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— Sonnabend, de« SV. Februar. 1896. JetteLrißische Aeitage zum sächsischen Erzähler. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. (Wird jeder Sonnabends-Nummer ohne Preiserhöhung des Hauptblattes beigegeben.) Da reitet ein Bursche Die Straße entlang Da drüben im Städtchen Aus's Pferd er sich schwang, Gar traurig ein Mädchen Am Thore noch stand: Er küßt' ihr die Wange, Er drückt' ihr die Hand. Und sprach nur die Worte: Mein Lieb, ich muß gehn, Wir werden nach Jahren Erst wieder uns sehn; Doch mag ich auch fern sein, Gar ferne von hier, Mein Herz und die Liebe Sind stets nur bei dir. Jahn«. Ernst Roeder. Leb' wohl denn mein Liebchen, i Auch du bleib mir gut! Leb' wohl denn! Und einmal Noch schwenkt' er den Hut. r Sie nickt' nur und presset Die Hände auf's Herz: — Es hat keine Worte, Das Glück und der Schmerz. > Und als er verschwunden War über der Brück', Z Da könnt' sie nicht halten ) Die Thränen zurück. „Ich ahn' es; mein Herze, Was schlägst du so bang! — < Zum letzten Mal ritt er Die Straße entlang!" ; Und Jahre enteilten — Doch wer kennt das Land, Drin wohl jener Bursche Still liegt unter'm Sand? . . Nie kam eine Kunde Zum Städtchen zurück, Und ob auch manch Fremder Zog über die Brück'. Und Jahre enteilten — Im Häuschen am Thor Schaut nimmer in Trauer Ein Mägdlein hervor; Die ruht auf dem Friedhof Sanft unter dem Stein, Doch nahm sie die Liebe Jn's Grab mit hinein. Romer, der Tirolerjägcr. Von vr. Emil Freyburger. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Zweimal wich Hortensia dem Sprunge aus; zum drittenmal hätte das Publikum die Geduld verloren. Alles hielt den Athem an. Da rief Rainer mit lauter Stimme: „Alfred!" Man mußte auch die leiseste Antwort vernehmen, und es wollte den Tiroler be- dünken, als habe er auch aus der Ferne einen halb unterdrückten Laut gehört. Gleich darauf sprang Hortensia durch den flammenden Reif, ohne auch nur einen Faden ihres Wollkleides zu versengen, und ein nicht endenwollender Beifallssturm brauste durch den vollen Raum. Rainer verließ, als die Vorstellung sich ihrem Ende zuneigte, den Circus und stellte sich an dem Ausgang auf, um jämmtliche Zuschauer an sich Vorbei gehen zu lassen. Er spähte mit Sperberaugen, und es wurde ihm zur Gewißheit, daß der Knabe sich unter den Herausgetretenen nicht befunden. Der Späher begab sich, um nichts zu versäumen, noch einmal in das leere Zelt und rief Alfreds Namen. Der Bajazzo, der jetzt hinter dem Zelttuch hervorschaute, schüttelte verwundert den Kopf, Rainer aber wäre am liebsten in den Boden gesunken, denn er konnte sich an der Hoffnung nicht mehr aufrichten, daß Alfred vielleicht schon längst bei seiner Mutter angekommen sei. Der Weg vom Napoleonsplatz bis zur Straße von Porte-Neuve ist eine gute Viertelstunde lang. Rainer brauchte viel länger. Er blieb immer wieder stehen und sann und sann. Frau von Hammerstein — sagte er sich — hätte gewiß schon längst die Kammerfrau oder die Köchin ausgeschickt, um den guten Freund zu beruhigen, wenn Alfred zu Hause geborgen säße. Er saß also nicht zu Hause, nein! Sondern der gute Freund mußte die furchtbare Hiobspost selbst heimbrinqcn, die er und nur er verschuldete. „Aber der Knabe konnte sich doch auch verlaufen haben," rief ihm eine schwache Stimme zu. „Verlaufen? Geraubt wurde er, wie vor drei Jahren der kleine Anton in Wien, von dem man in allen Zeitungen schrieb. Ja geraubt, ich weiß es ganz gewiß, und ich ließ mir ihn rauben." Während Rainer sich unter solchen Vermuthungen und Selbstanklagen ganz beelendet nach Hause schleppte, hörte er plötzlich seinen Namen rufen und erkannte trotz des Dunkels die Kammerfrau. „Ist Alfred zu Hause?" ruft er ihr mit ganz er schreckender Stimme zu. „Nein, Rainer, seine Mutter schickt mich ja, weil Ihr so lange ausbleibt. Sie fürchtet, es sei Euch ein Unglück begegnet."