Suche löschen...
Der sächsische Erzähler : 07.11.1940
- Erscheinungsdatum
- 1940-11-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-194011071
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19401107
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19401107
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Der sächsische Erzähler
-
Jahr
1940
-
Monat
1940-11
- Tag 1940-11-07
-
Monat
1940-11
-
Jahr
1940
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 07.11.1940
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
ttaSXolt: jstr» I^IlVk^I k^ivroarkül» «ki-, ttovf oiott uns g»re^mai6ig v. moenk ri« ^i6«s5»on6»kükio gsgvn ^Vincl v. ^Vsttvf. VloMebrecher „Deutschland" Erlnnervng au eine kühne lat der Weltkriege« Bon BerndHohmann Am 8. November ISIS war es, als die „Deutsche Ozean- Reederei" gegründet wurde, zu dem Zweck, trotz Blockade die Verbindung mit dem neutralen Ausland wieder aufzunehmen. Nach den Plänen des Ingenieurs Rudolf Erbach wurde auf der Germania-Werst in Kiel ein U-Boot erbaut, das unbewaff net war und ausschließlich Handelszwecken dienen sollte. Im April 1916 konnte eS vom Stapel gelassen werden. Trotz seiner Größe von nahezu 2000 Tonnen und einer gewissen Behäbigkeit' war dem Boot Eleganz und Schnittigkeit nicht abzusprechen, und nach langen Erprobungsfahrten trat die „Deutschland" unter dem Kommando des Hanbelskapitäns Paul König die Fahrt nach Amerika an. Ruhig und ungefährdet verlief die Fahrt. Sie brachte zwar einige Zwischenfälle mit sich, die aber keinen ernsteren Charakter annahmen. In der Nordsee begegnete man der damals so beliebten U- Bootfalle. Der Dampfer, laut Flagge und Bordanstrich neutral, hielt auf die „Deutschland" zu. Als diese aber tauchte, zog er eS vor, mit äußerster Kraft im Ztck-Zack-Kurs das Weite zu suchen, jeden Augenblick gewärtig, das Krachen eines Torpedos zu hören. Doch die „Deutschland" als Handelsschiff führte keinerlei Waffen an Bord. Erheblich unangenehmer war ein Vorfall, der sich kurz da nach ereignete. Beim Auftauchen nach nächtlicher Unterwasser fahrt wurde der Auftrieb des Bootes durch starken Seegangs er heblich gehemmt, doch die hervorragende Beschaffenheit von Boot und Maschinen trugen den Sieg über die Naturgewalten davon. Als der Kapitän vom Turm den Horizont mit dem Glase nach feindlichen Schiffen absuchte, tauchte Plötzlich in geringer Ent fernung hinter einem Wellenberg ein feindlicher Zerstörer auf. Sofort ins Boot springen, Alarm und den Befehl zum Tauchen geben war eins. Das Gegen-den-Seegang-Tauchen wollte doch nicht gelingen. Schließlich gab Kapitän König den Befehl, beide Maschinen auf äußerste Kraft zu stellen, mit dem Erfolg, daß die „Deutschland" mit einem mächtigen Satz senkrecht in die Tiefe schoß und im Boot alles durcheinander kiel. Vergeblich suchte die Besatzung nach einem Halt, als plötzlich ein harter Stoß dem Schiffe Halt gebot und das Licht auslöschte. Da die Nordsee hier sehr untief war, schaute das Heck aus dem Wasser heraus. Sicherlich lösten die wild arbeitenden Maschinen herr liche Fontänen aus. Die Besatzung glaubte seden Augenblick das Krachen der Granaten zu hören, doch war der feindliche Zer störer bei dem Sturm anscheinend mit sich selbst genügend be schäftigt. Die Wasseriontänen hat er Wohl nicht bemerkt. Der Grund dieses Kopfstandes war. daß sich bei dem schnellen Tauchen die Tanks nicht vollkommen entlüftet hatten. Dies wurde nackmeholt. Nunmehr konnte das Boot durch Trimmen und Bendeln wieder in keine normale Laae aebracht werden. Eine Beschädigung Wae durch den barten Aulstost nicht einge- trete». nntz auch die Ladung batte sich nicht verschoben. Im Atlantik verwandelte sich da?