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v. Franz machte seinen Antrag eine- Tage-, wo Wilhelmine auf «inen Ball gehen sollte. Diese war also gerade abwesend. KramsenS Bescheid war nicht zweifelhaft, Alles hing daher vonWilhelminen ab. Kpamsen sagte Franz, baß sie ihm, noch.-ftl- lügen Abend Antwort geben sollte, und er keineSwe- geS daran zweifle, daß sie günstig aussallen würde. Franz begab sich zu diesem Fest mir einer un beschreiblichen Unruhe; ohne Zweifel hatte er Hoff, nung, aber die Hoffnung auf ein Urchejl von solcher Wichtigkeit, daß eS ein ganzes Dasein bestimmt, ist immer eine Unruhe. Zu d.r Stunde, wo er das HauS betrat, sollte Wilhelmine seinen Antrag erfahren, und wakrscheinlich war ihr Entschluß gefaßt. Fast hätte er zum ersten Male in seinem Leben gewünscht, sie möchte nicht bei diesem Feste sein, dessen Zierde sie für ihn war. Er haue nicht den Muth, einM treten, er ging und kehrte wieder upr.^. Ein merk, würdiger Umstand! er kam sehr spät zu diesem Balle, wo sein Schicksal entschieden werden sollte, während er sonst selbst in die langweiligsten Gesellschaften Wil- Helminen stelS vorauSging. Um seine Angst auf'S höchste zu treiben, war Kramsen von einer leichten Unpäßlichkeit befallen worden, halte seine Tochter einer alten Verwandten anvenraut und war nicht erschienen. Es verging lange Zeit, ehe Franz unter dieser von Putz schimmernden Menge diejenige herauöfanv, welche er suchte; end. lich bemerkte er sie, umzingelt von Kavalieren, die sie mit ihren Einladungen überhäuften. Franz war tete, bis er freien Zutritt hatte, und näherte stcy ihr dann; aber in dem Ai»genblicke, wo er den Mund zum Sprechen öffnen wollte, ward bas Zeichen zum Antritte deS Walzers gegeben und Wilhelmine flog am Arme-eines eleganten Tänzers wie ein Pfeil da- hin., , Der Walzer schien Franzen gar kein Ende nch. men zu wollen. Endlich verstummte das Orchester und die Jungfrau setzte sich auf ihren Platz. „Ich glaubte, Sie würden nunmehr nicht kom men," wandte sie sich an Franz; „ich bin für den ganzen Abend engagirt." Franz war vernichtet bei dieser Anrede von üb. ler Vorbedeutung, und bevor er Worte fand, um die Unterhaltung auf den Gegenstand hinzuleiten, welchen er wollte, umringten sie andere Kavaliere und die Musik hatte das Signal zum Tanze wieder gegeben. Niemals war Wilhelmine reizender, niemals coquetter gewesen, als an diesem Tage; sie lachte und scherzte mit ihren Rittern; sie schien der ganzen Welt ein Fest zu geben. Franzens Kopf glühte, ärger liche Einbildungen gestalteten sich darin zu Verdacht und Argwohn und diese steigerten sich bald zur völ ligen Gewißheit. — Sie weiß meine Liebe, sprach er bei sich; sie hat Kenntniß von "meinem Anträge, und so wenig sie sich auch darum bekümmern mochte, so hätte sie doch ein Mittel auffinden sollen, mit mir davon zu sprechen; sie hätte den Ball meinetwegen aufgeben und mir wenigstens eine Beruhigung geben sollen... aber nein, nein... sie denkt nicht einmal da ran... sie denkt nur an ihr Vergnügen, an ihre Tri umphe...sie opfert meine Liebe ihren Launen... eine geprüfte Beständigkeit augenblicklicher Eroberungen! Ach! die Frauen, die Frauen, sie sind sich doch alle gleich!" Eine Stunde nach seinem Erscheinen hatteFranz, von einem plötzlichen Anfalle schwarzer