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Mailand, 25. März. Wir besitzen.gegen 1000 Barrikaden und lassen sie für den Fall eines Angriffs stehen. Man hofft, daß die Oestreicher nur im Wege der Kapitulazion mit Rücksicht auf 17 angesehene als Geißel mitgenommene Mailander nach Deutschland zurückgelangen werden. Die Kroaten sengen, brennen und morden auf dem Lande. Viele tausend Bewaffnete sind dem Feinde nach geeilt; piemonteser Freischaaren rücken täglich ein, piemonteser Truppen haben schon die Grenze überschritten. In der Stadt herrscht die größte Ordnung, die Gefangennehmung Radetzki's und die Ueber- rumpelung Mantua's bestätigt sich noch nicht. Die provisorische Re gierung nimmt den neuen Beamten keinen Eid ab, da sich die Treue gegen das Vaterland von selbst verstände. Von Parma meldet man, daß Karl Albert dort als König proklamirt fei. Neapel, 18. März. Ein abermaliges, durch Lord Minto überbrachtes Ultimatum der Palermitanischen Regierung lautet in den Hauptbeftimmungen: Titel: König beider Sizilien (nicht mehr des Königreichs beider Sizilien); Vizekönig mit vollkommen könig licher Befugniß, ein Prinz oder ein Sizilianer; nur sizilianische Beamte; Sizilien erhält den vierten Theil der Flotte oder den Werth in Geld; Neapel entschädigt die durch das Beschießen des Freihafens von Messina beschädigten Kaufleute; eigene Fahne, Münze rc. In Neapel herrscht so große Erbitterung über diese demüthigenden For derungen der Sizilianer, daß der König sie kaum annehmen kann. — Die unruhige, unbefriedigte Stimmung dauert fort. Auf den Wahlkomites melden sich keine Wähler, entweder weil sie das Wahlgesetz nicht liberal genug finden, oder an den Stand der Dinge nicht glauben, oder der konstituzionellen Einrichtung abhold sind. Republikanische Demonstrazionen fehlen nicht, der König ist vor Aerger und Aufregung unwohl. Die Aufhebung eines großen Theils der Klöster wird wahrscheinlich durchgesetzt werden. Ein Re gierungsdekret „zur Regulirung der Einkünfte des Klerus, zur Be seitigung von Mißbräuchen und Erpressungen" erinnert den Klerus, daß Menschenliebe und Uneigennützigkeit seine ersten Pflichten sein sollen. Warschau. Ein Dekret verbietet die Ausfuhr von Mehl, Rog gen und Hafer, was auf bevorstehende Truppenversammlungen schließen läßt. Kunst und Literatur. Ausstellung von Transparentgemälden nach klassischen Meistern mit Musikbegleitung zum Besten oer erzgebirgischen und oberschlesischen Nothleidenden vom Konnte der Tiedgestiftung veranstaltet. Die Privatwohlthaligkeit Dresdens, welche sich immer auszeich- nere, hat schon sehr viel für unsere unglücklichen Brüder in Ober schlesien und im Erzgebirge gethan. So sind auch in Preußen reiche Spenden der Bürger für die Armen zusammengebracht. Es ist jetzt eine Pflicht und Arbeit des human denkenden Volkes geworden, die groben Sünden seiner Kabinette und ihrer Diplomatik wieder gut zu machen. So nach außen bei Polen, so nach innen bei der Vernach lässigung des Proletariats und des bedrückten Pauperismus. Ja Preußen hat den Balsam der Mildthätigkeit aus die Wunden zu legen, welche seine Staatsverwaltung durch jahrelange Hungerqual den schlesischen Provinzen schlug, dem armen Volke, dessen Hilferuf durch die Tyrannei der Regierungszensur jahrelang frech unterdrückt und in die müde Brust der Leidenden gleichgiltig zurückgepreßt wurde. Sachsen hat die Noch zu lindern, welche in dem nahen Erzgebirge theils durch die herkömmliche Zaghaftigkeit vom Ministerium des Innern, theils durch Deutschlands allgemeine Zurückschiebung der Arbeiterfrage und der sozialen Reorganisazion entstand. Die neue Zeit rückt uns diese Frage mit der eisernen Kraft der Nothwendigkeit vor, und wir haben zwischen ihrer glücklichen Lösung, oder dem stür mischen Bruche der menschlichen Gesellschaft freie Wahl. Wenn wir Alle einig sein wollen, ist Kraft und Hoffnung zum Erstern da, bis zum Resultate aber bedarf eS von Seiten des zweiten Standes, den jetzt die Zeit geschaffen hat, auf den jetzt und immer zu rechnen ist, noch großer pekuniärer Opfer als Palliativmittel. Leider ist nun auch im Erzgebirge der Hungertyphus ausge- krochen und droht fürchterlich um sich zu greifen. Zeder Privatmann, der es vermag, wird in Dresden und ganz Sachsen thun, was ihn sein Mitgefühl lehrt; um aber auch durch