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. IS dem Heere die schwere Pflicht abgenommen, bei Tumult und Aufruhr im Innern der Städte aufzutreten; den Bhrgerwehren hat man, als den an Sicherheit von Personen und Eigenthum und innerer Ruhe am nächsten Belheiligten, diese Verpflichtung übertragen. Nur in letzter Instanz, wenn die Kräfte der Kommunalbewaffnung zum Stil len de-TumultS nicht au-reichen sollten, wurde die bewaffnete Macht zu Hilfe gerufen. — ' Es sei fern von unS, die Hingebung jener Bürgerschaaren, welche fich erst vor wenigen Tagen, einer Rotte von muthwilligen Ruhestörern gegenüber, trefflich bewährt hat, gering schätze» zu wollen; indeß scheint gerade die passive Rolle, auf welche die Armee in jenen Tagen ange wiesen war, bei so Manchen den Glauben an eine gänzliche Nutzlosig keit de- stehenden Heeres bis zur Evidenz erwiesen zu haben. — Sie schließen, daß eine Volk-bewaffnunq, — wie hier die Bürgerwehr ge gen innere Feinde mit Erfolg angewandt worden, — in größerer An zahl auch gegen den äußern Feind verwendet werden könne und, geho ben von dem Enthusiasmus eines volksthümlichen Krieges, unbedingte Erfolge erringen müsse. — Wer aber sein Leben dem ernsten Berufe gewidmet, das Vaterland in der Stunde der Gefahr mit seinemBlute zu Vertheidigen, wer es weiß, wie viel Anforderungen an jeden einzel nen Krieger zu machen sind, bevor man ihn kampffähig und kamps tüchtig nennen kann, Der wird mit mir jenen Schluß einen trüg- lichen nennen. - ES ist ein Unterschied zwischen einem Anrücken auf steinwerfende Tumultuanten und dem Angriff auf einen wohlgeschulten und kriegS- grübtrn Feind. — Die Kriegsführung ist seit lange zur Wissenschaft erhoben. DaS bunte Spielwerk, welches der Laie nur aus friedlichen Manövern und Wachtparaden kennt und das sich da anscheinend leicht und mühelos bewegen läßt, hat einen dermaßen zusammengesetzten Mechanismus, daß ein ebenso anhaltendes, als gründliches Studium erforderlich ist, um ihn mit einiger Sicherheit auf Erfolg handhaben zu können Es ist daher nothwendig, daß die Offiziere, e- ist aber ebenso wichtig, daß die Mannschaften kriegstüchtig seien. Diese Tüchtigkeit besteht jedoch nicht blos in einem hingehenden Muthe, in der begeisternden Idee für das Vaterland zu streiten und in den Tod zu gehen, sondern hauptsächlich in der Kcnntniß der Waffe, welche der Krieger führen soll, in der Gewandheit im Gebrauche derselben. Nicht die Uebung von 14 Tagen, oder wenigen Wochen kaon einer Truppe diesen Grad von Kampftüchtig- krit verleihen und die größte Tapferkeit wird, einem waffengeübten, kriegsgeschulten Feinde gegenüber, unsägliche und vielleicht doch nutz lose Opfer bringen, ohne den Zweck des Kampfes zu erreichen. — Aber Nordamerika? Aber die Feldzüge der französischen Re publikaner gegen die Deutschen? Aber die Siege de-Jahres 1813? Und die Schweiz? Und die Erfolge, welche das Volk von Wien und Berlin gegen die Truppen errang ? So höre ich die Gegner der Ar meen ausrufen und beleuchte deshalb so kurz wie möglich die anschei nend meine Behauptung widerlegenden Zitate. — Nordamerika - geografische und politische Lage ist so himmel weit von der Deutschlands unterschieden, daß die Ungehörigkeit einer Parallele zwischen diesem Staate und Deutschland wohl Jedem bei einiger Ueberlegung einleuchten dürfte. Hätten die vereinigten Staa ten statt des MeereS ein russisches Reich an der Ostgrenze, im Westen ein gährnides Frankreich, so dürfte eS wohl auch dort mit 12,000 Mann Sokvrruppeu nicht abgerhan sein. — Aber die Erfolge, weiche die französischen Armeen gegm di« deut schen in ben 00er Jahren erfochten? — Man wolle nicht außer Acht lasse«, daß in Frankreich damals die Begeisterung für die Freiheit, so wie der Terrorismus im Innern Hunberttausende an die Geenzen wieb, welche mit dem Muthe der Verzweiflung auf dem Schlachtfelde Herr Tod suchten, mit dem sie m der Heimath di« Guillotine bedrohte. Derburch «rtzielten die Heere der Republik ein bedeutend«- numerisches Uebergewich« über die deutschen Armeekorps. Auch bildeten den Kern berMosel-, Sambr,-, Maas- und Rheinarmee die alten Re- gbweuter, welch« bereits vor Beginn der Revolution bestanden und bene« Volontär- und Naziowalgarden einverleibt wurden, wen» schon »eu» di» royalistischen Namen der Regimenter i» republikanische Halb» beig-de» verändert«. Uebrigens waren damals die deutsch«« Feld herren, durch Mißtrauen Oestreichs gegen Preußen und umgekehrt im freien und