Volltext Seite (XML)
8V MkS Kind; der Wunsch deS Vaters ist Vie Pflicht der Tochter; ein Gleiches »erhoffe ich von vem Herrn Sohne."" „Ick kannte meinen Vater zu genau, als daß ich nicht Härte wissen sollen, wie durch WiVerspruch bei ihm Nichts auSzurichlen war. Ich spielte Daher, um ihn nicht noch mehr zu reizen, den folgsamen Sohn." „Ansehen, dacht ich, kann ich mir die projenirie Braut schon; ich komme bei dieser Gelegenheit ein paar Tage von dem verwünschten Aktentische loS. Zu gleich beschloß ich, bei Herrn Woldrecht den geraden Weg zu gehen, ihm offen zu erklären, daß ich seine Tochter nicht heiraiheN könne, aus dem einfachen Grunde, weil ich schon eine Andere liebe." „Mein Herr Papa schien nicht ganz unzufrieden, baß ich seinen weisen HeiraihSprojeclen weiter keine Opposition entgegensetzte, und als verständiger Sohn seinen höhern Einsichten durch pflichtschuldigsten Ge- horsam alle Gerechtigkeit widerfahren ließ. Er reichte mir die Hand zum Abschied und bereits am folgenden Morgen trabte ich auf dem stattlichen Rappen rn die schöne Welt hinein, die damals gerade in DaS schönste Frühlingsgrün gekleidet war. Der sonderbare Zweck meiner Reise bestand sonach nicht darin, mir eine Braut zu holen; sondern eine solche loö zu werden. DieS schien mir in meinem damaligen Zustande mit hofft die Jungfer Wolbrecht, das heiralhbare Ideal keinen großen Schwierigkeiten verknüpft und darum trabte ich auch ganz wohlgemuth dahin." „DaS Rittergut Lindenihal war ungefähr zwei mäßige Tagereisen von dem Wohnorte meines VaterS entfernt. Ich langte wohlbehalten an und mußte ge stehen, daß die Heimalh der mir bestimmten Braut sehr reizend gelegen war. Ich konnte mich lange nicht satt sehen an der herrlichen Gegend, die sich >m hol den FrühlingSkleide doppelt anmuthig auSnahm." „Wenn meine Jungfer Brau', dachte ich bei mir, ebenso hübsch ist wie ihr Wohnort, könnte mein Papa doch recht haben, und ich thal Unrecht, so voreilig über seinen Geschmack hinsichtlich VeS schönen Geschlechts abzusprechen." „Es wäre mir übrigens ganz und gar nicht lieb", fuhr ich, langsam den sanften Abhang nach dem duf tenden Lhale hinabreitend, in meinen Selbstgesprächen fort, „wenn das Fräulein sehr hübsch wäre. Einem reizenden Kinde den Korb zu geben, bleibt immer eine unangenehme Sache, und wäre man nut der Prinzes. lin Turandot verlobt. Ich wünschte, sie wäre häßlich wie die Nackt; meinetwegen kann's eine Here sein." „Unter solchen Betrachtungen wandelte mein ge treuer Rappe behaglich immer weiter, und brachte mich dem schönen herrschaftlichen GutSgebäude, das gastlich zwischen himmelhohen Linden daherlugte, immer näher." „Ich war endlich zur Nutzanwendung meiner Phi losophie gekommen." „DaS Beste ist," sprach ich entschlossen zu mir selbst, „ich verzichte gänzlich auf den Anblick der mir zugedachten Braut, mag sie nun hübsch sein oder nicht, gleichviel. Ich werbe Herrn Wolbrecht um ein Pri- vattissimum bitten, ihm reinen Wein einschenken und so schleunig als möglich wieder dahin zurückkchren, wo ich hergekommcn bin. Mag dann mein Alter brum men, so viel ihm beliebt; ich werde dann auch ihm rund heraus erklären, daß ich auf Fräulein Wolbrecht verzichten müsse, indem ich Herz und Hand schon ver sprochen hätte; und zwei Frauen mit Einemmale könne ein