- Schilf, um obne Kursän derung oder Tauchen an anderen Damvkern vorbeisahren zu '-innen, mittels Attravven aus Segeltuch in einen kleinen Trginv^mvser. Hierdurch Wurde einem Schilfe großer Schreck einaeklößt. nls er aus die ..Deutschland" zubielt und diese sich />rz N-Nggs entvuvvte "utz untertauchte. ^>"r Gallstram mit.keiner Wävme machte der Besatzung ick Heu Makchii-enräumen viel zu schallen. Allein auch dg? ging variib.er. fi c^„n Murde die amerika-lfche Habeitsarenze Wreicht. D-e Einlghrt in den Halen van Baltimore war ein Tri'Nnvll,"-> dev tzw «'"-"-lennnna liir die Schaffung und Fahrt Fördert die Frau den Klatsch im Betrieb? Was kann fie gegen ihn tun? Der Klatsch, da» Klatschen, d i e Klatscherei —, sie all« drel^sind vom Uebel, ohne Rücksicht auf den Charakter des Beiwortes. Dom liebel sind sie schon im Privatleben, wo sie viel Unheil anrichten: erst recht aber sind sie e, tm Betrieb. Und hier zeigt sich nun doch für jeden vorurteilsfreien Beobachter, daß der Klatsch — wir wollen ruhig bei der männlichen Bezeichnung bleiben 7- in vielen Betrieben seinen Einzug gehalten hat, wo er früher kaum anzutreffen wqr. Es gibt nicht wenige Männer, die in erster Linie auf diejenigen Betrieb, Hinweisen, die vor und während der Kriegszeit auf die Beschäftigung weiblicher Arbeitskräfte zurückgreifen oder die früher vorhandenen weiblichen Arbeitskräfte vermehren mußten. Vielleicht haben sie nach ihren eigenen Erfahrungen auch nicht unrecht. Aber da Verallgemei nerungen bet einem solchen Urteil ebenfalls voni Uebel sind, sollte man sich möglichst davor hüten. Zweifellos gibt es auch zahlreiche Jünglinge und Männer, bet denen eine ausgesprochene Neigung zum Klätsch vorhanden ist. Was kann nun da» Mädchen oder die Frau tun, um das weib liche Geschlecht vor dem verallgemeinernden Vorwurf zu bewahren, daß es im wesentlichen zur Entstehung de» Klatsches beiträgt? Das Nächstliegende ist natürlich, daß sie ihre ganze Aufmerksamkeit der ihnen zugeteilten Arbeit widmen und sich während der Arbeitszeit in der Unterhaltung mit Arbeitskameraden und -kameradinnen aus Has Notwendigste beschränken. Dabei braucht der kameradschaftliche lund freundliche Ton durchaus nicht zu kurz zu kommen. Aber es ist ja bekannt, daß nicht überall gewissermaßen am lausenden Band ge arbeitet wird, daß je nach der Beschäftigungsart auch Zwischenpausen seinireten, abgesehen von den Fällen, in denen es sich um einen aus- aefprochenen Bereitschaftsdienst handelt, also verhältnismäßig viel Ge legenheit zu Unterhaltungen geboten ist. Hier wird es meist»- eine Frage de» weiblichen Taktgefühls sein, um sich zu entscheiden, wie man sich am besten verhält. Einige Grundlinien sollten aber doch von allen eingehakten wer den. Diese bestehen vor allem darin, sich weder um die. Arbeit, noch um die persönlichen Angelegenheiten anderer Gefolgschastsmitqlieder zu kümmern, solange keine betriebliche Notwendigkeit dazu vorliegt. Rein persönliche Gefühle müßen aber auch dann in jedem Fall« aus- qeschaltet werden. Das bezieht sich besonder» auf Betriebe mit weib lichen und männlichen Sefolgschaftsmikgliedern und hier wieder be- smders auf Bürobetriebe. Pflichterfüllung und falscher Ehrgeiz soll- im bei Mädchen und Frauen genau so voneinander getrennt werden, sie das beim Manne notwendig ist. Insbesondere sollten Mädchen md Frauen peinlich darauf bedacht setn da» Arbeitsverhäftnin .zu ihren Vorgesetzten nicht durch persönlich« Gefühl« brölnslussen ;u las sen. Ueberall