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Nr 35 6. 1853. Erscheint Znsnatt ZAWei^erih-Ieitung. W Quart. 10 Ngr. ' Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann. Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. lieber die Reise des Papstes nach Paris. „Wo der Papst ist, da ist Rom", sagt ein altes Sprüchwort, und der Kaiser der Franzosen scheint das- selbe zu kennen. Seit langer Zeit schon beschäftigt man sich mit der Frage, ob Papst PiuS IX. nach Paris kommen werde, um „seinen geliebresten Sohn in Christo, Napoleon, Kaiser der Franzosen" zu krö nen. Schon hat man das Ceremoniell besprochen, womit Se. Heiligkeit in dem Hafen von Civita Vecchia abgeholt und in Marseille empfangen werden soll, schon die Reisestationen bestimmt, schon eine prächtige Wohnung in der Kaiserstadt füc ihn auSgewählt; aber noch ist es nicht entschieden, ob der Papst, ob ein be sonders delegirter Cardinal oder der Erzbischof von Paris das Haupt des Kaisers mit dem heiligen Oele netzen wird. Zn Paris ist man endlich des langen Besinnens müde geworden; die Krönung des Kaisers wird auf alle Fälle im Augustmonat vor sich gehen, mag der Papst kommen oder nicht. Das Erscheinen des Papstes in Paris ist aber mehr als zweifelhaft. Das Collegium der Herren Cardinäle soll gegen die Reise sein. Ob hierbei auswärtiger Einfluß influirt, vermögen wir nicht zu sagen. ES hat unter diesen Umständen kein Interesse, sich über den Preis zu streiten, den Se. französische Majestät für die Vollziehung der heiligen Handlung durch den Papst zu verwiüigen bereit sein sollen, und der angeblich in nichts Geringerem bestehen soll, als in der völligen Veränderung der Civilehe. Interes santer ist es, einen historischen Rückblick auf einige frühere Fälle zu werfen, in denen Päpste ihre ge wohnte Residenz verließen. Als BonifaciuS VM. im Jahre 1303 den Kö nig Philipp den Schönen von Frankreich in den Bann that, ließ dieser den Papst auf einer Versammlung der Stände zu Paris für einen Ketzer und Verbrecher er klären, und als derselbe auf'S Neue VerdammnngS- bullen gegen ihn schleuderte, in seinem eignen Gebiet Überfälle»! Und im vollen päpstlichen Schmuck gefan gen nehmen. Zur Abführung nach Frankreich kam eS indeß nicht, denn di« Bürger von Änagni befreiten ihren Herrn zwei Tage später; aber die erlittene Schmach zog dem Papste ein tödtlicheS Fieber z«, an dem er nach kurzer Zeit starb. Im Jahre 1782 reiste Pius VI. nach Wien, um durch fein persönliches Ansehen den Reformen des erleuchteten Kaisers Joseph II. Einhalt zu thun. ES half ihm nichts, baß er dort in seine»« vollen Ornat auftrat; der Kaiser fuhr sogar während der Anwesen heit des Statthalters Christi in Wien mit seinen Be ¬ fehlen in Kirchensachen fort. Dem schwer geprüften Kirchenfürsten stand noch Schlimmeres bevor. Be zwungen von dem Strudel der französischen Revolu tion, hoffte er, sich 1797 durch den Frieden von To lentino zu retten. Er schützte ihn nicht. Im folgen den Jahre wurde Rom zur Republik erklärt, dev Papst sogar dem Uebermuthe der Soldaten Preis gegeben und gefangen weggeführt. Noch in demselben Jahrr starb er als französischer Staatsgefangener in der Ei- tadelle don Valence. Pius VII., dessen Andenken jeder Kunstfreund in Rom segnet, war sein Nachfolger. Im Conclave in der schönen Kirche San Giorgio in Venedig wurde er gewählt, weil man glaubte, er sei den französischen Ideen ergeben. Jin Jahre 1891 nahm er wieder feier- lich Besitz vom Kirchenstaate. Die Freundschaft mit Napoleon erlitt aber bald einen Stoß. Zwar reiste er gegen, den Wunsch der Römer im October 1894 zur Kaiserkrönung nach Paris, aber dort erfuhr er viele Demüthigungen und wurde in seinen Erwartun gen getäuscht. Im April 1895, nachdem seine beharr lichen Weigerungen, den Kaiser Napoleon in Mai land zum Könige von Italien zu krönen, die Span nung vermehrt hatten, kehrte er nach Rom zurück. Eine Kränkung folgte der andern. Als sich der Papst weigerte, den König Joseph von Neapel anzuerken nen, als er seine Häfen den Engländern auf Napo leons Begehren nicht verschloß, wurde im Jahre 1898 Rom durch französische Truppen besetzt. Der Papst drohte im März dem Kaiser Napoleon mit dem Barm; die Einverleibung mehrerer wichtiger GebietStheile in das neue Königreich Italien war die Antwort. Der Papst drohte im April 1809 von Neuem, und einen Monat spater, am 17. Mai, wurde der Kirchenstaat aufgehoben. Nun erließ PiuS VII. am 19. und II. Juni wirklich zwei Bannbullen gegm den mächtigen Kaiser. General Rändel nahm ibn dafür gefangen und führte ihn, als er sich weigerte, auf die weltliche Herrschaft zu verzichten, nach Sarona. Seine Stand haftigkeit brachte Napoleon zur Verzweiflung. Er ließ »hn 1812 nach Fontainebiau bringen, wo er ihm im Januar 1813 das berüchtigte Concordat abnö- thiate, wodurch u. a. die vom Kaiser ernannten Bi schöfe bestätigt wurden, das der Papst freilich wieder zurücknahm, alö Napoleon den Entwurf vorzeitig ver öffentlichte. Härtere Gefangenschaft war die Achtwor» dafür; doch die Hast dauerte nicht lange. Die Schlacht von Leipzig entschied über daS Schicksal Frankreichs, und am 24. Mai 1814 konnte, endlich PiUS VII., be gleitet von Engländern und Oesterreichern, wieder sei nen Einzug in Rom halten. Das sind allerdings Erfahrungen, die den Car-