Eifersucht ge. foltert, den Ball wieder verlassen; er kam düster wie die Nacht nach Hause und dies glänzende und rau- schende Fest gestaltete sich für ihn zu einem geistigen Lärm, wo alle die Gespenster einer krankhaften Ein. lüldung-kafr ihn -in seiner Rühe störten. Der Un- glückliche brachte die Nacht zu, ohne «inen Augenblick zu schlafen, ohne eine Thräne zu vergießen, denn Zweifel und Ungewißheit vergießt keine., und beSwe- gen sind sie so grausam. Am Morgen schlummerte er ein wenig ein, den Kopf auf den Tisch, gestützt, und blieb einige Stunden in eine schmerzhafte Lcthar. gie versunken. Nach Verlauf dieser Zeit hört er Je manden sich seinem Zimmer nähern, Franz, bist Du da?" fragte seine»Mutter, und öftzzele die Thür, die er zu verschließen vergessen hatte, e. -"^Jn seiner ersten Ruhe und zu einem Tage voll Leiden»und Kummer aufgeweckt, konnte Franz eine Wwegung,der. Ungeduld nicht unterdrücken. „Laß mich ," sprach er, „ich schlafe, ich will nie-' manden sehen." ,',Ach! so ist eS; wohlan, Wilhelmine," fuhr seine Mutier sich umdrehcnd fort, „so müssen wir uns entfernen, weil bei Herrn Franz die Stunde zur Au dienz noch nicht geschlagen hat." - (Fortsetzung folgt.) Der schmachvolle Aufstand in Mailand. Die Zeitungen haben uns die traurige Kunde ge bracht von einer meuchlerischen Emeute in Mai land. Dieser eben so heimtückische, als wahnsinnige Aufstand, dessen räthselhafte- Entstehen durch die von der „Times" veröffentlichen Proclamqtionen der Lon doner RevolutionScomits's nur wenig aufgeklärt Wird, ist in seinem Grunde und in seinen Folgen sehr zu beklagen. Es hat dieser Vorgang ein außerordentliches Auf sehen in ganz Europa erregt. In der Größe und dem Umfange der Mailänder Emeute kann nicht der Grund allein liegen. Betrachtet man den schmachvollen Aufstand in Mailand mit der ganzen Reihe von Jnsurrectionen des Jghres 1848, so ist er seinem Umfange nach weit geringer. Was dedeutet der meuchlerische Anfall einer mit Dolchen bewaffneten Rotte von Mördern auf ver einzelte Militärs, deren zehn getödtet und einige fünfzig mehr oder minder verwundet wurden, gegen jene Straßen kämpfe der neuern Vergangenheit, welche nach einander fast alle Hauptstädte Europas verderbenbringend heim suchten. Gegen die Kanonendonner von Palermo und Neapel, von Lemberg und Prag, von Wien und Paris verschwindet die Mailänder Meuchlings-Emeute in ein unbedeutenderes Ereigniß. Und gleichwohl hat diese „Mailänder Vesper" ihre sehr ernste Bedeutung. Zwar sind die österreichischen Truppen der verblendeten Meuterer augenblicklich und ohne Mühe Herr geworden; die Verrücktheit des Unternehmens leuchtete Jedem auf den ersten Blick, so sehr ein, daß man an einer unmittel- barxn Herstellung der gestörten Ordnung nirgends auch nur eine Minute zweifelte. Allein der Vorfall hat seine Wichtigkeit nicht als Ereigniß, so sehr dasselbe auch zu beklagen ist, sondern als Symptom. Und als solches verdient es unsre volle Beachtung. Wie die „Times" behauptet, soll Mazzini in sei- nem.Aufrufe gesagt haben: „Die ganze Oberfläche Euro- pa'S, von Spanien bis zu Griechenland und bis zum heiligen Polen, sei eine vulkanische Schicht." Diese rhe torische Floskel ist, auf Europa angewendet, eine vollen- bete Lächerlichkeit. Niemand wird sich von der Mazzini-