muß auch von Mädchen und FroiM di« BrtriAsord- vä«« genau eingehakten werden. Neben ihr dürfen kein« Vorrechte >Wenüber der Kameradin oder dem männlichen Arfttitskämeraden be- msprucht werden, denn sie erschweren «Ine wahr« Kameradschaft und »führen verständlicherwelse leicht zu Mißstimmungen. . -r Hält man sich an solche Grundregeln, ko sorgt man auch zugleich dafür, daß dem Klatsch vorgebeugt wird, der weder dem Betrieb, noch her Gefolgschaft zum Vorteil gereicht. Zeitungsinserate von anno dazumal Die lllllerleibrziaarre und der patentierte Würfelzucker — Taufend Taler für da« größte Schwein Europa« Was unser« Großeltern dachten und fühlten, wie sie lebten und starben., erkennt man sehr schön an alten Zeitungsinseraten. Sie sind «In getreu«» Spiegelbild einer Kuliurepoche, die noch keine Autos und Flugzeuge, Reichsautobahnen und Rundfunk, moderne Unrast und großstädtisches Verkehrsgetriebe kannte. Eine kleine Blutenlese aus diesem Gebiet, au» den verschiedensten Zeitungen des vergangenen Jahrhundert« bunt zusämmengestellt, ergibt In diesem Zusammenhang die interessantesten Aufschlüße . ,, preist z. B. «in gewiegter Geschäftsmann 1857 sein« „Unter- leibszigarren an. Diese „sind von feinstem Havanna-Tabak gearbei- tet, von betäubenden und narkotischen Stossen befreit und nach Angabe berühmter Aerzte und Chemiker so präpariert, daß sie »ine mild», de- sänstigende und auflösende Wirkung aus den Unterleib ausübcn." Einem „hohen Adel und der biederen Bevölkerung" zeigt 18SZ ein k u. t. landesbefugter Hutiabrtkant au» Wien die Eröffnung einer Hütniederlag« In der Nachbarstadt an. „Für mit Eisenbahnen reisen de» distinguierte» Publica" schließt da» Inserat, „habe ich die bewähr ten Paplerschutzhüt« auf Lager". Ein Jahr später rührt «in Menage- rirbesitzer für sein Unternehmen die Reklametrommel: „Bei mir ist zu sehen da» größte Riesenschwein, welche» 1331 Pfund wiegt und vori ge» Jahr bei der großen Tieraurstellung In London den ersten Preis von 25 Louisdor» erhalten hat. E» ist acht und »Inen halben Fuß lang, mißt acht Fuß im Umfang und ist vier Fuß acht Zoll hoch. Tausend Taler zahle ich demsenigen, der mir außerhalb meiner Menagerie ein solches Schwein Nachweisen kann." Noch Im Lahre 1841 mutz es um den Zahnersatz sehr schlecht be stellt gewesen sein. Anders ist nachiolgendes Kausgesuch eines Den tisten doch kaum zu klären. „Es kommt öfters vor, daß gesunde vordere obere Menschenzähne ausfallen oder eingedrückt und unbe nutzt bei Sette gelegt oder gar wegaeworsen werden; dieselben sind aber zum Einsetzen gar wohl zu gebrauchen Wer mir dergleichen überlaßen will, erhält für jede» Stück je nach deßen Beschaffenheit «men angemessenen Preis." Was soll man aber dazu sagen, wenn ein braver Schuhmacher meister anno 1844 sich dazu veranlaßt sieht, die Anschaffung einer Brille in den Dienst der Kundenwerbung durch die Zeitung zu stellen? „Meinen Geschäftsfreunden und einem geehrten Publikum zeige ich ergebenst an, daß ich durch gut« Augengläser in den Stand gesetzt bin, meine Profession wieder aufzunehmen. Auch der Würfelzucker muß 1844 als ganz grüße, umwälzende Erfindung gegolten haben. Aus einem Zeitungsinserat erfahren' wir, daß seine Form damals sogar patentiert war. „Von dem patentierten Zucker in Würfelform" heißt es da, „empfehle ich die erste Sendung." Ein Optikus preist 1845 durch sein Leib- und Magenblatt gar Brillen für den Verstand, iogenannte Verstandes-Restaurationsbrillen an: „Die Brille, welche den Augen, je nachdem sie beschaffen, am an gemessensten ist, wird sogleich nach den Regeln von mir