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244 ist, in dieser Gegend den Russen die erste große Schlacht zu bieten. Directe Nachrichten auS Schumla vom 8 Mai melden: Omer-Pascha habe einen Bericht nach Konstantinopel des Inhalts gesendet, daß er Silistria opfern müsse, wenn nicht spätestens Ende Mai die Auriliartruppen am Balkan ständen. — Seit dem 16. Mai haben die Russen das gegen Silistria gerichtete Bombardement unerwartet eingestellt. Vermis chtes. Berliner Blätter berichten über eine daselbst vorgekommciie tragische Vergiftungögeschichte eines jungen Mädchens, welches bisher von einem Offizier mit einer bedeutenden Geld summe monatlich unterhalten worden war. Das Mädchen er schien vor einigen Tagen bei ihrem Liebhaber, fragte ihn, ob eS sein fester Entschluß sei, mit ihr zu brechen, und als er diese Frage bejahte, leerte sie sofort vor seinen Augen eine Flasche mit Schwefelsäure, daß sie besinnungslos zu Boden stürzte und an demselben Tage in der Charitee starb. Die „Wiener Zeitung " veröffentlicht das Ergebnis; der Staatseinnahmen und-AuSgaben der österreich. Mo narchie im Jahre 1853, Demzufolge die Einnahmen betrugen 237,136,993 Fl., die Ausgaben 293,960,628 Fl. ES crgicbt sich sonach ein Deficit von 56,823,635 Fl. Der Khalif und der Derwisch. Einer morgenläudischen Sage nacherzählt von Reinhard Grimmer. (Schluß.) - Der Bursche war ohne Zweifel ein Schäfer, denn eine Heerde Schafe weidete ruhig in einiger Entfer nung. Ein Strohhut lag neben ihm auf der Erde, er saß auf dem Rasen. Als er seinen Gesang been digt hatte, ergriff er ein großes Stück schwarzen BrobeS, in welches er mit einer doppelten Reihe Zähne, weiß wie Elfenbein, hinein biß. Es war ein Vergnügen, ihn essen zu'sehen, so herzhaft machte er sich darü ber her. „Das ist (sprach der Vezier) ein herrlicher Ap petit!^ — „In Wahrheit," fuhr er, gegen seinen Begleiter gewendet, fort, „ich glaube, wir haben end lich unfern Mann gefunden! Wenn der da nicht glück lich ist, so müßte sein Aeußeres überaus trügen! Ich werde ihn anreden!" Der Vezier hustete ein wenig. Der Schäfer, der ihn bis dahin noch nicht bemerkt hatte, erhob den Kopf und sah ihn lachend an; doch ohne ihn zu fra gen, warum er ihn betrachtete, setzte er ruhig seine Mahlzeit fort. „Du scheinst mir einen guten Magen und eine gute Kinnlade zu haben, mein Junge?" fragte ihn der Vezier, der vor Ungeduld brannte, die Unterhaltung anzufangen. „Ja wohl, mein Herr, Gott sei Dank!" — ant wortete der Bursche, ohne sich -im Essen stören zu lassen, — „Ich habe meine 30 oder 40 Zähne, so genau weiß ich die Zahl nicht, und waö die Gesund heit anlangt, die ist nicht übel. Mein Frühstück ist zwar nicht ausgesucht; aber der Speisesaal ist schön und der Koch vortrefflich!" „Und wer ist dieser Koch?" „Der Appetit. Aber dieser Koch steht Euch viel leicht nicht zu Diensten?" Vor zwei Monaten, alö ein ältlicher Herr durch eine der größten Straßen New - Port« ging, wurde ihm seine Uhr auf eine unerklärliche' Weise entwendet. ES ließ eine Annonce in ein dortige» Blatt rücken, in der er dem Ueberbringer 20 Doll, zuficherte, mit dem Versprechen, man würde keine weiteren Fra gen an ihn