öffentliche Anstalten im Großen zu wirken, habe ich schon lange eine Aufführung unserS Theaters zum Besten jener Armen auf's dringendste an empfohlen. Man ist diesem billigen Wunsche, der gewiß in Tau senden Nachklang gefunden, nicht nachgekommen, obgleich gern alle Schauspieler zu solchem Zwecke ihre Kräfte geboten hätten; denn die Künstler der Bühne haben sich in jeder Zeit, wo sich'S um Wohlthun und menschliches Mitgefühl handelte, freigebig und thätig gezeigt. DaS Theater zu Frankfurt hat ein Opfer für die sehr entfernten Noth leidenden nicht gescheut, eine Handlung, die nicht durch das Kredit oder Debet der Kaffe, sondern durch leitende Gesinnung zu erklären ist. Die Ausstellung von Transparentgemälden auf der Brühl'schen Terrasse ist ein öffentliches, edles und schönes Unternehmen, dessen Gewinn nach Abzug der Kosten eben jenen armen Brüdern bestimmt ist. Eine dreimalige Vorstellung hat bewahrt, was schon früher in diesen Blättern über jene Werke, deren Ankauf dem Herrn Major Serre zu danken ist, gesagt wurde. Soll nun daS menschenfreund liche Ziel dieser Schaustellung wirklich erreicht werden, so ist dazu vor Allem ein zahlreicher Besuch zu wünschen, und in der festen Ueberzeugung, daß dabei vielmehr ein großer Genuß zu holen, als ein Opfer zu bringen ist. Die Neuheit des Gegenstandes, der Reiz und die Schönheit der einzelnen Bilder fordern zu einem sol chen Besuch allgemein auf, und die billigsten Preise kommen dem Pu blikum entgegen. Die gütige Unterstützung des TheatersängerchorS trägt durch einen reingestimmten Gesang das Ihrige zur Erhöhung des Interesses bei, daS ohnedies noch durch Begleitung einer neu erfun denen Phys-Harmvnika gespannt wird. Wir sehen mit Hoffnung auf den Geschmack und auf die Humanität des Publikums den nächsten Vorstellungen mit Freude entgegen. O. A. Banck. Feuilleton. FAus Berlin theilen wirFolgendeS aus einem Brief von Freun deshand mit ; denn auch die schon bekannten Szenen, die darin noch mals berührt werden, gewinnen dabei ein neues Interesse: Das Militär hätte, wenn der Kampf Sonntag Vormittag fortgesetzt worden wäre, bis gegen Abend vollständig unterliegen müs sen. Es standen 30,000 Mann reguläre Truppen in den Straßen, aber sie waren nach I5stü nvigem Kampf zum großen Theil hund müde; das Volk dagegen, als der Kampf unterbrochen ward, keines wegs deprimirt, sondern erbittert, unerschrocken und witzig. Mehr als 100 Barrikaden waren noch gar nicht angegriffen worden, und darunter befanden sich gerade die stärksten, an welchen die Kraft von Regimentern erfolglos zersplittert wäre. Sie kennen die breiten, lan gen und geraden Straßen Berlins und wissen , wie schwer dieselben gegen eine geregelte, gut disziplinirte, planvoll dirigine, mit einem Worte — preu ß ische Truppenmacht zu vertheidigen sind; bringen Sie noch in Anschlag, daß das Volk zum größten Theil gar nicht, zum andern jämmerlich bewaffnet war, dann werden Sie zugeben müssen, daß die Berliner nach Art und Dauer des Kampfes sich wie Spar ta n e r benommen haben. Noch nie ist bei einer Revoluzion in den Straßen einer Stadt, wo landsmannische Truppen dem Volke gegenüber standen, ein so andauernder furchtbarer Gebrauch von der Artillerie gemacht worden, wie hier. Man hatte allgemein gehofft, daß diese Waffe, bei der die meisten Offiziere Bürgerliche sind, sehr bald mit dem Volk fraternisiren würde, aber das Kommando scheint wie ein Zauber auf die Mannschaft zu wirken. Unter den Gefallenen und am 22. März Begrabenen befindet sich einer meiner Freunde, mit dem ich auf Du und Du stand, Referendarius Gustav v. Lensky aus Altpreußen. Er fiel nach tapferer Gegenwehr, Degen und Pistol in der Hand, an der Ecke der Friedrich- und Kronenstraße bei Erstürmung des Hauses Friedrichstraße 190, von 4 Kugeln durch bohrt. Zum Glück lebte er noch 12 Stunden und starb mit Freude über den Sieg der Freiheit, der Vormittags entschieden war. Frei- heitsfiege und Religionen müssen mit Blut besiegelt werden. Die erschütterndste Szene der Revoluzion , die ich gesehen, fand am 19. Mittags statt. Am Ende der breiten Straße, wo das Kölner Rathhaus steht, hatte sich eine der stärksten und am heldenmütbigsten vertheidigte Barrikade befunden, die nach einem dreistündigen Kartät schen- und Granatenfeuer endlich in der Nacht genommen und zerstört