bestimmt, so- bald ich die Augen gesehen habe Licht und deutliche Unterscheidung der Gegenstände wird Unfehlbar einen Jeden über das Gefühl seiner hergestkllten Sehkraft mit Freude erfüllen, und Niemand darf besor gen, daß die Augen angegriffen oder geschwächt werden. Diese Be sorgnis Mdet bloß bei Bergrößerungsbrlllen statt; vielmehr zeigt sich, wie schon gesagt, gerade das Gegenteil, daher diese Brillen auch Ver standes -Restaurationsbrillen heißen sollten." — Hund als Retter bei Automrfall. Ein ungewöhnlicher Autounsall ereignete sich bei Magenta in Oberitalien. Ein ita lienisches Ehepaar fuhr im Auto mit seinem großen Wolfshund. Der Mann saß am Steuer, die Frau im Jnrtern des geschlosse nen Wagens. Plötzlich entwickelten fach betäubende Dämpfe asis dem Benziy, so daß die Frau im Wageninnern die Besinnung verlor. Auch der Lenker des Wagens wurde davon benommen, verlor die Herrschaft über das Steuer und der Wagen landete umgestürzt auf einem Felde. Der Hund aber, her bei Besin nung blieb, Mf Lurch seirir unaufhörliches Gebell Menschen zu Hilfe, die sich auch bald einstellten. -Die Bewußtlosen koNgAr wieder zum Leben erweckt werden. Ohne die Anwesenheit des Hundes, der die Hilfe beschleunigte, wären sie mit Sicherheit durch das Gas erstickt worden, das sich noch immer weiter ent wickelte. . . 'en. "" vr-b hinaus jeberz-tt ein ehrende» Gedächtnis bewahren. gamenz, 7. November. Sich aus dem Fenster gestürzt. Eine diesig« Hausangestellte versuchte Dienstag früh gegen S Uhr ^'wahrscheinlich in einem Anfall von Schwermut - ihrew S-hen freiwillig ein Ende zu setzen. DaS Mädchen stürzte sich guz dem Fenster Mer im zweiten Stock gelegenen. Kammer aus die Straße. Mit schweren Verletzungen — u. a. brach eS t ^jj>« Beine — mutzte eS in» Krankenhaus gebracht werden. Aus dem Meißner Hochland Langenwolmsdorf, 7. November. Auszeichnung. Der Bauer Inari Schröder, hier, erhielt eine Urkunde für vorbildliche -Mdezüchtung undPferdewartuna. Belobigungen erhielten die Schmtedemetster Lehmann und Gerschel als Beschlag- nieister, - insbesondere-Schmiedemeister Gerschel, der Pferde geheilt bat, die am HufkrebS erkrankt waren und geschlachtet werden sollten. — Scheuneneinsturz. Die große Feld- scheune,des Bauern Tünnermeier ist vollständig zusam- mengestürzt. HsV^en sehnsüchtiger Drang nach den Wundern der Ferne hinaus- ' trieb, lernt m der Fremde — wie bald — innigstes Heimats gefühl. G. ei bei. MMMMMNMUMMMMMMMNMMMNMUMUMMMWNMMttUSMMMMMMSMMMNMMIMMMMMMM ° Siegt <1sL komsn von —- Liss 1ung-s.incjem 2 n n (Nachdruck verboten) 1. Kapitel. , Dr. Werner Eisenloyr ging durch die Sperre. Lärm von Stimmen, Hast, Unruhe und Rauch nahmen ihn auf. Die Halle dröhnte. Gespenstisch hingen runde Lampen von der Höhe der ver rußten Glaskuppel. Das Licht war trüb und freudlos, und von der offenen Seite der Halle her wehte eisiger Wind. Eisenlohr ging über den Bahnsteig. Er hatte den Kragen seines kurzen Gehpelzes hochgestellt. In der Linken trug er einen kleinen Lederkoffer. Flüchtig streifte sein Blick die Bahn hofsuhr. Zwanzig Minuten vor Zwölf. Er hatte noch Zeit. Als der Darren mit Buchern und Zei tungen an ihm vorüberrollte, hielt er ihn an, griff nach ein vaar illustrierten Zeitschriften nnd zahlte mit kleinem Geld, bas er lose in der Tasche trug. — Neben ihm stand eine Dame in Trauer. Sie war gleich nach ihm an den Wagen herangetreten und suchte zaghaft und unschlüssig zwifchen den ausgelegten Blättern und Heften herum. Eisenlohr sah, daß sie sehr schöne Hände hatte . . . beseelte Hände. Im Weitergehen kiel ihm ein, daß er nur auf diese