richten. Jndeß vergingen beinahe zwei Monate, ohne daß sich Jemand meldete; da plötzlich redete ihn eines Ta ges aus offener Straße ein wohlgekleideter Mann mit den Wor ten an: „Mein Herr, Sic haben vor einiger Zeit Ihre Mr verloren und demjenigen, welcher Ihnen dieselbe wieder zustel len würde, 20 Doll, versprochen; nicht wahr?" „Das habe ich." „Sind Sic bereit, diese 20 Doll, gleich anszuzahlcn?" „Ja." „Gut, hier ist Ihre Uhr." Der Herr zahlte hierauf die ver sprochene Summe, und indem er die Uhr in Empfang nahm und zu sich steckte, bemerkte er: „Ich kann gar nicht begreifen, wie ich sie habe verlieren können." „Das will ich Ihnen sä gen," antwortete der Andere; „erinnern Sie sich nicht, daß in einem Gedränge Jemand heftig gegen Sic stieß?" „Dessen erinnere ich mich sehr wohl." Nun gerade in demselben Augen blicke, als der Mann so gegen Sie stieß — und der Fremde gab dem alten Herrn einen stärken Stoß — gerade in demselben Augenblicke war Ihre Uhr verloren." Mit diesen Worten wünschte er ihm einen guten Morgen und entfernte sich. Der alte Herr setzte seinen Weg fort, ganz zufrieden mit der erhaltnen Erklärung. Als er wenige Minuten später nach der Tasche griff, fand er, daß — der Dieb ihm seine Uhr zum zweiten Male entwendet hatte. „Ich habe ihn gehabt"—sagte der Vezier seuf zend — „als ich noch jung und gesund war; aber eS ist schon sehr lange, seit er mich verlassen hat!" „Was mich betrifft, mein Herr, so hoffe ich, daß er mich nie verlassen wird, und ich denke, ihn bis zu meinem Tode zu behalten. Aber da Sie gern mit mir plaudern wollen, wär's denn da nicht besser, wenn Sie sich setzen, lieber Herr? Da ist Platz!" Und er zeigte ihnen mit der Hand das weiche Graö, auf welchem er selbst saß. — Als sie sich nie- dergelassen hatten, begann der Vezier: „Wisset, mein Freund, Ihr scheint mir ein lustiger Bursche zu sein! In Wahrheit, ich wäre versucht zu glauben, baß Ihr glücklich seid!" „Wie Ihr sagt! Ganz gewiß bin ich glücklich! Glaubt Ihr denn, um glücklich zu sein, brauche eö schöner Kleider und eines feinen Aeußeren, wie Ihr habt? O nicht doch! Das Glück ist nicht so wählerisch, eS sucht die kleinen Leute wie die großen Herren, so gar noch öfter, wie man sagt; und da ich eS in ei nem gesunden Körper beherberge und in einer Seele, die sich gleichfalls ziemlich wohl befindet, so gefällt es ihm bei mir sehr gut und es bleibt. „Also" — fragte der Vezier ganz zitternd vor freudiger Bewegung — „also Ihr seid glücklich und Ihr erkennt eS an?" „Nun, warum sollt' ich eS nicht anerkennen, wenn eS die Wahrheit ist? Ja, mein Herr, ich bin glück lich, wenigstens soweit man eS in dieser armseligen Welt sein kann. Ich bin nicht reich, das ist wahr, aber ich habe eine gute Gesundheit, welche viele Reich- thümer auswiegt; ich habe keine reichbesetzte Tafel, das ist auch wahr, aber ich habe Appetit, und bisher hat der liebe Gott mir das Stück Brod, um das ich ihn alle Tage bitte, noch immer gegeben. Ich liege auf Stroh, aber ich schlafe gut darauf; ist eS nicht besser, als auf einem Federbette schlecht schlafen? AbendS gehe ich mit den Hühnern zu Bett und mit der Sonne stehe ich Morgens auf: ist das nicht ge-