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sinnig gewesen bin, so hat dies darin seinen Grund, weil ich wußte, daß eS mein letzter Abend der Co» quetterie sein würbe; ich wollte noch einmal glänzen und triumphiren, weil eS von jetzt an meine Pflicht ist, diesen Dingen zu entsagen. WaS wollen Sie weiter?... Es war die Laune eines jungen MädchenS! ...eine thörigte Idee!... Ader jetzt sollen Sie keine Ursache zur Eifersucht mehr haben, Sie müßten denn aus Ihren Schallen eifersüchtig sein. Hier nehmen Sie meine Hand zum Zeichen unserer Versöhnung und behallen Sie sie zum Zeichen unseres Vertrags." Franz sank in Folge jenes Uebermaßes von Glück, welches er empfand, und daö, weil eS stets uner- wartet kommt, so mächtig auf den Menschen wirkt, vernichtet zurück, und was das Sonderbarste war, er zerfloß in Thränen; sein während einer ganzen Nacht überstandenes Leiden verschwand in Thränen, sobald sein Herz nicht mehr gepreßt war; es war sein Schmerz, der in seiner Freude durch den offenen Ausgang ent schlüpfte. Aber durch die Thränen hindurch lachte er wieder, er küßte die Hände WilhelminenS und dankte bald ihr, bald Gott. „Armer Franz!" sprach die Mutter gerührt; „ich überlasse ihn Ihnen, Wilhelmine; machen Sie ihn glücklich, er verdient cö." Von nun an wich Wilhelmine nicht mehr von Franzens Seite; stets zog sie seinen Arm vor und vergebens erschöpften glänzende Kavaliere ihren Vor rath an einschmeichelnden Galanterien gegen sie, um nur eine von den vielen kleinen Gunstbezeigungen zu erlangen, die sie alle nur für ihren Bräutigam hatte. Die Hochzeit war schon in einigen Monaten an gesetzt, als eS sich traf, baß Kramsen in einem Con- certe vor dem königlichen Prinzen, dem nachmaligen berühmten Friedrich II., Geige spielte. Ein leiden, schaftlicher Kunst-, vorzüglich Musikfreund, wünschte seine Hohheit, daß Kramsen ihm Unterricht auf die- sein Instrumente criheilte, und so traf der Prinz bei dem Vater mir der Tochter zusammen, deren Schön heit und Stimme er bewunderte. Denn Wilhelmine, der Brustbeschwerden sonst nicht das Singen gestatte ten, hatte seit "ihrer Wiederherstellung durch den Un- terricht ihres Vaierö große Fertigkeit darin erreicht, was Franzen viel Freude machte. Obngeachtet Wilh elminens Jugend und Schönheit, beschränkte sich Friedrich doch nur auf die Musik bei ihr, sei eS nun, daß die gegenseitige Neigung zwischen ihr und Franz, die er bemerkte, ihn fühlen ließ, baß die Leidenschaft eine moralische Macht habe, welche über die der Fürsten erhaben ist, oder weil er selbst eine englische Prinzessin, die Tochter Georg's II., liebte. Jedoch wollte die öffentliche Meinung nicht also über dieses Derhältniß urtheilen. Die Fürsten verbreiten eine yroße Licht. Atmosphäre um sich, welche alle, die sich ihnen nähern, in Relief hervorheben, und ein junges Mädchen, die ihre jungfräuliche Dunkelheit verliert, ist schon halb geschändet. Bald fand der Neid aller der Frauen, welche Wilhelmine verdunkelt, die Eifersucht der jungen Leute, deren Huldigungen sie abgewiesen hatte, ihre Rechnung dabei, sie als beS Prinzen Maitresse zu bezeichnen. Franz selbst ge- riech einen Augenblick in Unruhe. Auch konnte m der Thal Wilhelmine ihre Freude nicht verbergen, wenn Friedrich sich vertraulich mit ihr unterhielt und ihren Vater um Unterricht bat. Aber es war dies nur eine kleine Regung der Eitelkeit, die