Hände leachtet hatte und das stumpfe Schwarz der Trauerkleidung. Zunge Menschen sollten kein Schwarz tragen. Es war haß- ich und wirkte lahmend. Aber waS kümmerte er sich darum? Diese Reise nach Berlin war lästig. Sie war so uner- oartet gekommen, daß er keinen Schlafwagenplatz mehr erhal- en batte. Das war ärgerlich. Eisenlohr ging an der Kette der Wagen entlang, fröstelnd >nd übellaunig. München—Regensburg—Hof—Berlin stand auf den Weißen schildern unter den Wagennummern. Eisenlohr zählte die Nummern. Sein Wagen befand sich -eit vorn. Als er ihn erreichte, stand er unter freiem Him- lel. Schnee überstäubte ihn, eiskalter Atem des Winters lies ihn an. Im,Abteil roch eS dumvf nnd überhitzt. Eisenlohr legte en Koffer inS Netz und öffnete daS Fenster In feinen Kri- allen stoben ihm die Flocken ins Gesicht, kleine, dünne Flocken, ie naß zerrannen. Ob er allein bleiben würde? Dann könnte er sich wenig- ens ausstrecken und zu schlafen versuchen. Leider wurde eS damit nichts. Zwei Minuten vor Ab- ang des Zuges stiegen zwei Herren und eine Dame ein. Die Dame brachte eine Atmosphäre von Unruhe mit sich. Sie war rotblond, etwas üppig und trug einen Nerzpelz. Sie beschäf tigte Heide Herren in einer lauten und lebhaften Weise. „Den braunen Koffer nicht nach unten legen, Artur, er darf nicht gedrückt werden. Ach . . . Herr Weyland, nun haben wir doch die Zeitschriften zu kaufen vergessen . . wie dumm." Sie ließ ein glucksendes Lachen hören. Es klang töricht und ging Eisenlohr aus die Nerven. Kamen diese Menschen nicht endlich zur Ruhe? Die Rot blonde war schon zweimal über seine Füße gestolpert. Der Himmel mochte wißen, wie sie das sertig brachte! Er hatte sie doch schon ganz unter den Sitz gezogen. Verstimmt verkroch er sich in seine Ecke, entfaltete eine der mitgebrachten Zeitschriften und verschanzte sich hinter dem Blatt. Gottlob, die Ueppige saß. Artur bing seinen Mantel an den Kaken, stöhnte über die Hitze, und Herr Weyland stand draußen im Gang. Still, mit leise schüttelnder Bewegung, glitt der Zug aus der Bahnbofsbave. Kaum wurde die Blonde es gewahr, schnell te sie in die Höhe. „Um Himmels willen, Artur. . . meine Handtasche!" schrie sie und griff mit beiden Händen an ihre Schläfen. Es waren dicke, fettgepölsterte Hände. Geziert spreizten sich die kleinen Finger von ihnen ab. Eisenlohr stand auf und verließ fluchtartig das Abteil. Was für eine Frau! Artur tat ihm leid, und auch mit sich selbst fühlte er Mitleid. Es würde eine scheußliche Nacht werden. Langsam schlenderte er durch den Gang. Er konnte doch nicht die ganze Nacht hier auf- und ablaufen! Im Neben abteil waren noch einige Plätze frei bis auf die Eckplätze. Schade. Er wäre sonst sofort umgezogen. Eisenlohr ärgerte sich. Da geisterte er nun zu mitter nächtlicher Stunde in einem V-Zug herum, nur well es Pro fessor Schroeder vom Bakteriologischen Institut eingefallen war, seinen ehemaligen Schüler und Assistenten nach Berlin zu rufen. Telephonisch. Große Sache, Eisenlohr, hatte er gesagt, wir müssen daS persönlich besprechen . . . schnellstens. Er hatte sich zwei Tage Urlaub genommen, hatte Mikro skop und Gläser im Stich gelassen und war nun unterwegs nach Berlin. Ob die Dame in Trauer auch dorthin reiste? Lächerlich, daß sie ihm wieder einfiel! Er hatte nicht ein mal ihr Gesicht gesehen, nur die Hände Es gab nicht viele Hände, die so schmal und feingeformt waren. Eisensohr wanderte an den Abteilen entlang. Menschen äßen darin, müde Menschen mit geschlossenen Augen, geneig- :en oder nach hinten gelehnten Köpfen. Wenige lasen. Hier nnd da waren