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kleinere Steg« wurden von' den Fluthen fortgeriffen, di« steinernen Jsardrücken konnte man noch geraume Zeit passtren. Endlich wuchs der Strom j» solcher Höhe an, daß Vie Zugänge zur Neuen Jiarbrücke ebenfalls überschwemmt sind. Wir sind daher von ter Vorstadt Au gänzlich abgesperrt; dort muß ein gräßlicher Jammer sein. Die Au ist fast ausschließ lich von Armen und Arbeitern bewohnt, welche ihr Brod in der Stabt suchen und der heimatlichen Noth nicht mehr rechtzeitig zu Hülse eilen konnten. Um ihre Habseligkeiten zu retten, sah man Hunderte die tollsten Wagnisse unternehmen. Nach Allem zu schlie- ße», scheinen die Verheerungen furchtbar zu sein. München, 3. August. Norddeutsche und fran zösische Pogen fehlen uns seil gestern in Folge brr durch Wolkenbrüche allenthalben im südlichen Theile Baiern- entstandenen Uebrrschwemmung. Da- Wasser der Isar ist übrigens, nachdem «S unermeß lichen Schaben binnen 10—12 Stunden ungerichtet und selbst einige Menschenleben mitgenommen hat, seit gestern NachtS 9 Uhr wieder eben so schnell ge fallen als eS gestiegen war, und heute fast vollständig wieder in sein gewohnte- Bett zurückgekehrt. Stuttgart, 2. Aug. Heute Morgen ging eine telegraphische Depesche an den König nach Venedig ab, worin demselben die durch das letzte Gewitter verursachte Uebrrschwemmung angezeigt wird. Der Schaden wird nach oberflächlicher Schätzung auf 1 Mill. Fl. angeschlagen. Aus Eugen Sue'S Leven. Eugen Sue, Sohn eines reichen Pariser Me diziner-, zeichnete sich schon in seiner frühesten Kind- heit durch Leichtsinn und lockeren Lebenswandel auS, so daß er von allen Lehranstalten und Instituten als ein unbrauchbares Subjekt zurückgeschickt wurde, und unfähig, sein Eramen als Mediziner zu macken, eine untergeordnete Stelle als Chirurgengehilfe bei einem Hospital erhielt. Später gelang eS seinem Vater, ihm eine Anstellung auf einem Schiffe zu verschaffen, der gewöhnliche Weg, den in Frankreich Leute von Stand für ihre ungerathenen Kinder einzuschlagen pflegen, in ähnlicher Weise, wie man die schlechten Waaren, welche diesseits deS OceanS nicht anzubringen sind, nach transatlantischen Häfen verschifft. Der unge, raihene Sohn konnte eS auch auf dem Meere nicht lange auöhalten; in Folge ernster Zänkereien mit dem Schlffsvolke sah er sich genöihigt, seine Entlassung zu nehmen. Nachdem er solchergestalt die Schule, da- Colleg, den Hospital- und den Seebienst burchgelaufen hatte, kehrte er nach Paris zurück und gesellte sich jener Claffe eleganter Pflastertreter bei, welche unter dein Titel „LionS" überall eine so traurige Berühmtheit und Nachahmung gefunden haben. Er hatte von seinem Vater ein hini^ickend großes Vermögen geerbt, um ein paar Jahre damit die ausschweifendste» und wun dersamen Gelüste bestreiten zu können', in welchen seine fruchtbare, aber überspannte Phantasie ihn «rieb. Ich brauche wohl kaum zu bemerken, daß dieser junge Wüstling der zu europäischer Berühmsheit ge, langte Verfasser der „Geheimnisse von Paris" und ve rewigen Juden" ist, derselbe, der einem Wucherer einst einen Wechsel von 1h,000 Franc- unterschrieb, nur um seine Garderobe zu vervollständigen. Eugen Sue verstand es, durch wahrhaft ele gante Tollheiten die überspanntesten Lion- von Pari- zu überflügeln. AlS Beispiel fei hier eine kleine, etwa fünfzehn Jahre zurückdaiirende Scene aus seinem Le ben angeführt, deren Thatsächlickkeit verbürgt ist. Eugen Sue hatte einmal mitten im Winter alle seltenen Blumen aufkaufen zu lassen, die in Part um diese Jahreszeit zu bekommen waren. Mit Anbruch der Nacht (am Tage geht er niemals auS) macht er Toilette in einer selbst für einen Lion ercentrischen Weise, und ohne den Stock L I» öalrae (d. h. ein Stock mit goldenem, diamantengcschmückten Knöpfe) zu vergessen, wirft er sich in seinen vierspännigen, mit Blumen beladenen Wagen und läßt sich mit Ertrapost nach Orleans fahren, welche- etwa 1L Postmeilen von Pari- entfernt liegt. Ein Banquier seiner Familie gab dort einen großen Ball. Man denke sich da- Staunen der Gäste, als Eugen Sue plötzlich in die hellerleuchteten Salons trät, seinen diamantenglitzernden Stock mit Blume» umwunden, selbst von Kopf bis zu Fuß mit Kränzen behangen, eine Blumenkrone auf dem Kopfe, und in seinem Gefolge ein Dutzend Leute, welche die ganze Blumenladung seine- Wagen- in dem Saal umher streuten. Die Musik schweigt; die Tänzer stehen still und sperren verblüfft die Mäuler, während die Damen ganz bezaubert sind von brr magischen Wirkung dec nächtlichen Erscheinung und des BlumenregenS mitten im Winter. Befriedigt mit dem AuSgange seine- kostspieligen Abenteuers, läßt er die Gäste in ihrer Verwirrung stehen, wirft sich wieder in den Wagen und fährt in gestrecktem Galopp, wie er gekommen, nach Pari« zu rück, wo er schon vor anbrechendem Morgen wieder in seiner Wohnung anlangte. Ein Pferd hatte er auf der Hinreise und zwei auf der Rückreise zu Tode ge jagt. Das war eines der nächtlichen Abenteuer Eugen Sue'S, — Abenteuer, dir sich so oft wiederholen, daß man in Paris seine Pferde immer nur eilevan»-äa- nuit (NacktMähren) zu nennen pflegt. In seinem prachtvollen Schlosse lebt Eugen Sue auf eine Weise, die an die üppigen Schilderungen eines PetroninS erinnert. Seine Tafel seufzt unter dir Last der seltensten Gerichte und Weine; die herrlichsten Renner zieren seine Ställe; feine Höfe wimMelN vo» Jagdhunden. Wie jener Grieche, der unter schlechten Leuten lebte, gut wurde, weil er immer daS Gegen- theil von dem that, waS er sah, so wurde Sue rtich Und berühmt dadurch, baß er immer da- GegeNtheil von dem schilderte, waS er sah und lebte. In den ausgesuchtesten Genüssen schwelgend, beschreibt er das Elend der verhungernden Proletarier; bei den aus schweifendsten aristokratischen Gewohnheiten macht er sich zum Kämpen des SvcialiSmuS. Ein paar Mal wirr Eugen Sue dem Ruin nahe, trotz der Ungeheuern Honorare, welche er immer für seine leicht fabricirten Bücher bezog. In den letzten Jahren hat eine Familie Caillard die Leitung und nutzbringende Verwendung der Eapitale übernommen, welche den socialistischen Feuilleton- entfließen, und seitdem istEugenSue wieder zu einem ansehnlichen Desitzthum gekommen.