mit ihrem Herzen nichiö zu schaffen hatte, und Franz beruhigte sich bald wieder, als er WilhelminenS stets zeremoniöse Umstände dem Prinzen gegenüber und dessen ruhige Gelassenheit in ihrer Gegenwart bemerkte. Indessen ertönte das Echo ärgerlicher Ge rüchte, die in der Stadt in Umlauf waren, wieder zu seinen Ohren; er schwieg lange, in der Bcsorgniß, sich eine ungegründete Eifersucht merken zu lassen, oder sich den Schein zu geben, als wolle er dem alten Kramsen einen so erlauchten Schüler abwendig machen. Aber endlich überwog die Bcsorgniß, das Nebel möchte nicht wieder gut zu machen sein, seine Bedenklichkeit, und er sprach erst mit Wilhel minen davon, die aber seine ersten Eröffnungen hierüber sehr übel auf nahm. Wilhelmine wünschte sich ja Glück zu ei- nem Ereignisse, wodurch ihr Vater aus dem Hausen gewöhnlicher Musiker hervorgezogen und ausgezeichnet wurde! Dann konnte sie auch nicht begreifen, wie eine Verläumdung ihren so reinen und untavelhaften Wandel antastcn konnte. ES giebt so viele unvorsich tige Frauen, die nur nach ihrem Bewußtsein über ihre eigenen Handlungen zu urtheilen.verstehen! Allein Kramsen begriff besser, als seine Toch- ter, daß er nicht einem Gelbinteresse ein anderes, viel wichtigeres Interesse opfern dürfe und daß Wilhel- minens Gewinn an Mitgift von einer Seile einen Verlust an ihrer andern, viel kostbareren Mitgift, näm lich an ihrem Rufe, herbcisühre. Er wollte wenig stens auf eine Zeil lang seine musikalischen Verbin dungen mit Friedrich unterbrechen. Er übergab deshalb Wil Hel mtnen einen Brief an den könig lichen Prinzen, worin er ihm anzeigte, daß er auf einen Monat verreisen müßte; und um die Täuschung vollkommener zu machen, wollte er sich auf einige Tage von Potsdam entfernen; allein seine Tochter gab alles dies nicht zu und der Greis, dem sie über Alles ging, fügte sich in ihren Willen. Jetzt führen wir den Leser an die Kabinetts-Thür dcS Königs Friedrich Wilhelm, und wenn er dort ein wenig lauscht, so wird er einen heftigen Wortwechsel zwischen dem tyrannischen Monarchen und seinem Sohne vernehmen. Wenn der Mensch nicht von Natur schlecht und böse ist, so entspringen seine Fehler auS denen, welche über ihn in seiner Kindheit Herr sind. Die Mängel dikser, denen er untergeben ist, spiegeln sich in ihm ab und bleiben daselbst, nur unter einer an dern Gestalt, eingegraEn. Die Schwäche der Eltern erzeugt in dem Kinde einen launischen Despotismus; ihr Despotismus führt eS zur ausgedörrten Gefühl, losigkeit. Vielleicht ging nnter der eisernen Ruthe sei nes Vaters mit dem Herzen des berühmten Friedrich diese Verhärtung vor, welche ihn, als er König ward, bisweilen zur Grausamkeit führte. (Fortietzung folgt.) Literatur. So eben ist daS erste Heft eines von der Buchhandlung F. A. BrockhauS in Leipzig veranstalteten neuen Unternehmens erschienen, welches geeignet ist, in den weitesten Kreisen Auf merksamkeit zu erregen. Der Charakter des Werke» ist deutlich in dem Titel ausgesprochen: „Kleineres Brockhau S'scheS Conversationö»Lextkon für den Handgebrauch. (Enthaltend sämmtliche Artikel der zehnten Auflage des Con« versatlonS-Lexicon in neuer Bearbeitung, sowie eine große An zahl anderer Artikel auS allen Zweigen des Wissens.)" DaS BrockhauS'sche ConversationS-Lextkon ist keine neue Erscheinung mehr in der deutschen Literatur, die sich erst Bahn brechen müßte;