und bei mäßigen Zeiten auch noch das Nöthige einbringen, so versiegen in einem Jahre, wie das lausende, plötzlich alle Quellen. Viele Erzeugnisse des gebirgischen Fleißes, unter denen wir besonders die Spitzen nennen, find so entbehrlich, daß zu einer so drückenden Zeit, wie die je tzige, Mancher von dem Ankäufe derselben absteht. Die diesjährigen Messen, die zwar nicht in jeder Beziehung unvortheilhaft ausfielen, endeten sehr zu Ungunsten des Gebirges. Lesen wir die Berichte der heurigen Nenjahrs- und Ostermeffe: Es fehlten die Käufer aus den Donau- fürstenthümern, aus Oestreich, Westpreußen, Rußland, dem Orient, und der Absatz an Maaren der Weberei und Spinnerei, an Posamentier-, voigtländischen und Kurz- Waaren war stockend; in Tüll und Spitzen war auf bei den Messen fast gar kein Geschäft. Was war die Folge? Auch der kärgliche Verdienst nahm ab. Hätte nun auch jede rührige Hand gern eine andre Arbeit ergreifen mö gen, so bot sich theilS keine neue Arbeit dar, theils wa ren die Kräfte der Arbeiter auch für manche Arbeit zu schwach. Vorzüglich galt dies wieder von den Spitzen klöpplerinnen, deren Hände in der Regel durch die seine Arbeit so zart geworden find, daß sie eine schwere Arbeit gar nicht aushalten. Während. unter solchen Umständen der Verdienst spär lich floß, waren schon — wie wir selbst wissen — vom Herbste vorigen Jahres an die Preise der Lebensmittel ungewöhnlich theuer und besonders hoch wieder im Ge birge, da dasselbe nur die geringere Menge derselben sür sich zu erzeugen vermag. Der Preis der Kornes war fast immer 6, in der letzten Zeit sogar über 6 Thlr. Bei einer solchen Höhe, die das Doppelte des Prei ses in guten Jahren noch übersteigt *) und bei einer gleich zeitigen Theuerung der anderen Nahrungsmittel, besonders auch der Kartoffeln und des Fleisches, — und durch die lange Zeit des theuren Winters und des an Früchten noch armen Frühlings hindurch — mußten auch kleine HilfS- ') Wir werden uns in einer der nächsten Nrn. in einem besonderen Artikel .über Getreidethenernng" auSsvrechen quellen, die dem fleißigen nnd ordentlichen Arbeiter für einen schnell vorübergehenden Mangel zur Seite standen, endlich zu Ende gehen. Halten wir uns darum von einer Beschuldigung un serer nothleidenden Gebirgsnachbarn, als ob Sorglosigkeit in guten Tagen eine Ursache an ihrem Unglücke mit sei, fern, geben wir uns nicht Mühe, zu berechnen, wie viel etwa zu günstiger Zeit eine Arbeitersfamilie erwerben konnte und übersehen wir ja nicht, daß ein glänzendes Arbeitslohn in der Regel nicht vorkommt, daß aber die theure Lebensweise in Gewerbs- und Fabrikstädten, und besonders bei den stets hohen Preisen der letzten Jahre, ein Sparen und Erübrigen sür schlimmere Zeiten sich kaum ermöglichen ließ. Nehmen wir die Thatsache; Unsre Brü der leiden, leiden ohne ihre Schuld und leiden furcht bar. Oder sollen wir unfern Lesern Bilder, wahrheits getreue Bilder vor die Augen führen? Eins genüge sür viele: In einem Orte des Voigtlandes trat eine ausge hungerte Gestalt in ein Haus und bat nur — um einen Löffel. Er hatte das übrig gebliebene Futter des Hundes in der Hausflur stehen sehen, ging hin und stillte damit seinen Hunger! - Das ist das Elend, das mit Verzweiflung im Auge unser Mitleid anfleht, das die dürre Hand ausstreckt, um für Weib und Kind eine Gabe in Empfang zu nehmen. Thut euch aus, ihr Herzen, von denen eine freund liche Vorsehung derartige Prüfungen fern gehalten hat. Das K. Ministerium des Innern fordert allenthalben zu Sammlungen für die unglücklichen Gebirgsbewohner auf'). Seid nicht karg mit euren Gaben. Es nahen sich die Tage harmloser Freude. Sie werden euch manchen Gro schen, manchen Thaler kosten. Brechet einen Theil davon ab und reicht'S dem Bruder, der da leidet. Glaubet, das Gefühl, wohlgethan zu haben, wird bei der rau- schendsten Freude — wie ein milder Schatten in feuriger Sonnengluth — eurem Herzen wohl thun. Ja, ehe ihr des Festes Freuden genießt, gehet hin und leget eure Gabe nieder aus dem Altäre der Barmherzigkeit. A, ') Zum Empfange wohlthätigrr Spende» ist mit Vergnü gen bereit und wird darüber qiiittircn D. Red... Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, 6. Juli. Am Dienstag, den 3. d., gingen einige Knaben hiesiger Stadt nahe der Maltermühle in die Weißeritz, um sich zu baden. Nahe an dem zum Baden erwählten Platze ist ein Wehr, und das Wasser, durch Gewitterregen ange schwollen, ging hoch-. Einer der Knaben, ein guter Schwimmer, sprang über da- Wehr hinunter, ohne ztt verunglücken. Er versuchte eS noch einmal, und