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daß in den Rath zu Stendal,jedeS Jahr 7 Gildebrü- der gewählt werden sollten; sondern eö erhielten die Handwerker auch andere, besonders in Reichsstädten, beträchtliche Rechte am städtischen Regiment, woran jedoch seit dem 16. Jahrhundert, außer den Reichs städten nicht viel mehr als ein Schatten überblieb. Den Zünsten gab der große Wohlstand der Hand werker Nachdruck, besten Quelle in der Hansa ent sprang. Die Kaufleute dieses Bundes versahen säst ganz Europa mit deutschen Manufakturen und von den Reichthümern, die sie zurückbrachten, strömte ein großer Theil in ganz Deutschland umher über die Handwerker. Aus jener Zeit stammt die Redensart: „Handwerk hat einen güldenen Boden" von einem Holzarbeiter, der wirklich ein Faß besaß, dessen Bo den mit Gülden gepflastert war. Einzelne Bürger, sogar Schuster, waren im Stande, selbst Kaiser mit ihrem Säckel zu unterstützen, denn Kaiser SiegeSmund verachtete nicht die 360 Mark Groschen, die ihm einst ein Schuster lieh. Dem Ansehn veb Handwerker entsprach ihre Lebensart. Im 15. Jahrhundert wurde eS Mode, daß die Ge- sellen Degen trugen. Um sich zu putzen an Gala- Tagen, gehörte bei einigen Gesellen ein Schwert an die «eite. Ihre Meister gingen in sammotnen Jupen, an den Aermeln mit Silber besetzt. Die Hoffarth der Frauen bestand in langen Mänteln, in Kleidern mit Schleppen, die auf die Erde hingen, in Pelzen und großen Sturmhauben. Um dieser Eitelkeit zu steuern, wurden einst alle hoffärthigen Weiber auf das Rath- hauS entboten, wo man gesonnen war, „ihnen in christlicher Milde die Schweife oder Schleppen abzu- schneiden," was auch geschah. So lange die Hansa blühte, so lange blühte auch daS Ansehn der Handwerker. Als sie aber im 16. Jahrhundert fiel, begruben ihre Tüminer zugleich auch Reichthum und Ehre der Zünfte So hörten aber auch die alten Klagen über Herrschsucht und Hoffarth auf, aber andere Beschwerden wurden dagegen laut, unter andern auch der blaue Montag. Mit diesem hatte eS folgendes Bewandtniß: Er Hal sich selbst in den Gesetzen und Jahrbüchern deS Reichs berüchtigt gemacht. S. die Polizeiordnung deS Kur- fürsten Joachim von Brandenburg vom Jahre 1515. Man könnte den üblichen Müssiggang der Hand- werker am Montage aus dem kanonischen post keslo herleiten und hätte gemuthmaßet, daß das Beiwort: „blau" seinen Grund in den kräftigen Fäusten und Stöcken habe, die an diesem Tage gemeiniglich in Uebung sind. Wenigstens pflegt in diesem Sinne so mancher Kumpan einen blauen Montag an sich zu tragen. Da eö indessen auch einen blauen Dienstag giebk, so »ft vielleicht richtiger, was eilte ungedruckte thürin- ger Chronik des 16. Jahrhunderts vom Ursprünge des blauen Montags sagt. In den Fasten nemlich wurden die meisten deut- schen Kirchen, nach damaliger Sitte, blau ausgeschmückt, und um eben diese Zeit fingen die Handwerker an, die Fasten-Montage durch Unterlassung aller Arbeit zu feiern. Dies thaten nicht nur die Meister, son dern sie ertheilten auch die Erlaubniß ihren Gesellen und Knechten. Diese genossen ihre Muse nach Sitte der Zeit und bei Trank und Speise und unter dem ermunternden Zuruf: daß „heute blauer Fraßmontag" sei. Diese dehnte sich auch bald auf alle Wochen auch außer der Zeit auS und die Meister waren desto nach giebiger, weil ihnen ein zweiter Ruhetag behagte. Der Mißbrauch wurde immer stärker und artet« i» grobe, Ausschweifungen, Tumulte und Todtschläge aus, und blieb bei allen Verboten gleichwohl unge stört im Gange, daß er endlich ein Gegenstand der Berathschlagung für Kaiser und Reich geworden ist. Die Veranlassung gab das löbliche CorpS der „ Sch « hknechte" zu Augsburg 1726. Diese hatten mit ihren Kollegen in Würzburg, denen eS bereits 1724 auch unterm Hute gespukt halte, einen aufrüh rerischen Briefwechsel geführt und daS auS der Lade entwendete Handwerkssiegel ihren Altgesellen anver traut. Der Magistrat untersagte diese Correspondenz; sie aber erklärten dies Verbot,für einen Angriff ihrer Rechte. Ehe dies noch eingelegt war, kam hinzu, daß einige, die durch Schlägerei beim Magistrate in Geld strafen verfallen waren, einen neuen Unfug aufbrach ten. Der Rath nemlich, den sie mit ihrem Beutel ge pflogen hatten, führte sie aus den Gedanken, sich nach Subsidien umzusehen. Ihnen leuchtete ein, eS sei billig, daß Schuldige und Unschuldige gleichen Anthetl entrichteten. Wer anderer Meinung war und nicht sogleich seine Kreuzer darbot, erhielt den Namen eines „Spöttischen," alle Uebrigen wurden „Brave" genannt. Mit dieser Benennung verband man zu gleich eine ehrenvolle Cermonie,, die Spöttischen zu beuteln. Wer ein Spöttischer war, den suchte man auf folgende Weise zu amüsiren. Er wurde bei den Ohren und Haaren gefaßt und gezogen, so lang jene werden wollten; zur Abwechselung gerauft, geschüttelt und gestoßen, auch einigemal herumgedreht. Man cher Gebeutelte verlor alles Bewustsein oder daS Ge hör. Der Spöttische mußte alle Mißhandlungen ge duldig ertrage»» und wenn eS nun der Campagnie aufzuhörcn beliebte, für daS Empfangene herzlich ban ken und erklären: eS sei ihm Recht geschehen. Um diesen Gebrauch in andere Städte einzu führen, unterhielten sie einen Briefwechsel, der aber verrathen wurde. Nach mehreren Händeln verließen endlich 107 Gesellen in einem Aufruhre die Stadt und schrieben von Friedberg auS, wo" sie sich hin be- geben hatten, an ihre Mitvrüder nach Leipzig, DreS, den Berlin rc. wie folgt: „Wir haben einen Aufstand machen müssen, daß wir unsre Gerechtigkeit behalten und berichten Euch, daß Keiner nach Augsburg rei sen thut, was ein braver Kerl ist, oder geht er hin und arbeitet in Augsburg: so wird er seinen verdien- len Lohn empfangen, was aber, das wird er er fahren." Dieß machte in ganz Deutschland Aufsehen; die Mißbräuche waren für die innere Ruhe der Städte zu wichtig, als daß sie nicht endlich auf dem allge meinen Reichstag Härten zur Sprache kommen sollen. Der Erfolg war ein Reichsgesetz von 1731, Kraft dessen nicht nur andere Mißbräuche, sondern auch der so nachtheilige blaue Montag abgestcllt seil» sollte. Von Kaiser Franz wurde eS 1764 erneuert, und über Abstellung deS blauen Montags insbesondere kam einige Jahre darauf (1771-72- ein neuer Reichs tagsbeschluß zu Stande. Gleichwohl ist wohl bis auf die heutigen Tage mancher Montag noch blau und manches Auge blau und manche Nase blau und manche Ohren blau, nur der Rücken oft braun und blau.