Mann nicht heiraihen, und selbst, wenn eS alle Beide Engel wären, denn die würben sich darum nicht vertragen; dieses habe auch das Christenthum schon eingesehen unb seine beSfalsigen Verbote ergehen lassen." „Unter diesen und ähnlichen ernstlich gefaßten Em» schlöffen war lch mit sammt meinem Rappen dem freund licken Dörfchen/das zum Gute gehörte, ganz nahe gekommen." „Ich schaute mich ringS um, ob nicht irgendwo eine Art WirthShauS zu entdecken sei, und war so glück lich, endlich ganz am Ende dcS Dorfes ein derartiges Institut zu erbiicken. Sofort lenkte ich meine Sckritle oder vielmehr die meines getreuen Bucephalus nach Vem erwünschten Ort, erreichte ihn bald, zog den Rap pen vor Vie beuduftenbe Krippe, stärkte mich durch einen erquickenden Trunk und ordnete nack besten Kräs. ten, meine Toilette zur bevorstehenden Visite bei Herrn Wolbrecht, um mit aller Kraft meiner Energie die be vorstehende Schwiegervaterschaft abzuwenden." „Nicht ganz ohne Bangen nahte ich mich dem herrschaftlichen Hause. Da dieses ringS von blühen, den Parkgehegen umgeben war, mußte ich durch mehre grüne, dunkle Laubzweige wandeln. Ich kam an rei zend gelegenen, von blühendem Jelängerjelieber und Jasmin umdufleiiden Lauben und schallenden Ruhe plätzen vorüber. Scheu und verlegen blickte ich bald hier- bald dahin; überall fürchtete ich, baß mir unver- ... _ . „„ ... . . . - i mcmeö Herrn Papa, entgegenirelen werde." „Obschon der Gregorianische Kalender von durch aus keinem Sonn- und Feiertage etwas wußte, so herrschte doch ln dem kleinen blühenden Paradiese eine solche Sabbathstille, als habe der liebe Golt so eben baS herrliche Werk seiner Schöpfung vollendet und ruhe nun, unb die ganze Natur unb Menschheit mit ihm." „Ich schritt die mit röthlichem Sande sauber be» streuten Gänge leise dahin und kam auf diese Weise ganz unbemerkt dem stattlichen Herrenhause immer nä- her. Nur eine lebendige Hecke blühender Schneeballen verbarg mich noch. Ich passirte auch diese wohlbe- halten; — — Himmel, welch ein Bild stellte sich da meinen Blicken dar! Ich vermeinte in die Erde zu sinken; Boden, Bäume, Sträucher, Lauben, AUeö ringS um- her begann zu tanzen, ich stand wie festgezaubert, trun- ken im seligsten Anschauen — keine zehn Schritte vor mir, in dec ersten Laube am Herrenhause, ganz in die Lektüre eines gvldgeränderten AimanachS vertieft, saß meine—Emilie." „Eine lange Zeit stand ich sprachlos, die Hände gefaltet, im seligsten Entzücken. „Emilie," sprach ich endlich leise, in seelenflehenden Tone, „meine Emilies" „Die Gerufene wandte jetzt ihr süßes, von blon den Locken umwalltes Antlitz nach mir. Eine reizende Röche ergoß sich über die Wangen; sie klappte das Buch zu unb stand schnell auf." „Emilie, meine Emilie," jubelte ich nun lauter, eilte himmelselig auf die Geliebte zu, sank sprachlos ihr zu Füßen und brückte die lheure Hand an meine Lippen." „Aber im Augenblicke fühlte ich die süße Rechte hastig entzogen und die ehedem so sanfte liebevolle Stimme sprach in ernsten, finsterm Tone: „„Mein Herr, waö ficht Sie an, hinweg, ent fernen Sie sich."" Ich glaubte nicht recht gehört zu haben und schaute flehend empor; da fiel EmilienS Blick halb er schrocken, halb vor Unwillen zermalmend auf mich, und in denselben Augenblicke faßten mich ein paar Fäuste