die blauen Hüllen über die Lichtknppcln gezogen. Eisenlohr ging immer weiter, bis er zu den verschlossenen Türen deS Packwagen« kam. Dann kehrte er um nnd wan derte zurück durch die schaukelnden Wagen, zurück zu der üppi gen Blonden. Ob sie inzwischen ihre Handtasche gesunden hatte? Er zündete sich eine Zigarette an, blieb an einem der Gangfenster stehen und lehnte die Stirn an die Scheibe. ES war hell draußen, mondhell, und der Schnee glitzerte im vorüberhuschenden Licht deS eiligen ZugeS." Eigentlich war diese kleine Ausspannung gar nicht so übel. Er kam wieder einmal heraus. Sonst gab es ja nichts, was ihn von seiner Arbeit' losgerissen hätte. Freunde? Er hatte niemanden, den er hätte Freund nennen mögen. Und Frauen? Eisenlohr drückte die Zigarette aus und warf sie in den Ascher unter dem Fenster. Es gab keine Frau, die ihn lange beschäftigt hätte. Die er kannte, spielten keine Rolle in seinem Leben. Wenn er einmal Zeit gefunden hatte, über Frauen nachzudenken, war er nicht weit gekommen. Daß es Männer gab, die nicht ohne Frauen existieren konnten, war ihm immer unverständlich gewesen. Eisenlohr brauchte sie nicht. Er hatte seine Arbeit und war von ihr besessen. Lr wußte, daß die jungen Gehilfinnen im Institut, die glücklich waren, wenn sie ihm assistieren durf ten, das Mikroskop spöttelnd seine Geliebte nannten. Er wußte auch, daß sie ihn oft bedauernd anschauten, als wäre er ein hoff nungsloser Fall, der seine besten Jahre auf der Jagd nach Bazillen vertat. Mein Gott, waren denn die Erregungen der Liebe so wich tig, daß eine ganze Welt sich um sie drehte? War es nicht tau sendmal mehr wert, sein Leben der Forschung zu opfern, den Feinden dieses Lebens nachzuspüren und nach Mitteln zu su chen, sie unschädlich zu machen? Heute hatte er ja Muße, darüber nachzudenken. Ein Schlaf platz war nicht vorhanden, also wachte man und Vertrieb sich die Stunden mit Grübeln. Aber das Stehen ermüdete auf die Dauer. Es war Wohl doch gescheiter. Ins Abteil zurttckzugehen. die Augen zu schließen und wenigstens so zu tun, als ob man schlafen wollte. Als Eisenlohr durch einen der Dritte-Klasse-Wagen ging, stand eine Frau im Gang. Die Dame in Trauer. Eisenlohr erkannte sie sofort. Sie trat zurück, um ihn vorbeizulassen. Dabei schaute er sie an. Ein schmales, trauriges Gesicht. Dunkle Augen. Aber die Haare waren blond, von einem matten Gold. Sie kann auch nicht schlafen, dachte Eisenlohr und fühlte sch versucht, stehen zu bleiben. Aber WaS sollte er mit ihr an- ängen? Sie mit irgendeiner belanglosen Phrase anzusprechen, lag ihm nicht. Er ging weiter. An der Tür. die den Wagen in der Mitte teilte, sah er sich noch einmal nm. Die Frau stand am Fen ster. Ihre Land hatte den Messinggriff des RahmenS um spannt, ihr Körper schwang im Rhythmus der FahrtVewegung leise mit. Eisenlohr schüttelte den Kopf über sich selbst, stieß die Tür auf und setzte seine Wanderung fort. Die Fra» war weder hübsch noch interessant. Was war es also, WaS ihn so seltsam angezogen hatte, daß er sich mit ihr beschäftigen mutzte? Als er auf seinem Platz saß und einen Blick aus die Rot blonde warf, die ihren Kopf in den Pelzmantel gewühlt hatte und ihn aus verschlafenen Angen anblinzeltc, wußte er mit einem Male, was cs war. Die Dame in Trauer war so allein und einsam wie er. Der tiefe Ernst ihrer Augen hatte eS ihm verraten. Zum ersten Male hatten ihn ein Paar. Frauenauaen angesehen, ohne daß n ihnen der glitzernde Glanz, die spielerische Lockung des allenwollenS anfgetaucht war. (Fortsetzung folgt)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)