razionelle» Handeln gelähmt; die Mehrzahl der An führer selbst Veteranen aus dem 7jährigen Kriege, zögernd und un entschlossen in einem Berufe, der eben die größte Energie, die glück lichste Benutzung de- Augenblicks erfordert. — Faßt man die- Alles in s Auge, so wird man mir zugestehen müssen, daß hier zu viele den französischen Waffen günstige Faktoren zusammenwirkten, um absolut auf die Vorzüglichkeit einer improvi- sirten Bewaffnung in Masse schließen zu können. —Auch haben jene Aufgebote, welche aus dem Innern mit kriegsunkundigen Führern ih rer Wahl an die Grenzen und gegen den Feind zogen, ihrer Waffen- ungeübtheit und der Unerfahrenheit ihrer Führer Tausend« zum Opfer gebracht, um Erfolge zu erringen, welche von kriegerisch ausge bildeten Heeren, unter übrigens gleichen Verhältnissen, mit der Hälfte des Verlustes erreicht worden wären. Die von der deutschen Nazion im Jahre 1813 gegen Napoleon'S Schaaren errungenen Siege beweisen auch durchaus nicht die Nutz losigkeit stehender Heere. Di« Freiwilligen, welche in jenem Feld zug vornehmlich dem preußischen Heere «inverleibt waren, sind aller dings auf den Feldern Großgörschens in ganzen Schaaren für Deutsch lands Entfesselung gefallen; aber Preußen hatte sich vom Jahre 1808 an (der Tilsiter Frieden gestattete der Krone Preußen nur ein« Arme« von 40,000 Mann) durch ein System fortwährenden Ausbildens waffenfähiger Leute und Entlassens, sobald sie den gehörigen Grad von Kampftüchtigkeit erlangt (das sogenannte Krümpersystem), einen Stamm von 120,000 geübten Kriegern gebildet, mit denen vereint die Freiwilligen in's Feld zogen. — Erwägt man ferner, daß Frank reichs Kräfte durch den unglücklichen russischen Feldzug von 1812 be reits erschüttert waren, daß Napoleon s Armeen im Jahre 1813 zur Mehrheit aus jungen, der Strapazen ungewohnten Konskribirten be standen, daß das numerische Uebergewicht bei weitem auf Seiten der Alliirten sich befand, fo werden jene Siege zwar immer als Zeugen deutscher Tapferkeit zu nennen sein, aber nicht die Beweiskraft be sitzen, welche man ihnen gegenwärtig gern beilegen möchte. Will man die jüngsten Ereignisse in der Schweiz (den Sonder bundskrieg), wo Aufgebote gegen Aufgebote kämpften, als Beweis gegen die Nothwendigkeit stehender Heere anführen, so kann Dies wohl nur von Solchen ernstlich gemeint sein, welch, die oberflächlichste Kenntniß von den eidgenössischen Militärverhältnissen haben. Die Eidgenossenschaft verwendet bedeutende Summen auf Un terhaltung eines zahlreichen, kriegswissenschaftlich gebildeten General stabes, einer tüchtigen Artillerie und beträchtlicher KadreS für Infan terie und Kavalerie (welche letztere Waffe wegen des fast durchgehends bergigten Terrains allerdings nie bei einem Schweizcrkriege entschie den eingreifen wird). Ueberdies hatte General Dufour, ein umsichtiger und energischer Feldherr, so ungewöhnlich feige und muthlose Schaaren sich gegenüber, daß seinen, in kürzester Zeit errungenen Erfolgen überhaupt keine hi storische Beweiskraft inne wohnt und der ganze Feldzug als ein Im promptu erscheint. Die Ereignisse in Wien und Ber in sind noch zu neu, um mit jener Leidenschaftslosigkeit betrachtet werden zu können, durch welche allein ein unbefangenes und richtiges Urtheil begründet wird. In Wien unterlag wohl mehr ein, im höchsten Grade unpopu läres RegierungSsyftem der allgemeinen Manifestazion der öffentlichen Meinung, als die Truppen selbst dem anstürmenden Volke. — AuS der geringen Anzahl Todter (13) und Verwundeter (30) geht hervor, daß der Zusammenstoß nur ein vorübergehender gewesen ist. Wir lassen dahingestellt sein, ob in Berlin bei einer Erneuerung des Kampfe- die Truppen oder da- Volk di« Oberhand behalten haben würden. Aus den Verlusten jene- traurigen Tage-, welche in weit beträchtlrcherm Maße die bewaffnete Macht, als da- Volk betroffen, geht nur das Gräßliche eine- Straßenkampfes hervor. Wenn jedes Haus zur Festung, jedes Fenster zur Schießscharte, jeder Ziegel zur tödtlichen Waffe wird, wenn Weiber, Kinder und Greise hinreicken, um den Kämpfern den Tod herabzuschleudern, und zu alle Dem die Aogreifenden noch da- traurige Bewußtsein haben, gegen Landsleute, gegen Brüder eines Stamme- fechten zu müssen, da mag man sich nicht wundern, wenn der Erfolg, auch der geübtesten Schaaren, ein problematischer wird. Daß aber, unter Berücksichtigung der angedeuteten Verhältnisse, ein solcher Kampf im Innern der Städte mit einem Gefechte im freien