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Gilberpfenntge, wenn die Linder in Jsaak'S Keller gebracht sind!" Arno hingegen erhielt dreißig Pfund schnell zu» gewogen. a. DeS Nachmittags versammelte sich der Rath. Da machte denn Erhard die Anzeige, daß Meister Ga briel vergifteten Meth zapfe, und eben solche Leb kuchen verkaufe. Bald saß dieser im Kerker, denn Lebkuchen und Meth waren wirklich vergiftet. — „Der fällt durch das Beil des Henkers!" frohlockte Erhard, und rieb sich in gräßlicher Schadenfreude die Hände. — Da drangen sieben Väter in den Saal: „Die Juden haben uns unsere Kinder gerauht! Vergebens forschen wir nach den lieben Kleinen!" Bald darauf stürzten die jammernden Mütter zu den Füßen der Richter und flehten um Bestrafung der Ktndermörder.. Es war dunkel geworden. — Da brachte man auf das RathhauS die Nachricht, daß die Juden in Jsaak'S Wohnung versammelt seien, und daß man einen Mann mit einem Korbe unter dem Arme habe hineinschleichen sehen. „Das sind unsere Kinder!" heulten die Mütter. Obwohl der Weihnachtsabend bei guien Christen still und auferbaulich gefeiert zu werden pflegt, obwohl man in jener für uns so denkwürdigen und gesegneten Nacht durch Gebete und harmlose Spiele sich bis zur Mitternacht wach zu erhalten sucht, um dann der Mette beizuwohnen, so ging eS in der Christnacht 1312 zu Judenburg doch laut und gräulich her. Im Schenkzimmer deS Fleischers Erhard hatte sich wieder ein Schwarm böser Gesellen versammelt, die diese heilige Nacht bei schwelgerischem Gelage gar sehr entehrten. Sic waren sämmtlich bewaffnet. Er hard erhitzte die Blutgierigen durch Trunk und Rede, und forderte sie laut auf, an den Juden sich zu rächen, sie zu berauben, niedcrzumachcn, und den Rest zu verjagen. Unter diesem Haufen befanden sich auch die sieben unglücklichen Väter, denen man ihre Kinder geraubt hatte. Diese schwuren, keinen Juden zu ver schonen, wenn sich bei ihnen Spuren der geraubten Kinder vorfinden sollten. „Das wird sich schon bei der Hausdurchsuchung zeigen!" sprach Erhard. „Glaubet mir, Eure Kin. der sind in der Wohnung des heuchlerischen Isaak. O, dieser alte Bösewicht wird sie sicherlich tödten und ihr Blut dann zu bösen Zauberkünsten und gottes lästerischen Handlungen gebrauchen!" — Schon erklangen die Glocken und riefen das gläu bige Volk zur Kirche. Da verließen die Zecher ihre Plätze, nahmen die Waffen zur Hand und schritten in jenes Gäßchen, das an der Gartenzäunung deS Juden Isaak hinlicf. ». , Gabriel's Gefangennchmung hatte unter den besseren Einwohnern JndenburgS großes Aufsehen erregt. Sie konnten es nicht glauben, daß ein so rechtschaffener, biederer Mann sich eines solchen Ver brechens sollte schuldig gemacht haben. Besonders wunderten sich hierüber seine Freunde und Nachbarn Mört und Christoph, die mit ihren Angehörigen sich versammelt hatten, um in die Mette zu gehen. „ES ist mir unbegreiflich!" sprach Mört. „Aber höre, Freund," meinte Christoph, sollte denn jener wälsche Spitzbube, den wir gestern aus Gabriel's Garten steigen sahen, vergebens in de- LebküchlerS Hause gewesen sein? Ist eS sticht vielmehr wahrscheinlich, daß der böse Nachbar Erhard ihm diesen Streich spielen ließ?" „Ja, so ist eS; denn Gabriel war stets eist Ehrenmann. Wir wollen sogleich zum Bürgermeister und ihm unsere Meinung mitrheilen!" eiferte Mörd. Da klangen die Glocken, und die Freunde woll ten zur Mette gehen. Auf dem Platze schaartrn sich die frommen Waller, die in die Kirche eilten. Inzwischen war Meister Erhard mit seinen Ge sellen in den Garten Jsaak'S gestiegen.! Sie fanden die Gemächer deS Erdgeschosses hell beleuchtet. Leise schlichen die Schändlichen heran. Isaak saß mit seinen Stammesgenoffen friedlich beim Mahle. Er hatte sie heute versammelt, weil er ja hoffen durfte, von den Christen in Ruhe gelassen zu werden, da diese Nacht für sie so heilig ist. Sie saßen um einen große» Tisch, die greisen Männer oben an. - „Seht, wie sie schmaußen, die Mischest Hundei Seht Ihr den reichen Isaak, der Eure Kinder stahl, und sie wahrscheinlich schon hingeschlachtet hat? Auf also — Tod allen Juden!" — sprach Erhard, — — und: „Tod allen Juden!" brüllte der entzügelte Schwarm. Bald war die Hausthür zertrümmert die furchtsamen Juden flohen oder verbargen sich in den Winkeln, und grimmig wie die Tieger fielen Er hard'- Meuchler über die wehrlosen Israeliten her. Manches greise Haupt sank unter den Streichen der Schandbuben zur Erde nieder; weder Weib noch Kind blieb ungekränkt. — Erhard, der freche, schändliche Mordgeselle, suchte sich Isaak und die schöne Sara zum Opfer; doch er fand sie nicht. Rasend vor blinder Wuth drangen sie in alle Gemächer des Hauses, zer trümmerten die Geräihschaften und stahlen, waö ihnen an Geld, Kostbarkeiten, Maaren und Stoffen in die Hände gerieth. — Endlich drangen sie auch in den Keller — dorthin hatte sich Isaak mit seiner zarten Tochter geflüchtet. Erhard ergriff den Greis an den Silberlocken und zerrte ihn auS dem Verstecke hervor. „Jude, wo hast Du Dein Geld verborgen?" brüllte Erhard. — „Wo sind unsere Kinder?" kreischten die Blutmännrr. Einer aber schrie laut auf, als er in ein Fäßchen sab und dort die Leichen von zwei Säuglingen fand. Die Kleinen, wie man ersah, waren eines gewalsamen TodeS gestorben. Sie waren gräßlich verstümmelt. Da schleppten die Verblendeten den Greis hin zu den kleinen Leichen und stießen die gräulichsten Verwünschungen und Flüche aus. „Wo sind die übri gen fünf Kinder?" — schrieen sie. . „Bei dem ewigen Gott, welcher über mein Volk herrscht, an den auch Ihr glaubet: — ich Miß eS nicht! Ich habe diese armen Kleinen nicht hierher gebracht — ich bin wahrhaftig unschuldig!" Aber die Rotte ließ ihn nicht mehr zu Worte kommen; — bald schlugen sie mit grober Faust den armen Isaak zu Boden, zersauften ihm die Silber locken, den Bart, und traten ihn mit Füßen, bis er blutig, entstellt und regungslos dalag. — Nun mach ten sie sich an die zarte Sara:.— schon schwang Erhard das Messer, um ihr das Herz zu durchboh ren, — als sich Gabriel, umgeben von seinen Nach barn Mört und Christoph, und andern Bürgern in den Keller drängte. Bald lag Erhard entwaffnet auf dem Steinpflaster. Gabriel sprang schnell dem blutenden Isaak zu Hilfe, faßte Sara'S Hand und schritt in das Erdgeschoß hinauf. ES stand in Hellen